Projektseite Bullinger - Briefwechsel © Heinrich Bullinger-Stiftung
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Kapitel 

[162]

Hans Rudolf Lavater an
Bullinger
[Kyburg?] ,
22. Dezember 1532

Autograph: Zürich StA, E II 335,2003. Siegelspur Gedruckt: Carl Pestalozzi, Hans Rudolf Lavater, Bürgermeister, 1491-1557, Zürich 1864. — 27. Njbl. zum Besten des Waisenhauses, hg. v. der Gelehrten Gesellschaft auf der Chorherren, S. 23; Stucki 286f

Gute Wünsche zum neuen Jahr. Schickt Bullinger und seiner Frau Käse und einen Kapaun. Ist beunruhigt über die Nachrichten, daß Zürich sich zu einem Vergleich mit den V Orten herbeilassen will. Bittet Bullinger um weitere Nachrichten und erkundigt sich nach dem Stand seines Streits mit [Jörg]Berger.

Der allmechtig gütig her und gott verlich üch und allen üwern verwanten ein gut glükhaft jar etc. zu vor.

Wolglerter, ersamer, min sunders günstiger und lieber herr, ich schick üch und üwer hußfrowen 3 hiemit den keß und kapunen zum guten jar 4 , mit ganz früntlicher pitt, sömlich kleinfüge gab vergut zu nemen 5 , dann üch und den üwern alle zitt früntschaft unnd dienstlichen willen zu bewisen, wer ich insonders begirig und zum höchsten gutwilig.

Dem nach, lieber Meister Heinrich, hab ich gestern zu Winterthur vernomen, wie sich min herren begeben in recht zu lassen 6 mit den 5 orten 7 . Darab ich ser übel erschroken, dan wir mit den rechten 8 am ruggen gligen 9 müsend. Harub 10 ist min

ASchweizerRef IV 2019. Er wurde am 12. Dezember vor dem Rat verlesen (s. Straßer 125, Anm. 2).
1 Hans Rudolf Lavater, 1492-1557, stammte aus eher bescheidenen Verhältnissen, gelangte aber später zu großem Vermögen und politischer Macht. 1516 wurde er in den Großen Rat aufgenommen, 1521 nahm er als Fähnrich am Papstzug teil. Seit 1524 wirkte er oft als Verordneter und förderte als Parteigänger Zwinglis die Reformation auf der Landschaft. 1525-1536 verwaltete Lavater als Landvogt von Kyburg die bedeutendste zürcherische Vogtei. In dieser Eigenschaft spielte er eine wichtige Rolle bei den Verhandlungen mit den aufrührerischen Bauern zu Töß (5. Juni 1525, vgl. auch HBRG I 277-279). 1529 führte Lavater die Zürcher Truppen im Thurgau. Im Zweiten Kappelerkrieg wurde Lavater mit dem Oberkommando betraut, geriet aber nach der Niederlage unter harten politischen Beschuß von Seiten der Landschaft, auf deren Verlangen hin eine Untersuchung über Lavaters Verhalten in der Schlacht bei Kappel erfolgte. Es gelang Lavater jedoch, sich zu rechtfertigen (s. HBRG III 297-302) und seine politische Karriere fortzusetzen. 1536 erfolgte seine Wahl in den Kleinen Rat, 1544 wurde er Bürgermeister. Mit Bullinger
verband Lavater seit 1532 eine persönliche Freundschaft. Der Antistes nahm im Frühling jenes Jahres Lavaters Sohn Heinrich als Tischgänger und Schüler bei sich auf. Ein weiterer Sohn, der Theologe und spätere Antistes Ludwig Lavater, heiratete 1550 Bullingers Tochter Margareta. Bullinger widmete Lavater seinen 1543 erschienenen Kommentar zum Johannes-Evangelium (HBBibl I 153). Einige Briefe Lavaters an Bullinger sind erhalten. — Lit.: HBRG, Reg.; HBD, Reg.; Egli, Analecta I 150-164; Jacob 208—211; Stucki.
2 Es ist anzunehmen, daß Lavater aus seiner Vogtei schreibt.
3 Ehefrau (SI I 1246). —Anna Bullinger, geb. Adlischwyler.
4 als Neujahrsgeschenk (SI III 58-60).
5 wohlwollend aufzunehmen (vgl. SI II 542).
6 sich ins Recht einlassen, den Rechtsgang akzeptieren.
7 Zum Konflikt zwischen Zürich und den V Orten wegen des zürcherischen Messemandats s. unten S. 288f, Anm. 7.
8 Im Rechtsstreit, d. h. im Falle eines Entscheides durch ein eidgenössisches Schiedsgericht.
9 den Kürzeren ziehen, unterliegen (vgl. Grimm IV/I 2 3025f).
10 darum.

früntlich Pitt an üch, mich zu berichten, wie es darumb gstaltodt, ouch was Bern und ander cristenlich stett 11 hier zu sagindt 12 , und wie es standt.

Land mich ouch wussen, wie min handel zwüschend Berger 13 und mir stande.

Und sind hiemit dem allmechtigen gott in sinen schirm befolchen, der üch gnedicklich kreftigen, damit ir sinen handel tapfer verstrecken 14 mogindt.

Datum in ill, suntags nach Thome anno etc. 32.

Üwer gutwiliger diener

Hans R. Lafatar [!].

[Adresse auf der Rückseite:] Dem wolglerten, ersamen herren Meister Heinrichen Bulinger, predicant zum großen münster Zürich, minem insonders lieben unnd vertruwten herren.