Projektseite Bullinger - Briefwechsel © Heinrich Bullinger-Stiftung
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Kapitel 

[1704]

Richard Hilles an
[Bullinger]
Straßburg,
18. Dezember 1542

Autograph: Zürich StA, E II 343a, 264r.-264a v. (ohne Siegel)

Dank für den Brief [Nr. 1684] und die übersandten [Kommentare zum Matthäusevangelium, zur Apostelgeschichte und zu den apostolischen Briefen]; hätte er allerdings gewusst, dass Bullinger ihm diese Bücher schenken würde, hätte er sie selbst in Frankfurt erstanden; wünscht, er hätte Bullinger früher gefragt, welche Autoren und Historien er lesen sollte; so hat er nun Bernardo Giustinianis "De origine urbis Venetiarum", [Magnus Aurelius Cassiodorus'] "Historia ecclesiastica tripartita". Eusebius' "Historia ecclesiastica", "De evangelica praeparatione" und "De evangelica demonstratione"gelesen, was er deshalb bedauert, weil er die Zeit besser hätte nutzen können. Eusebius' "Demonstratio [evangelica]" war wegen der teilweise ungeschickten Exegese, besonders hinsichtlich des Logos und der Juden, recht mühsam zu lesen; zählt verschiedene Punkte auf die ihm zusagen oder die er kritisiert; diese Bücher las er vor seinem Besuch in Zürich, wie auch Tertullian, dessen Frömmigkeit, Einfachheit und rechtes Urteil bezüglich der Abendmahlslehre und anderer Themen ihm mehr auffiel als sein schwieriger Stil; sowohl aus Tertullian wie auch aus den Kirchenhistorien hat er viele Stellen gesammelt, die er gegen seine Landsleute einsetzen kann, die epikureische Auffassungen vertreten. Hat Tertullian auf dem Markt erstanden und gelesen, weshalb er Bullinger bei seinem Besuch [in Zürich] dazu befragen konnte; ist sich auch bewusst, dass Tertullians Ansichten zuweilen widersprochen werden muss oder diese mit Vorsicht aufzunehmen sind, wie etwa in "De praescriptione haereticorum", wo er u. a. argumentiert, dass man mit Häretikern nicht disputieren solle, und von kirchlicher Prüfung der apostolischen Lehre spricht. Seit seiner Rückkehr [aus Zürich] hat er mit großem Interesse Cyprian und Laktanz, den er als Unterstützer in folgender Sache ansieht, gelesen. Vom Tod der Königin Anne [Boleyn, im Mai 1536] bis zu seiner Abreise [1540] wurde er von einigen Nachbarn in London kritisiert, weil er nicht nach Sitte der Gemeinde [St Margaret Bridge Street] Geld für große Wachskerzen gab, die vor dem Kreuz und dem [Oster-]Grab angezündet werden; Beschreibung seiner Argumentation gegenüber den Nachbarn, die die Sache sogar vor den Diözesanbischof [John

i Mit zwei Vermerken von Kanzleihand; über der Adresse: Betrifft den Alcoran, darunter: Praesentate et lecte donstags den 28. decembris anno 42. Ist zu gnugen angnommen.
1 Der Adressat ergibt sich zweifelsfrei aus dem Briefinhalt.
2 Hilles' Brief lag Vermiglis Brief vom 19. Dezember bei, s. unten Nr. 1706, 36f.

Stokesley] brachten; dieser unternahm in Erwartung [der Restaurierung des Katholizismus] zunächst nichts und starb bald vor Gram über die Vorwürfe von Cromwell und anderen, er habe die Bemühungen des Königs [Heinrich VIII.] um die Abschaffung des päpstlichen Primats und die Auflösung der Klöster nicht unterstützt. Als ihm seine Gegner [1538] ein neues königliches Edikt vorhielten, das Kerzen nur noch vor dem Kruzifix und zur Osterzeit vor dem Heilgen Grab gestattete, erklärte er, nicht davon betroffen zu sein, da er ja die Kerzen nicht entfernen wolle und als nächster Schritt ohnehin deren Abschaffung zu erwarten sei; darauf warf man ihm Auflehnung gegen die alte Sitte vor, an der selbst seine Mutter zu seinem Schutz festgehalten hatte. Am Tag nach seiner Abreise nach Antwerpen verhörte [der Bischof von] Winchester [Stephen Gardiner]einige von Hilles' Nachbarn, aber selbst seine ärgsten Feinde wollten ihn nicht denunzieren; mit diesem Vorgehen wollte ihn der Bischof möglicherweise zur Flucht veranlassen - Bullinger sieht nun, warum er Laktanz als seinen Verteidiger ansieht. Detailfragen zum Verständnis von Laktanz' Werken. Weitere Detailfragen zu Cyprian, der manchmal allzu streng urteilt. Wollte Origenes wegen dessen Alters lesen, hat aber seine Meinung geändert, nachdem Bullinger ihn nicht erwähnte; wird stattdessen Augustin lesen oder Hieronymus zu den Propheten, außer wenn Bullinger davon abrät, wie auch Capito, der in einer Vorlesung zu Jesaja sagte, dass Hieronymus nur als Rhethoriker tauge. Bittet um Anleitungen, wie man das Gelesene am besten im Gedächtnis behalte; er legt normalerweise [ein Florilegium] an, was für ihn als langsamen Schreiber doch mühsam ist. Bittet um Übersendung von Bullingers "De scripturae sanctae authoritate [...]deque episcoporum [...] institutione et functione" und "De origine erroris", als ein Buch gebunden, sowie von Leo Juds Bibel [,,Biblia sacrosancta"], falls fertiggestellt, zuvor soll Bullinger jedoch den Preis festsetzen, den Heinrich Falkner erstatten wird; Grüße an Falkner und Peter Hürtzel [Hirzel]; die beiden sollen umgehend ihre Schulden bezahlen, da er für all sein Geld englisches Tuch gekauft hat, das nun wegen des Krieges in Antwerpen blockiert ist. Grüße und Dank an Bullingers Frau [Anna, geb. Adlischwyler]für die freundliche Aufnahme während des Besuchs der Hilles in Zürich; bittet um nähere Erläuterung zu dem von Bullingers oder Meganders Frau [Regula, geb. Offenhuser] bestellten Stoff; Grüße; ist Bullinger ganz ergeben, will ihn aber nicht mehr mit Briefen belästigen. Bittet, sich vor dem Zürcher Rat für John Burcher einzusetzen, weswegen auch [John] Butler kürzlich an Bullinger geschrieben hat [Nr. 1689]. Hat seit der Frankfurter Messe keine Neuigkeiten mehr aus England gehört, hat aber an Bullinger durch Peter Hürtzel [Hirzel] ausrichten lassen, dass an der Grenze zwischen Schottland und England Krieg ausgebrochen ist; nach der Tötung einiger englischer Soldaten hatte [Heinrich VIII.] mit Krieg gedroht, falls [Jakob V. von Schottland] nicht die Bedingungen akzeptiere, [Heinrich VIII.] als Oberhaupt anzuerkennen, Papsttum und Mönche zu beseitigen und die Ausbreitung des [evangelischen] Glaubens zu erlauben sowie [Heinrich VIII.]für den erlittenen Schaden zu entschädigen, was [Jakob V.] aber größtenteils ablehnte; während dieser Verhandlungen im August und September wurde gleichzeitig zum Krieg gerüstet; über die Verluste der nach Schottland vorgestoßenen englischen Truppen gibt es nur Gerüchte; Bullinger wird dies schon alles von John Burcher erfahren haben, aber Hilles berichtet ihm trotzdem wie versprochen. Hat in England eine größere Summe Geld verloren; möchte nun eine jährliche Summe für die Religionsflüchtlinge in Straßburg geben, so dass er für die Flüchtlinge in Zürich in Zukunft nicht mehr so viel spenden kann, aber bei Bedarf gerne von Bullinger darum gebeten wird. Grüße.

[Gedruckt und Übersetzung: Epistolae Tigurinae III 152-157, Nr. 109, bzw. Original Letters I 228-238, Nr. 109; Regest: LP XVII 670f, Nr. 1218.]