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[327a]

Schultheiß und
Rat von Dießenhofen an
die Zürcher Pfarrer
Dießenhofen,
20. Februar 1534

Autograph: Zürich StA, E II 440, 568, Nr. 230 (Siegelspur) Ungedruckt

Pfarrer Leonhard Bechlin, der Überbringer des Briefes, wurde vor den acht Orten angeklagt, beim Predigen gegen den Landfrieden verstoßen zu haben; da er für das Verfahren den Rat von Gelehrten braucht, bitten sie, ihm behilflich zu sein, denn sie möchten ihn nicht verlieren.

c vor erepti gestrichenes summ.
d vor virum gestrichenes nostrae patretiae[?] in.
11 Statius, Silvae, 2, 3, 64f.
12 Vgl. Homer, Ilias, 2, 197.
13 Vgl. Aischylos, Fragmenta, 176 (Tragicorum Graecorum Fragmenta, Bd. 3: Aischylos, hg. v. Stefan Radt, Göttingen 1985, S. 290); Adagia, 1, 3, 88 (LB II 145f).
14 Homer, Ilias, 1, 88.

Cristlich, wolgelert, ersam, günstig, lieb herrn euch sigen unser willig dienst zuvor.

Günstigen, lieben hern, unser predicant Lienhart Bechel 1 , zaiger dis brieffs, ist vor unsern gnedigen hem und oberen, den acht alten orten unser aidgnoschafft 2 , verclagt, wie das er in ettlichen artickeln wider den landsfryden 3 geprediget haben söl; deshalb der vogt 4 by 5 uns inne darumb vermög des landsfridens fürgenomen 6 und beclagen müssen. Dwil nun uff heut dato unser vogt söllich artickel, wie wir euch die harinn verschlossen zu schicken 7 , zu ime clagt und er ettlicher bekantlich und ettlicher nit anred 8 , und aber doch urbüttig 9 ist, die, wo man in verhören well, underschidlich 10 , wie ir von im vernemen werden, zu verantwurten. Damit er sich nun nit vertieff 11 , sonder gelerter lüten rats pflege, so hat er unns um fürgschrifft 12 an euch angeruffen und gebetten. Dwil wir nun nit gern hetten, das er von uns vertriben ald 13 ime args oder nachtail zugfügt werden sölt, so bitten wir euch mit vlis gantz früntlich, ir wellet ime rätlich, hilfflich und in der massen bevolhen laussen sin, ime mittel und weg anzaigen und helffen suchen, damit er sich gegen unsern gnedigen hem und oberen 14 uff die artickel

1 Leonhard Bechlin (Bechel, Rivulus, Flüßlin), gest. 1567, als Pfarrer in Dießenhofen (Kt. Thurgau), Gais (Kt. Appenzell A. Rh.), später in Woringen (Bayern, Kr. Unterallgäu) tätig, wurde durch Vermittlung von Stadtschreiber Georg Frölich 1539 an die Barfüßerkirche in Augsburg berufen; er wirkte vorerst als Helfer und trat 1544 die Nachfolge von Michael Keller als Pfarrer an. 1551 wurde er als Gegner des Interims ausgewiesen, konnte aber im Frühjahr 1552 wieder in sein Amt zurückkehren. Er exponierte sich in der Folge in den schweren Abendmahlsstreitigkeiten gegen die lutherischen Pfarrer um Georg Melhorn, die schließlich 1555 die Stadt verlassen mußten. —Lit.: Roth, bes. II 354f, III 539, IV 569-589. 703f; Memminger Pfarrerbuch, bearb. v. Hermann Erhard, Neustadt a. d. Aisch 1977. — Einzelarbeiten aus der Kirchengeschichte Bayerns 55, S. 36; Zürich ZB, Ms. A 44, 141-143; Hans Ulrich Bächtold, Strategie und Freundschaft. Bullingers Korrespondenz mit Pappenheim-Rothenstein, in: Profile des reformierten Protestantismus, hg. v. Matthias Freudenberg, Wuppertal 1999, S. 89, Anm. 11, und 95, Anm. 53.
2 Die sieben Orte, welche die Vogtei Thurgau verwalteten, waren Zürich, Luzern, Un, Schwyz, Unterwalden, Zug und Glarus; an der Verwaltung Dießenhofens war außerdem Schaffhausen mitbeteiligt (s. Ulrich Im Hof, Ancien Régime, in: Handbuch der Schweizer Geschichte, Bd. II, Zürich 1972, S. 752f).
3 Gemeint ist der Zweite Kappeler Landfriedensvertrag; vgl. EA IV/1b 1567— 1571 (Vertrag zwischen den V Orten und Zürich vom 20. November 1531).
4 Hans Edlibach, 1532-1534 Landvogt im Thurgau; vgl. EA IV/1c 1316.
5 ihn.
6 vorgeladen.
7 Nicht erhalten. —Vgl. aber die an der Badener Tagsatzung vom 10. Februar 1534 gegen Bechlin vorgetragenen 13 Beschwerdeartikel (EA IV/1c 272f).
8 bei einigen geständig ist und bei einigen nicht.
9 erbötig.
10 genau.
11 verstricke.
12 Empfehlungsschreiben.
13 oder.
14 Siehe oben Z. 6f mit Anm. 4.

verantwurte und by uns buben möchte. Dan wo er deshalb by uns vertriben werden sölte, were uns in trüwen laid. Das haben wir euch uß guter mainung, uff sin pit, nit verhalten wellen. Hiemit wir uns zu ewern diensten allzit gutwillig erbietend und in ewer fürpit bevelhend.

Datum den 20. tag februarii anno etc. 34.

Schulthes und rat

zu Diessenhoven.

[Adresse auf der Rückseite:] Den cristlichen, wolgelerten, wirdigen und ersamen hem etc. göttlichs worts predicanten der statt Zürich, unsern günstigen, lieben hem.