Projektseite Bullinger - Briefwechsel © Heinrich Bullinger-Stiftung
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[2150]

Bullinger an
Oswald Myconius
Zürich,
1. Mai 1545

Autograph: Zürich StA, E II 342, 128 (Siegelspur) Ungedruckt

Die Fünf Orte begehren vom [Kleinen und Großen] Rat Zürichs, dass Zürich, welches den Vorsitz [in der Tagsatzung] innehat und demzufolge den Eid schwören lassen muss, diesen auch von den Fünf Orten empfangen möge, allerdings unter [Anrufung] der Heiligen, die Zürich ihnen vorzusprechen hat. Zürich versprach eine Antwort. Die Zürcher Räte bedauern aber, dass die Fünf Orte, denen sie ihren Glauben belassen, ihnen nicht das Gleiche zugestehen und sie zwingen wollen, dazu beizutragen, bei den Heiligen schwören zu können. Bullinger empfiehlt den Überbringer Christian Krämer [d.J.], Sohn von Christian Krämer [d.Ä.], Bürger zu Bremgarten. Christian d.J. ging in Beromünster zur Schule und hat wie sein Vater kein Interesse am Papsttum. Myconius soll ihm eine unterkunft-flur-das Studium verschaffen, denn in [Zürich] muss bereits für den Unterhalt von rund 80 Stipendiaten gesorgt werden. Johannes Caesarius aus Köln und Johannes Pistorius aus Hessen schreiben Ähnliches über die von [Karl V.] veranlassten Verfolgungen. Myconius soll Buch 8, Kapitel 1 von Eusebius' Kirchengeschichte" lesen und feststellen, wie anders doch jene Zeiten als die gegenwärtigen waren! Aus Bonn berichtet Albert Hardenberg, dass [Hermann von Wied] standhaft ist. Johannes a Lasco hat Bullinger seine gegen Menno Simons gerichtete [,,Defensio verae doctrinae"] und andere ungedruckte Schriften zugesandt. Was er zur Eucharistie schreibt, ist vortrefflich. Bullinger ist sehr froh, einen solchen Freund gewonnen zu haben. Dieser schrieb ihm vor einem Jahr einen ersten Brief [HBBW XIV, Nr. 1871]. Soviel zu Myconius' letztem Brief [Nr. 2144]. Bullinger hat die von Myconius abgeschriebenen Thesen Schalkendeckers"[Eligius Pruystincks](ein neuer Valentinus oder Markion!) an [Johannes] Gast zurückgeschickt. Vor Weihnachten [1544]hatte er diese auch aus Augsburg erhalten. Sie sind bereits im 12. Buch seines Matthäuskommentars widerlegt. [Kaspar]Megander, [Konrad] Pellikan, [Theodor] Bibliander und [Rudolf] Gwalther lassen grüßen.

e Unterhalb der Adresse ein Zierschnörkel.
50 Siehe oben Nr. 2078, 23 und Anm. 24.
51 Ps 96 (Vuig. 95), 13; 98 (Vuig. 97), 9; Mt 25, 31-33 par.
52 1Kor 1,30.
53 Vgl. z.B. Vergil, Aeneis, 10, 670; Ovid, Ars amatoria, 3, 667.

Gnad und frid.

Die 5 ort 1 sind vor raten 2 und burgern 3 erschinnen und habend mitt vil worten begärt, diewyl mm herren das vorderist ort sye 4 und den eyd gäbind 5 an allen orten, das sy dann denselben ouch den 5 orten gäbind, doch by den heyligen, etc. 6 Daruff sind sy abgefertigt, 7 man wolle inen mitt der zyt ein antwort gaben. 8 Und beschwarend sich mm herren der sach deßhalb, diewyl sy die 5 ort blyben lassend by irem glouben, das sy schwerrind 9 by den heyligen oder wie sy wollind, vermeynend sy, man solt ouch sy blyben lassen by dem iren, der vermag, 10 wie einer under uns nitt solle für sich bilder eeren, helgen 11 anrüffen und maß halten, also solle er ouch nieman darzu hälffen und fürderen. Dann was ware das geredt, so yemandts spräch: "Ich wil nitt bilder eeren, so aber der sy ye eeren wil, wil ichs imm fürstellen 12 ", etc. Die antwort, die man inen gaben wirt, ist noch nitt gestellt 13 , etc.

Zeyger diß brieffs 14 befilch ich üch und den üwern trüwlich. sin vatter heist wie er, der suna, Cristan Krämer; ist burger zu Bremgarten. Der sun"ist

1 Die Fünf Orte (Luzern, Uri Schwyz, Unterwalden, Zug).
2 Der Kleine Rat.
3 Der Große Rat.
4 diewyl mm herren das vorderist ort sye: da die Obrigkeit [von Zürich] den Vorsitz [in der Tagsatzung]innehat; s. oben Nr. 2059, Anm. 7.
5 Das heißt: den anderen den Eid vorsprechen, damit diese ihn nachsprechen; s. Bächtold, Schwurformel 298, Anm. 15.
6 Siehe dazu oben Nr. 2129 und 2141.
7 Am 20. April; s. oben Nr. 2141,25-27 und Anm. 20.
8 Dies geschah am 10. Juni 1545; s. EA Wild 475, Nr. 4(Zürich anche Fünf Orte); Bächtold, Schwurformel 306f.
9 schwören.
10 der vermog: welcher aussagt.
11 Heilige.
12 vorbringen. — Gemeint ist: Wenn aber einer die Bilder ehren will, so werde ich sie ihm vorlegen.
13 abgefasst.
14 Christian Krämer aus Bremgarten (Kt. Aargau), Sohn eines gleichnamigen Bürgers zu Bremgarten; er besuchte die Schule in Beromünster (s. unten Z. 16f) und immatrikulierte sich im April 1547 an der Universität Freiburg i. Br. (s. Freiburg, Matrikel I/1 359, Nr. 90). Vor dem 5. Juni
1558 wurde er von Matthias Erb aus Reichenweier an Bullinger empfohlen, welcher ihn wiederum Johannes Fabricius in Chur anvertraute: Krämer könne vielleicht eine Kirche versehen (s. Graubünden, Korr. II 81f, Nr. 91). Am 25. Juni 1558 antwortete Fabricius, dass Krämer in die Synode aufgenommen und trotz mangelhafter Ausbildung der Gemeinde Küblis (Kt. Graubünden) empfohlen worden war (aao II 85, Nr. 96). Am 22. Juli 1558 schrieb Bullinger an Fabricius, Krämer hätte gute Zeugnisse "von den Orten unterhalb Basel, wo er sich aufgehalten" habe (s. aao II 90, Nr. 103; Hans Ulrich Bächtold, "Das gute Leben in Urdorf'. Heinrich Bullingers Badebericht von 1547, in: Bremgarter Njbl. 2005,20, Anm. 44). Von 1558 bis 1561 wirkte Krämer als Prädikant in Küblis; s. Pfarrerbuch Graubünden 109, Nr. 1. Am 29. September 1561 teilte Fabricius Bullinger mit, Krämer habe seine Frau verlassen, sei trunksüchtig geworden und drohe, zum alten Glauben zurückzukehren; die Synode solle ihm auferlegt haben, seine Frau wieder zu sich zu nehmen oder die Stelle aufzugeben (s. Graubünden, Korr. II 336, Nr. 382). Danach verliert sich seine Spur. —Er darf nicht mit dem aus Gelnhausen in Hessen (oder Gölshausen in Baden?) stammenden

ein zyt zu Münsters 15 in die schül gangen; hat kein lust zuo dem bapsthumb wie ouch der vatter. Könnend und mögend ir yenen 16 , so bitt ich umb gotts willen, ir wollind imm ettwan underhälffen 17 , das er studieren mog; kan ich, so wil ichs verdienen. By uns mag ich inn gar nitt underbringen, dann diser zyt werdint uffenthalten in die 80 stipendiaten; gadt in der thüre 18 gar grossen kosten uff, etc. Lieber, ist es muglich, so hälffend imm uß dem allmüsen c umb muß und brot und versuchends joch 19 ein halb jar.

Similia de caesaris 20 truculenta saevitie scribit d. bannes Caesarius a Colonia 21 et d. bannes Pistorius ex Hassia 22 . Sed haec dolorum modo sunt initia; 23 ingratitudo nostra meretur maiora. Lege, quaeso, si vacat, 8. librum Ecclesiasticae historiae Eusebii et maxime caput 1, 24 et iudica, quam dis-pari sint sibi illa et nostra tempora. Dominus nostri misereatur. Ego haec et deteriora semper futura praevidi atque expectavi.

A Bonna scribit d. d. Albertus Hardenbergius, 25 Coloniensis 26 a consiliis 27 , constantem quidem esse episcopum; sed maxima piis imminer[e]d pericula.

Librum, quem d. bannes a Lasco contra Mennonem Simonis scripsit 28 ,

a der sun am Rande nachgetragen.
b Der sun am Rande nachgetragen.
c uß dem allmüsen am Rande nachgetragen.
d Textverlust aufgrund von Papierverlust.
Christian Krämer (Chremerius) verwechselt werden. Letzterer war Alumnus des Collegium Wilhelmitanum in Straßburg und 1554-1555 Pfarrer zu Bischheim, Handschuheim und Hurtig-hei im Elsass (s. topp 1101, Nr. 793).
15 Beromünster.
16 irgendwie. 17 imm underhälffen: ihm zu einer Unterkunft verhelfen.
18 Teuerung. — Siehe oben Nr. 2088, Anm. 21; 2089.
19 doch.
20 Karl V.
21 Oben Nr. 2113, 19-22.
22 Oben Nr. 2125, 25-28.
23 Mt 24, 8 par.
24 Eusebius von Caesarea, Historia ecclesiastica, 8, 1, wo Eusebius die glückliche und fromme Zeit vor der Diokletianischen Verfolgung Anfang des 4. Jhs. beschreibt.
25 Am 25. März 1545 hatte Hardenberg Folgendes an Konrad Pelikan geschrieben: "Ubi Argentinam sum reversus, paulo mox me elector Coloniensis, clementissimus
princeps meus, evocavit. Quem Yemens offendi molestissime luctantem cum canibus et lupis, hoc est cum hominibus circa fidem reprobis, impiis, perversis, obstinatis, qui nullam neque reformationem neque emendationem recipiunt. Sunt, qui in contemptum electae Christi ecclesiae se clerum et spirituales vocant. Hi convocatis statibus archidioeceseos Gorrendis mendatiis episcopum suum proscindebant et appellationem ad Caesarem et sanctissimum deum suum, Romanum pontificem, instituebant. His, ut quoquo tandem modo responderetur, a principe vocatus adfui et, quod pro tenuitate mea potui, prestiti" (Zürich ZB, Ms F 47, 246). Wahrscheinlicher ist aber, dass Bullinger sich hier auf einen im April 1545 an ihn gerichteten, nicht mehr erhaltenen Brief Hardenbergs bezieht, der gleichlautende Informationen enthalten haben muss wie derjenige, den Myconius vor dem 22. April 1545 aus Bonn erhalten hatte; s. oben Nr. 2144, 10-13.
26 Des Kölner Erzbischofs Hermann von Wied.
27 a consiliis (indeklinabel): Berater, Rat.
28 Johannes a Lasco, Defensio verae doctrinae; s. oben Nr. 2120, 48f und Anm. 19.

ipse ad me misit 29 una cum alus quibusdam nondum impressis 30 . Vis est ut ||128v prudentissimus eloquentissimusque, ita et piissimus et doctissimus. Multa scripsit de eucharistia supra modum docta, religiosa, perspicua et invicta. Gratulor mihi valde, quod hunc nactus sim amicum et fratrem. Ante annum primas ad me literas 31 scripsit.

Haec ad tuas postremas 32 respondere volui. Nunc gratiae dei te commendo una cum omnibus piis.

Caeterum articulos Schalkendeckeri 33 remisi d. Gastio, 34 a quo accepi. Agnovi tamen manum tuam. Illos ex Augusta accepi ante festum Natalis domini. 35 Respondi e illorum deliriis in 12. libro commentarii ad Matthaeum. 36 Revixit in hoc monstro Valentinus 37 et Martion 38 , primogeniti sathanae 39 , . Sed sunt haec postrema tempora. Sternet brevi omnes haereses victor Christus, cui gloria.

Tiguri, calendis mau anno 1545.

Salutant te Megander, Pellicanus, Bibliander, Gvaltherum, caeteri omnes.

H. Bullingerus tuus.

[Adresse darunter:] Clarissimo viro d. Osvaldo Myconio, Basiliensis ecclesiae antistiti vigilantissimo, suo in domino colendo et dilecto fratri.

e Von Respondi bis Matthaeum am Rande nachgetragen (ohne Einfügungszeichen).
29 Ein entsprechender Brief a Lascos an Bullinger ist nicht überliefert; die Zürcher hatten von der "Defensio" ebenfalls ein Exemplar durch Hardenberg erhalten; s. oben Nr. 2120,49 und Anm. 20.
30 Wohl die "Erotemata" a Lascos; s. oben Nr. 2120, 67f und Anm. 26.
31 Am 14. März 1544; s. HBBW XIV, Nr. 1871.
32 Oben Nr. 2144.
33 Siehe oben Nr. 2144, 14-17 und Anm. 12.
34 Der entsprechende Brief an Gast ist nicht erhalten.
35 Durch wen die Sendung aus Augsburg im Dezember 1544 erfolgte, ist nicht bekannt.
36 Indem Bullinger im 12. Kapitel seines Matthäuskommentars (HBBibl 1144) von
1542 die leibliche Auferstehung, den Zustand der Seele nach dem Tod und die Strafe der Ungläubigen behandelt und somit die Thesen Pruystincks (welche er damals noch nicht kannte und demzufolge auch nicht erwähnen konnte) bereits widerlegt hatte.
37 Valentinus, christlicher platonischer Häretiker, der zwischen 140 und 160 n. Chr. in Rom wirkte. Er vertrat die Ansicht, dass Seele und Körper mit dem Tod vernichtet sind; s. TRE XXXIV 495-500.
38 Markion (Marcion), ca. 85-160, aus Sinope in Kleinasien. Für ihn war die menschliche Seele sterblich; s. TRE XXII 89-101.
39 Vgl. Irenaeus von Lyon, Adversus haereses, 3, 3, 4, zitiert von Eusebius von Caesarea, Historia ecclesiastica, 4, 14, 7.