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[1683]

Renata von Frankreich an
Bullinger
Ferrara,
24. Oktober 1542

Deutsche Übersetzung von der Hand Rudolf Gwalthers: a Bern StA, A V 1456, Nr. 45 Gedruckt in französischer Übersetzung: Con. des réformateurs VIII 161-163, Nr. 1170

Dank für das von Celio Secondo [Curione] übermittelte Schreiben und Geschenk Bullingers; Weiteres wird Curione mündlich berichten. Bitte um Unterstützung Curiones.

Ann h. Bullinger, fürstennder 2 der kirchen Zürich.

Eerwirdiger herr Bullinger, wir hannd 4 von herr Celio Secondo 3 , zeiger diß brieffs, üwer schriben 5 unnd fast 6 früntlichs enbieten sampt der eerlichen

a Mit Unterstreichungen von späterer Hand. Das vermutlich französisch geschriebene Original scheint nicht mehr erhalten zu sein. Gwalthers Übersetzung wurde zusammen mit dem Brief Kaspar Meganders und Bullingers vom 20. November 1542 an Lux Löwensprung gesandt (s. unten Nr. 1692, bes. Z. 18-23), wodurch auch der Aufbewahrungsort Bern verständlich wird.
1 Renata (Renée) von Frankreich, Herzogin von Ferrara, geb. 1511 in Blois als Tochter des französischen Königs Ludwig XII. und der Anna von Bretagne. 1528 Heirat mit Ercole II. d'Este (1508-1559) und Umzug an dessen Hof in Ferrara, wo sie einen Kreis von Gelehrten um sich sammelte, darunter im Jahre 1536 auch Calvin. Renatas religiöse Position zwischen römischem Katholizismus und Protestantismus wird kontrovers beurteilt. Nach
dem Tod ihres Gatten übernahm sie interimsweise die Regentschaft und kehrte danach 1560 nach Frankreich zurück, wo sie sich für einen konfessionellen Ausgleich einsetzte. Gest. 1575 in Montargis. -Lit.: Bartolomeo Fontana, Renata di Francia, duchessa di Ferrara, 3 Bde., Rom 1889-1899; Charmarie Jenkins Blaisdell, Renée de France between Reform and Counter-Reform, in: ARG 63, 1972, 196-226; Roland H. Bainton, Women of the Reformation in Germany and Italy, Boston 1971, 234-251; Erich Wenneker, in: BBKL VIII 27-30; Elena Taddei, Zwischen Katholizismus und Calvinismus. Herzogin Renata d'Este, eine Eklektikerin der Reformationszeit, Hamburg 2004. -Studien zur Geschichtsforschung der Neuzeit 36.
2 Vorsteher.
3 Celio Secondo Curione, geb. 1503 in Ciriè (Piemont) als Sohn des Jacomino Troterio und der Carlotta Montrotier. Nach Studien

schenky 7 empfangen, so er unns inn üwerem nammen gebracht hatt. Welchem wir jetz gegenwirtig inn empfeich geben, hochlich unnd von hertzen üch zedanken unnd anzuzeigen, was großen gefallens wir ann üwerer neuwen zitung 8 , uns zugeschriben, ouch ann üwerer schenky gehept habind, sampt annderen dingen, so ir von imm unserthalben verstan 9 werdint, derhalben wir üch uff sinen guten unnd gnugsammen verstand 10 wisen unnd üch nitt witer uffziehen 11 wellend.

Allein ist unser hertzlich bitt unnd ernnstlich begären ann üch, daß ir disen obgenampten Celium üch inn trüwen wellind laßen empfolhen sin alls einen, der somlichs 12 wol wirdig unnd dem [der]b herr vil siner gnaden unnd gaaben geben hatt. Er hatt ein hußfrouwen 13 sampt siben kinnden, uß wellichen er die viere 14 umb irer blöden 15 unnd zarten jugend willen uff dise wyte straaß nitt haft waagen dörffen, sonnder allhie gelaßen, die anderen drü 16 mitt sampt der muter werdent ir, ob gott wil, mitt imm sehen.

b In der Vorlage statt [der] ein Zeichen für ein ausgefallenes Wort.
der Freien Künste und der Jurisprudenz in Turin wurde Curione 1536 an die Universität Pavia berufen, drei Jahre später aber bereits wieder entlassen. Es folgten Aufenthalte in Venedig, Ferrara und Lucca, wo er sich mit Petrus Martyr Vermigli und Girolamo Zanchi anfreundete. Nach seiner Flucht 1542 erhielt er eine Schulmeisterstelle in Lausanne und wurde 1546 als Professor für Rhetorik an die Universität Basel berufen, wo er eine vielfältige und stark beachtete literarische Produktion entfaltete. Neben seiner Editionstätigkeit und den Schriften zur Grammatik, Logik und Rhetorik ragen der "Pasquillus ecstaticus" (1543) und seine unorthodoxe Behandlung der Prädestinationsthematik in "De amplitudine beati regni dei" (1554) hervor. Aus der mit Bullinger rege geführten Korrespondenz Curiones blieben insgesamt 69 Briefe erhalten. - Lit.: Kutter, Curione; Albano Biondi, in: DBI XXXI 443-449; Emidio Campi, in: RGG 4 II 506f; ders., in: HLS III 553.
4 Überbringer.
5 Bullingers Schreiben an Renata von Frankreich ist nicht erhalten.
6 sehr.
7 samt dem ehrenhaften Geschenk. - Beim Geschenk Bullingers handelte es sich um dessen Matthäuskommentar (HBBibl I
144), vgl. Bullinger an Vadian, 19. Dezember 1542 (Vadian BW VI 184, Nr. 1271; Regest unten Nr. 1705): "Post mensem rediit e Lausana Coelius, Italiam denuo ingressurus, ut inde curet in Germaniam transportari uxorem ac liberos. Orat, principi scribam Ferrariae, quae Lodovici, regis Franciae, filia est. Obsequor ac inhortor principem ad pietatem et ut pulsos propter Christum benigne foveat. Addo munus Commentarios meos in Matthaeum, quibus acceptis accingitur itineri ac abit."
8 Nachricht.
9 vernehmen.
10 Unterrichtung.
11 aufhalten.
12 dessen.
13 Margarita Bianca Isacchi, vgl. Kutter, Curione 15.
14 Curione ließ in Italien seine Töchter Violanthis (geb. 1532), Dorothea (geb. 1542) und Margaretha (Geburtsjahr unbekannt) zurück, außerdem seinen Sohn Lactantius (geb. 1539?), der von Curiones Schüler Galeazzo Trezio adoptiert wurde, vgl. Kutter, Curione 24. 53. Gemäß einer Widmungsvorrede von 1550 blieben nur zwei Töchter zurück, vgl. ebd. 53f, Anm. 16.
15 schwachen.
16 Curione wurde auf der Flucht von seinen Söhnen Horatio (geb. 1534), Leo (geb. 1536) und Augustin (geb. 1538) begleitet, vgl. Kutter, Curione 53f.

Darumb bittend wir üch durch die eehr deße, der unns alle inn einen geist verbunden hatt, daß ir imm, who es von nöten ist, behulffen sin wellind, so vil ir dann durch gottes ingebens vermögend; wie wir dann üch genntzlich vertruwend, daß ir nüt, so christenliche liebe unnd barmmhertzigheit betrifft, underlaßen werdint, mitt ernstlichem enbieten, daß, who wir dann üch unnd üweren fründen liebs unnd guts bewyßen könnend, so wellennd wir üch zudienen bereit c sin.

Nitt mehr, dann gott welle üch, eerwirdiger herr Bullinger, inn siner göttlichen gnad erhaltenn.

Datum inn Ferrare, uff den 24. tag octobris anno etc. 1542.

Renée vonn Frankrich.