Projektseite Bullinger - Briefwechsel © Heinrich Bullinger-Stiftung
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[2156]

Hans Welser
an Bullinger
Augsburg,
10. Mai 1545

Autograph: Zürich StA, E II 346, 153 (Siegelabdruck) Ungedruckt

Welser dankt für Bullingers Brief [nicht erhalten] und die Antwort [der Zürcher]auf Luthers [,,Kurtz bekentnis"], das [,,Warhaffte Bekanntnuß"], welches die wahren Gläubigen rehabilitiert. Er hat zu seinem Arger vernommen, wie die Stadt Überlingen der [Marta] Blarer ihr Leibgeding verweigert, worüber auch beim Städte[tag zu Worms]gesprochen wurde. Die Frau heiratete und wurde evangelisch. Überlingen ist als einzige Reichsstadt katholisch geblieben und verweigert ihr daher die Auszahlung, was sich aber keineswegs ziemt. Seiner Meinung nach sollte sie eine Supplikation an die Reichsstädte zu Worms stellen, damit diese Überlingen auffordern, ihr das Leibgeding auszuzahlen. Denn sollte der Mann [Erasmus Schmid] auf unangemessene Weise versuchen, [das Leibgeding] einzutreiben, könnte dies den [protestantischen] Städten schaden. Welser will deshalb an die [Augsburger] Gesandten [Matthäus Langenmantel, Melchior Scherer, Marx Pfister, Jörg Hopfer und Dr. Nikolaus Müller gen. Maier] in Worms schreiben, damit sie sich der Sache annehmen. Er hat Ambrosius Blarer gebeten, die 32 Artikel der [Löwener]Theologen (die Kaiser [Karl V.]für verbindlich erklärt hat und die das Papsttum wieder aufrichten sollen) an Bullinger weiterzuleiten. Gott möge diese Pläne zunichte machen und dem Evangelium beistehen.

7 Die Berner Disputation von Januar 1528.
8 Vgl. oben Nr. 2100, 43-45.
9 jedermann.
10 unveränderten.

Gnat und fryt von got durch Crystum, unseren heylant, myt erbyetong meyner gutwillygen dyenst, sent ewch, lieber her und bruder deß evengelio Jesu Crysti, zuvor ann. Ich hab vornher ewer schriben myt eim biechlin Martin Luters 1 — antwurt 2 auf seyn uncrystlych biechlin 3 wol enpfangen; deß ich mych gegen got dem heren, der ewch solych gnat und hertz geben, nachmalß ewer arbayt bedank. Dan da ist einem jedem glabygen 4 der nycht weyters dan die warheyt Jesu Crysti sucht, genug geschechenn. Dan in soma das sacrament Jesu Crysti mus gaystlych in kraft deß glaben, der von oben herab kompt, enpfangen werden, welych das sacramentlych brot nycht geben oder darzu helfen kann, anderst dan das 5 der eyngesetzt brauch vom herren deß nachtmalß 6 ist, seyn tot zu verkyndygen, byß er kompt. 7

Wie die von Iberlyngen 8 der Blorerin 9 ir leyptong 10 gelt aufhalten 11, hab ich vernomen. Und ist myr recht zu meinen 12 bey den erberenn steten 13 auch darvonn gehert; non 14 handlen sys unbillych. Esß gebyrt sych nyt, bebstysch zu seynn und andren das ir 15 aufhalten, wan gleych eyn dunck 16 oder eynhayt

1 Luthers "Kurtz bekentnis"; s. oben Nr. 2061, Anm. 7.
2 ewer schriben antwurt: Eure schriftliche Antwort.
3 Das "Warhaffte Bekanntnuß"(s. oben Nr. 2061, Anm. 9), welches ebenfalls einen Abdruck von Luthers "Kurtz bekentnis" enthält. Blarer hatte Bullinger am 11. März im Namen Welsers darum gebeten (oben Nr. 2094, 1-4), und Bullinger hatte es Blarer am 16. März zur Weiterleitung an Welser geschickt (oben Nr. 2111, 8-10).
4 Gläubigen.
5 anderst dan das: außer dass.
6 Abendmahls.
7 1Kor 11, 26.
8 Überlingen.
9 Es handelt sich um Marta Blarer aus Güttingen (Kt. Thurgau), eine ehemalige Nonne im Kloster Feldbach (Gem. Steckborn, Kt. Thurgau), die 1525 Erasmus Schmid (Fabritius) heiratete, woraufhin ihre Mutter sie enterbte; s. dazu HBBW XIV 196. Am Tag zu Baden am 5. Mai 1534 wurde beschlossen, an Überlingen in Sachen Marta Blarer zuschreiben, allerdings ohne Angabe des Grundes; am Tag zu Baden am 9. Juni 1534 wurde dieses Vorhaben wieder aufgegeben, da schon in ähnlichen Fällen eine Intervention erfolglos geblieben war (EA IV/1c 322(6). 341vv. 346 zu vv). Es konnte nicht ermittelt werden, welcher
Bezug zwischen Marta Blarer und der Stadt Überlingen besteht und was der Grund des Streites war. — Martin Frecht erwähnt in einem Brief an Vadian von [Mitte Juni] 1545 (Vadian BW VI 425— 432, Nr. 1404, hier S. 425 — zum Datum von Vadians Briefs, unten Nr:2 168, Anm. 2), dass Bullinger am 12. April 1545 einen (nicht erhaltenen) Brief an ihn geschrieben habe, in dem er ihn bat, sich für Marta Blarer gegen die Stadt Überlingen einzusetzen. Frecht empfahl, dass sich die evangelischen Eidgenossen und Konstanz zusammen an Überlingen wenden sollten. Aufgrund Welsers Brief an Bullinger (oben Nr. 2156, 12-29), in dem dieser direkt auf "die Blarerin" zu sprechen kommt, ist anzunehmen, dass Bullinger selbst Welser um Hilfe in diesem Fall gebeten hatte, wohl in dem oben Nr. 2146, 11 erwähnten Brief.
10 Leibgeding.
11 zurückhalten.
12 ist myr recht zu meinen: ich habe guten Grund zu glauben.
13 Gemeint ist wohl der Städtetag, der ab Februar 1545 im Rahmen des Wormser Reichstags stattfand; s. oben Nr. 2060, Anm. 5.
14 nur.
15 ihr Eigentum.
16 eyn dunck: eine einzige Meinung.

were. Sy hat sych vom lasten don 17 elych 18 verheyret, an evangelion ergeben, darann gantz crystlych gehandlet, obschon die von Iberlyngen die schyer bey alen reychssteten aleyn iberbleyben evangelio anzunamen 19 — eyn andren, babstischen glaben haben. Was get das an, das sy die erber 20 fraw darum 21 nyt zallenn weiten und sy sych myt andren verglychen? Haben nona dest mynder fug 22 sych solychs zu wegerenn 23 Mein rat: die erber fraw laß einn sublycacyon stellen an alle reychsstet, so jetz zu Wurms 24 sent 25 myt erzelong der geschycht, begeren 26 ir ein vyrschryft 27 an die von Iberlyngen zu gebenn, damyt sy betzalt wert und nyt getrungen 28 solyches leyptyng gelt zu verkaufen. Das derselb 29 nachmalß suche, eß durch eyn unnbequemlychen weg eynnzubrynngen, dardurch die andren stet auch nachtayl gewarten 3 °miesten, haben sy ursach, deß basß 31 annzuhalten 32 So will ich gen Wurms schriben, das meyner heren gesanten 33 darzu umb filer billychayt nach sollen helfen befyrderen b34

Ich hab dem heren Ambrosi Blorer 35 32 artykell zugesant 36 (so zu lesen beschlosen von babst teologen c ; die man fast 37 glaben 38 und halten sol; solych, die kayserlich majestät auch mandyert 39 — das anderst nycht ist, dan das elent babstum wyderum in seyn irtom und wyrde eyngesetzt, evangelio Jesu Crysti hinder dur 40 nydert drukt d41 )e myt byt, das er ewch die fort 42 zuschyke. Hof, habs dann, 43 zu got hofent, er wert ir anschleg brechend,

a non über gestrichenem noch.
b In der Vorlage: befyderen.
c In der Vorlage: teoligen.
d drukt nach gestrichenem gesetzt.
e Klammern ergänzt.
17 Zu verstehen: sie ist aus dem Kloster ausgetreten.
18 ehelich.
19 Überlingen blieb katholisch.
20 ehrbare.
21 Weil sie katholisch sind.
22 dest mynder fug: noch weniger Grund.
23 weigern.
24 Siehe oben Anm. 13.
25 sind.
26 Gemeint ist: [und] die erber fraw laß begeren.
27 Fürschrift, Empfehlungsschreiben.
28 gezwungen.
29 Wohl der Ehemann, Erasmus Schmid.
30 erwarten.
31 umso mehr.
32 darauf zu beharen.
33 Matthäus Langenmantel, Melchior Scherer, Marx Pfister, Jörg Hopfer und Dr. Nikolaus
Müller gen. Maier; s. RTA JR XVI/1 297, Anm. 1.
34 zu fördern.
35 Ambrosius Blarer.
36 Die 32 Artikel zur katholischen Glaubenslehre der Theologischen Fakultät in Löwen, die Welser am 6. Mai 1545 an Blarer gesandt hatte; s. oben Nr. 2153, 1-10 und Anm. 6.
37 fest.
38 glauben.
39 Karl V. hatte die Artikel am 14. März 1545 als verbindlich für die gesamten Niederlande erklärt; s. oben Nr. 2153, 1-10 und Anm. 6.
40 Tür.
41 Zu verstehen: was nichts anderes ist, als das elende Papsttum und dessen Irrtum wieder eingesetzt und das Evangelium Christi hinter die Tür zurückgewiesen [zu haben].
42 sogleich.
43 habs dann: [er] habe es getan.
44 ir anschleg brechen: ihre Pläne vernichten. —Vgl. Ps 33 (Vulg. 32), 10.

sych unser erbarmen und seyn heylygest ewangelio got geb, was sy darwyder ratschlagen 45 —bey unsß eilenden bleyben lasenn, do wyr aus gnat

an in glaben.

||153v. Damyt befilch ich ewch in die genat 46 unser liebenn heren Jesu Crysti.

Datum 10. tag meyo in Augspurg deß 1545. jar.

E[wer] w[illiger] Hanns Welser.

[Adresse auf 153a,v.:] Dem wyrdygen, hochgelerten heren Hainrych Bulynger, forster 47 im wort Jesu Crysti zu Zurch. f48