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[2112]

[Bullinger] an
Sebastian Groß
[Zürich],
16. März 1545

Teilabschrift von Josias Simler a : Zürich StA, E II 346, 145v. Ungedruckt

[Andreas] Osiander hat eine lateinische [,,Apologia"] gegen die Zwinglianer gerichtet. Er wurde durch das "Speculum [Osiandri]" eines Unbekannten, mit dem [die Zürcher] nichts zu tun haben, dazu veranlasst. Hätten die Zürcher etwas gegen Osiander, würden sie es klar und deutlich vorbringen. Auch wenn sie der Lehre Zwinglis anhängen, so sind sie doch nicht zu

b Die Lesung meam wäre nicht auszuschließen; s. aber oben Nr. 2067, 26.
c Darunter von Blarers Hand das Empfangsdatum: 19. martii 1545.
22 Die "Orthodoxa Tigurinae eccleasiae confessio", die wohl zwischen dem 8. März (Datum des Nachworts des Übersetzers [Gwalther] an den Leser) und dem 12. März 1545 aus der Presse kam; s. oben Nr. 2061, Anm. 9.
1 Sebastian Groß, geb. 1498 in Basel (Eltern: Hans Groß und Anna Römer), gest. 14. Mai 1558 in Nürnberg. Aus wohlhabender, ratsfähiger Familie; seit 26. Oktober 1521 verheiratet mit Walburg Tormann von Basel, deren Schwester die Frau von Sebastian Schertlin von Burtenbach
war. 1523/24 Schöffe am Stadt- und Landgericht Nürnberg. 1524 Mitglied des Großen Rats. 1525 Ratsherr, junger Bürgermeister, Feuerherr und Rugherr. 1526 Waldherr. 1529 Vormundherr. 1531 Pfleger der Reichsveste. Vom 1. Oktober bis 23. Dezember 1533 älterer Bürgermeister. 1557 Siegelbewahrer der Reichsveste. Bullingers Adresse zufolge (unten Z. 19) Burgvogt. Groß gab unter dem Namen "Augustinus Grandis" folgendes Werk heraus: Jesus Syrach in Teutsche verß gestellet, Frankfurt a. M., Christian Egenolff, 1558 (VD 16 B 4092). — Weitere Briefe zwischen Bullinger und Groß sind nicht bekannt. —Lit.: Georg Andreas Will, Nürnbergisches Gelehrten-Lexicon, fortgesetzet von Christian Conrad Nopitsch, Teils (Supplementband 1), Altdorf 1802,

verdammen. Osiander soll sie in Ruhe lassen. Bullinger bittet Groß, [die Nürnberger] zum Frieden und zur Einigkeit zu bewegen, zumal die Zürcher nichts gegen die Nürnberger unternehmen wollen.

Wyter 2 hatt üwer predicant h. Osiander 3 ein gar schmächlich büchlin latinisch ußgon laßen, darin er die zwinglischen gar übel schmacht, etc. 4 Den anlaß hatt er dahar: Eß haft neißwan 5 einer ein gar schmälich büchlin. Spiegel genant, wider gemelten her Osiander gschriben. 6 Solichs haft uns hie 7 Zürich (die wir auch zwinglisch genant) nie gfallen; wir habends auch nitt gemachet, und so wir etwaß an h. Osyander zd sprechen hettend, weltend wirs fry heiter 8 under unserem namen thun. Nun aber habend wir mitt dem Spiegel gar nütt zu thund und wißend nitt, wohar er kumpt. Dorumb er 9 billich 10 bscheidner und umsichtiger gehandlet hatte. Ob wir schon der leer Zwyngly anhangend, darumb und darinn, daß er 11 uß geschrifft gelert haft, sind wir dorumb nitt ze verdammen und schenden. Wir sind christen und biderblüt 12 . Habend mitt h. Osiandren nütt dan liebs und gutz zeschaffen. Dorumb last er uns wol rüwig 13 und zücht sine hendel dermaß an 14 , daß uns biderbe lüt nitt für die haltend, die er so übel schilt. Solichs schrib ich üch gar früntlicher meinung zu, daß ir alwegen zu den verhelfind bi den üwern, daß friden, gutz und einikeit bringt; dan wir hie Zürich nitt ger 15 weltind ützid 16 handlen, daß üch ze Nürenberg zuwider were.

[Adresse und Datum als Überschrift von Bullingers Hand:] An h. Sebastion Grossen, burgvogt zu Nurenberg. 16. martii 45.

a Der Briefanfang fehlt. Die Überschrift (Z. 18f) stammt von Bullingers Hand.
S. 4241; Sebastian Schertlin von Burtenbach und seine an die Stadt Augsburg geschriebenen Briefe, hg. v. Theodor Her-berger Augsburg 1852, S. XXXVI; Osiander GA III 315; Peter Fleischmann, Rat und Patriziat in Nürnberg, Bd. 2: Ratsherren und Ratsgeschlechter, Neustadt a. d. Aisch [2008], S. 467f.
2 Ferner. — Der erste Teil des Briefes galt wahrscheinlich der Sendung der Schrift "Warhaffte Bekanntnuß"; s. oben Nr. 2061, Anm.9.
3 Andreas Osiander.
4 Osianders "Apologia ... contra libellum famosum scelerati cuiusdam et Zvingliani nebulonis", erschienen in der ersten Dezemberhälfte 1544 (s. Osiander GA VIII 284); s. oben Nr. 2065, Anm. 24. Osiander gab darin u.a. an, dass der Verfasser des "Speculums" ein "ehrendieb aus der
zwinglischen secten" sei; s. Osiander GA VIII 159, 7f. — Zuvor hatte sich Osiander in seinen "Coniecturae" (s. HBBW XIV 349, Anm. 5) ebenfalls gegen Zwingli und Oekolampad geäußert.
5 irgendwann.
6 Das "Speculum Osiandri", dessen anonymer Verfasser Georg Frölich war; s. HBBW XIV 350, Anm. 10; Druck in: Osiander GA VIII 305-318, Beilage zu Nr. 311.
7 hierin.
8 fry heiter: klar und deutlich.
9 Osiander.
10 auf angemessene Weise.
11 Zwingli.
12 rechtschaffene Leute.
13 last ... rüwig: lasse er ... in Ruhe.
14 zücht sine hendel dermaß an: bringe seine Streitigkeiten so zur Sprache.
15 gern.
16 etwas.