Projektseite Bullinger - Briefwechsel © Heinrich Bullinger-Stiftung
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[1703]

Bullinger,
Kaspar Megander,
Rudolf Gwalther,
Erasmus Schmid und
Konrad Pellikan an
Johannes Oporin
Zürich,
14. Dezember 1542

Autograph Bullingers a : Basel StA, Kirchenakten A 4, 125r.-126r. (Siegelspur) Gedruckt b : Egli, Analecta Reformatoria II 137-139

Haben erfahren, dass der Basler Rat den Koran zum Verkauf freigeben will, wenn ein Auswärtiger die Herausgeberschaft auf sich nimmt und weder Oporin noch Basel erwähnt wird; Theodor Bibliander ist als eigentlicher Urheber der Publikation, der mit dem Handschriftenvergleich viel Arbeit hatte, dazu bereit, wollte aber -wie schon von Anfang an -nicht ohne ihr Mitwissen handeln. Angesichts des guten Namens von Bibliander, der mit seinem Werk den türkischen Glauben bekämpfen und den christlichen fördern will, hoffen sie, der Rat werde sich damit zufrieden geben. Falls ein einziger Name nicht genügen sollte, wären alle Unterzeichneten bereit, für Bibliander einzustehen, doch der Ruhm für die mühevolle Arbeit gebührt ihm allein. Sie sind überzeugt vom großen Nutzen dieses Werks; so wie der Papst nicht durch die Waffen frommer Kaiser, sondern durch die öffentliche Auseinandersetzung mit seinem [kanonischen]Recht und seiner Lehre gestürzt wurde, wird es hoffentlich auch dem Verführer Mohammed ergehen. Oporin darf von diesem Schreiben [gegenüber dem Rat] Gebrauch machen; zu diesem Zweck haben sie es eigenhändig unterzeichnet.

Gnad und frid von gott dem vatter durch unsern herren Jesum.

Wolgelerter, insonders vertrüwter und fürgeliepter herr und bruder, wir habend mitt fröüden vernommen, 1 das ein ersammer radt der statt Basel üch die hoffnung uffgethon habe, mögind ir yemandts anckommen, 2 der sinen namen für den Alcoran setze 3 und das buch in sinem namen, one üwers und vorab der statt Basel namens mäldung 4 , uußgonn lasse, wölle er üch die bücher zu verkouffen heruß lassen. 5 Dann 6 ouch unser lieber herr und bruder Theodorus Bibliander, heiliger gschrifft in der kylchen Zürych läser 7 und unser getruwer lerer, uns eroffnet 8 , das er deß fürnemmens sye, sich dar

a Die Unterschriften sind je autograph. Eine Abschrift von unbekannter Hand in Zürich StA, E II 335, 2056r.-v. wurde von Bullinger auf f. 2057v. mit dem Titel Verschrybung an Oporinum des Alcorans halb versehen.
b Nach der in Anm. a erwähnten Abschrift.
1 Die Nachricht war durch Johannes Fries an Theodor Bibliander gelangt, wie aus dem unten Anm. 9 erwähnten Brief des letzteren hervorgeht.
2 falls ihr jemand finden könnt.
3 der als Herausgeber zeichnen würde.
4 Erwähnung.
5 Der Basler Rat hatte die von Oporin unter Umgehung der Zensur gedruckte Koranausgabe am 30. August beschlagnahmt (vgl. oben Nr. 1657, Anm. 3). Am 7. Dezember hatte er - nach der Intervention Luthers und der Straßburger Theologen - die Freigabe unter oben erwähnter Bedingung in Aussicht gestellt (s. Hagenbach, Koran 321); die tatsächliche Freigabe erfolgte am 11. Januar 1543. Vgl. Bobzin, Koran 205-207.
6 Weiter [hat].
7 Lektor (Professor am Lektorium).
8 bekannt gegeben.

zugäben, 9 das sin namm für das buch gesetzt, der gstallt, wie es ein ersamme obergkeit begärt, diewyl er doch eigentlich 10 diß buchs, das es truckt, urhab 11 sye und grosse arbeit mitt collatione exemplarium gehept 12 etc. Welchs alles er nitt one unser vorwüssen thun wölle c , sidmal 13 er ouch anfangs 14 mitt unserm wüssen und radt gehandlet habe etc. d

Sölicher sin fürtrag und fürnemmen hatt uns nitt können mißfallen, diewyl wir gruntlich wüssend, was grosser arbeit, flyß und müy er mitt genamptem buch gehept, ouch damitt nieneruff anders 15 gesähen dann uff die eer gottes, namlich das dem schantlichen dürggischen glouben abbrochen 16 und gewert und der heilig christen gloub geuffnet 17 werde. Wir sind ouch guter hoffnung, ein ersammer radt zu Basel werde sich genampten h[errn] Theodori namens und erbietens vernügen lassen, 18 diewyl doch er eigentlich der urheber ist, ouch ein guten und herrlichen namen hatt durch alle kylchen, sines ampts und ouch besonderer hohen gaaben halben, imm von gott rychlich verlyhen.

||125v. Ob aber ye sin namm by ettlichen noch nitt so gar beckandt were, das wir doch nitt gedencken könnend, 19 unnd deßhalb wölte vermeint werden, es were an einer einigen 20 person noch nitt genug, gäbend wir üch warhaffticklich und guter meynung zu verstan 21 mitt gegenwirtiger geschrifft, das genampter unser lieber herr und bruder Theodorus sölichs thut mitt unser aller einhälligem radt und vorwüssenn und deßhalb uns alle und yeden insonders zu biständern hatt; 22 begärend ouch von gantzem hertzen des guten wercks, damitt der heilig christen gloub geschirmpt und der schantlich türggisch und antichristisch widerfochten wirt, teilhafft zu werden, und so ferr es die billickeit und grächtickeit erliden möchte, 23 ouch nodtwendig were, möchtend wir lyden, 24 das ouch unsere namen darfür gesetzt wurdint. Es ist aber weder billich noch rächt, dass die e in der vereerung und imm lob der guthaat 25 glichen namen tragen und haben wöllind mitt dem rächten urhäber, die aber nitt so groß müy und arbeyt erlitten alls der rächte urhaber; der ist hierinn unser fürgeliepter bruder Theodorus, dorumb wir imm gernn der eeren, die er gwüßlich by den kylchen haben wirt,

c wölle über der Zeile nachgetragen.
d habe etc. am Rande nachgetragen.
e die am Rande nachgetragen.
9 dass er beabsichtige, sich zur Verfügung zu stellen (vgl. dazu Biblianders Brief an Oporin vom selben Tag, gedruckt in: Hagenbach, Koran 322-326).
10 tatsächlich.
11 Urheber.
12 Zu Biblianders Editionsarbeit s. bes. Bohzin. Koran 181. 221-262.
13 da.
14 von Anfang an.
15 auf nichts anderes.
16 Einhalt geboten.
17 gefördert.
18 sich zufrieden geben.
19 was wir uns aber nicht vorstellen können.
20 einzigen.
21 zu wissen.
22 uns alle und jeden einzelnen als Rechtsbeistand hat.
23 zuließe.
24 wären wir einverstanden.
25 der guten Tat.

gonnend; scheident uns aber in diser handlung nitt von imm, sunder wir f stellend uns gentzlich zu imm. Sind ouch gentzlich der guten zuversicht, ein ersammer und wyser radt zu Basel werde sich sinen oder ioch unsers bystandts vernügen lassen 26 und die bücher üch widerumb zustellen.

Und gwüßlich wöltend wir uns deß handels nitt so hoch annemmen oder beladen, wo wir nitt gedencken möchtend und mitt vestem ||126r. zu gott unserm herren vertruwen hofftend, vil nutz damitt zu schaffen. Wir wüssend ye, das dem bapst nüt hatt mögen abbrochen werden mitt dem schwärt der gwalltigen keyssern Fridrychen 27 , Heinrychen 28 und anderer frommen keyssern, die wider den bapst krieget; so bald man aber deß bapsts rächt geoffnet 29 und wider sin leer mitt gschrifft 30 gehandlet, ist er gfallen. Den faal, hoffend wir, werde ouch Machometen g , dem grösten verfürer, begegnen h . Gott gäbe gnad darzu.

Ir mögend ouch disen brieff, wo deß üch not were, üch gebruchen -dann dorumb habend wir all unsere namen mitt unsern gschrifften hierunder verzeichnet -, der Zürych gaben ist 14. decembris anno 1542.

Heinrich Bullinger, pfarrer

der kylchen zum grossen münster Zürych.

Caspar Megander, pfarrer Zürich zum

minderen münster 31 .

Rodolph Walthart, pfarrer der kilchen

zu S. Peter Zürich.

f wir über der Zeile nachgetragen.
g korrigiert aus Machomet.
h dem grösten verfürer begegnen anstelle von gestrichenem thun am Rande nachgetragen.
26 sich mit ihm oder doch mit unserem Beistand zufrieden geben.
27 Friedrich I. Barbarossa, römisch-deutscher Kaiser.
28 Heinrich IV., römisch-deutscher Kaiser, wurde 1050 als Sohn von Kaiser Heinrich III. und von Agnes, der Tochter Herzog Wilhelms V. von Aquitanien und Poitou, geboren. 1054 wurde er von Erzbischof Hermann von Köln zum König gekrönt, wobei Agnes nach dem Tod Heinrichs III. 1056 die Regentschaft für ihren unmündigen Sohn übernahm. 1073 entzündete sich im sog. Sachsenkrieg eine gegen Heinrich IV. gerichtete Widerstandsbewegung,
die 1077 zur Erhebung Rudolfs von Rheinfelden zum Gegenkönig führte. Mit den Ambitionen des Reformpapsttums unter Gregor VII. geriet Heinrich IV. im sog. Investiturstreit in Konflikt. Heinrich betrieb die Absetzung Gregors auf der Wormser Synode 1076, verfiel dadurch aber dem kirchlichen Bann und musste angesichts der bedrohlichen Verbindung seiner innerdeutschen Gegner mit dem Papsttum mit dem berühmt gewordenen Bußgang nach Canossa 1077 Abbitte leisten. Gest. 1106. -Lit.: Gerd Althoff Heinrich IV., Darmstadt 2006; Stefan Weinfurter, Canossa. Die Entzauberung der Welt, München 2006; Tilmann Struve, in: LMA IV 2041-2043.
29 bekannt gemacht [hat]. -Vgl. zu diesem Argument auch oben Nr. 1662, 31-36.
30 Gemeint ist die Hl. Schrift.
31 Fraumünster.

Eraßmus Schmid, diacon

zum grossen munster Zürich.

Conradus Pellicanus, minister ecclesiae

Tigurinae, professor theologiae sacrae.

[Adresse auf der Rückseite:] Dem wolgelerten, frommen, unserm insonders vertruwten und lieben herren Joanni Oporino, burgern zu Basel. i