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[1176]

Peter [Schnyder] an
Bullinger
Biel,
16. September 1538

Autograph: Zürich StA, E II 335, 2024r.-2025r. (Siegelspur) Ungedruckt

Teilt Bullinger [drei]Schreiben mit, die Bern an Biel übermittelt hat: [1.]Basels Brief an Bern vom 31. August, in welchem mit Hinweis auf einen beiliegenden Bericht aus Straßburg die Durchführung einer Tagung zur Behandlung der Konkordiensache vorgeschlagen wird. [2.] Berns Antwort an Basel vom 7. September, in der jenes nach der Lektüre [des Straßburger] Berichtes über die freundliche Aufnahme der Briefe der eidgenössischen Reformierten an Luther, [Johann Friedrich] von Sachsen und [Philipp] von Hessen Basel bevollmächtigt, eine Tagung auszuschreiben. [3.] Berns Begleitschreiben an Biel vom 7. September, mit dem die Kopien des Schriftwechsels übersandt werden. Schnyder hat vom Meier [Valerius Göuffi] erfahren, daß der Bieler Rat keinesfalls von der bisher gelehrten evangelischen Lehre weichen wird, auch wenn andere zu Luther überlaufen, denn bisher ist nichts Überzeugenderes vorgebracht worden. Befürchtet, daß die Berner [konfessionell]auf Abwege geraten, und hofft sehr, daß [die Bieler]mutig und fest bei der Wahrheit bleiben. Grüße.

Gratia domini nostri Iesu Christi preveniat nos semper. Amen.

Clarissime vir, frater et domine multum colende, habes hic ea, que Basile[nses] admiserunt Berna[tibus]a etiamque Bernates senatui nostro scripsere 1 de sarcienda concordia b etc. c :

"An schultheß unnd raeht der stat Bern etc.

Unsern etc. Was ewer unnd unser guot frund unnd vertrawt 2 , lieb nachpuren, die verordneten deß kriegs, die dreyzechnen genant, der stat Straßburg verrückter 3 tagen unseren geheymen raeten, den dreyzehenen, geschriben, mogend ir auß inlegender copey 4 clarlich vernaemen. Dwyl 5 wir

Widmungsvorrede verfaßt hatte (VD 16, P 5200). Zum Exemplar, das Grynäus Vadian schenkte, s. Verena Schenker-Frei, Bibliotheca Vadiani, St. Gallen 1973. - Vadian-Studien 9, S. 118f, Nr. 371 (vgl. auch oben Anm. 1).
a Das Original und die an Biel gesandte Abschrift des Z. 5-31 wiedergegebenen Schreibens sind nicht erhalten.
b concordia korrigiert aus concordiam.
c vor etc. gestrichenes m.
1 Siehe unten Z. 49-59.
2 freundliche.
3 vergangener.
4 Es handelt sich um einen Brief der Dreizehner von Straßburg an Basel vom 26.
August 1538, in dem berichtet wird, daß die Schreiben der eidgenössischen Reformierten (vgl. unten Anm. 21) von Luther sowie von Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen und Landgraf Philipp von Hessen freundlich aufgenommen und zusammen mit deren Antworten an der Tagung des Schmalkaldischen Bundes in Eisenach (24. Juli bis 11. August) verlesen worden seien. - Die erwähnte Kopie ist nicht erhalten. Eine von Basel an Zürich gesandte Abschrift befindet sich in Zürich StA, E I 1. 3a, eine weitere Kopie ebd., E II 337, 301r.-v.; s. auch Rainer Henrich, Zu den Anfängen der Geschichtsschreibung über den Abendmahlsstreit, in: Zwa XX, 1993, S. 37f.
5 Weil.

6 nun unsers theyls angefaengne concordia mit doctorn Luthern, so vil unns muglich, ze furderen unnd zuo meren wol geneygt unnd darbey bedencken, das ir, ouch ander ewer unnd unser mitverwandten der religion in unser Eydgnoschafft, sölche ze furderen unnd entlich zuo volziechen nit minder dan wir begirig seynnd, habend wir uff der geheymen raeten der statt Straßburg sonderlich beger unnd fur unns saelbs euch, ouch ewer und unser getrew, lieb eydgnossen zuo Zurich, denen wir gliche meynung 7 geschriben 8 , sölchs nit verhalten wellen, gantz frundtlich bittende zuo vorderest, ewer d unnd unser guot frund unnd getraw 9 , lieb eydgnossen zuo Biel diser missive glicher maß ze berichten unnd unns demnach bey disem allein darumb gesanten botten 10 ewers gemuötz 11 , wie nun me den sachen zuo beschluslichem end unnd ußtrag 12 ze thuond und ob nit (wie nach unser achtung vast nodt 13 unnd zuo furderung der sachen gantz dienstlich sin möchte) hierob einen zuosamenkunfft von noeten sin wurde, ze berichten, unns furer wie noch wussen ze halten 14 . Dann wir unsers theyIs. was zuo erhaltung disers 15 guoten willen unnd frundtschafft unnd der angefangnen concordi gedienen möchte, ze furderen unnd hienebend euch als unsern getrawen, lieben eydgnoßen fruntliche dienst unsers vermögens ze beweysen wol geneygt sind.

Datum deß letzten tag augusti anno 38.

Jacob Mayer, burgermeyster

und rhat der stat Basel." 2024v.

|| Sequitur nunc, quid Berna[tes] ad scripta ac petita Bas[ilensium] respond[erint] e :

"Ann burgermeyster unnd rhat zuo Basel etc., schultheß, rhaet unnd burger der statt Bern.

Unsern etc. Ewer missive 16 sampt ingelegter copey der dreyzehenen von Straßburg etc. f 17 haben wir hewt fur ougen gnomen unnd verhört laesen.

d vor ewer gestrichenes uw.
e Die Ausfertigung des anschließend wiedergegebenen Schreibens befindet sich in: Basel SIA, Kirchenakten A 4, 179, der Entwurf in: Bern StA, A III 24, 746. Erhebliche Abweichungen von der Ausfertigung (Handschrift A) und vom Entwurf (Handschrift B), ohne Berücksichtigung von Adresse und Eingangsformel, sind im folgenden kenntlich gemacht.
f etc. fehlt in A und B.
6 unsererseits.
7 dasselbe.
8 Ebenfalls am 31. August; vgl. Bizer, Abendmahlsstreit 225.
9 uns zugetane.
10 Unbekannt.
11 Meinung.
12 Beilegung.
13 unseres Erachtens sehr dringlich.
14 damit wir wissen, wie weiter vorzugehen ist.
15 Gemeint ist wohl Luther.
16 Oben Z. 5-31.
17 Siehe oben Anm. 4.

Dwyl nun auß innhalt derselbigen wir vermerckt 18 , das churfürstlich durchluchtigkeit von Sachßen 19 unnd landtgraff von Heßen 20 etc. sampt d[octor] Martin Luther der geschrifften, so an si ab jüngstem tag zuo g Zurich ußgangen 21 , guot benuögen 22 unnd dero wuol zefriden sind, wellend wir zuolassen unnd euch deß unsers theylk gwalt 23 geben haben h , einen tag anzesetzen unnd außzeschriben, den wir mit unserer potschafft besuochen werden unnd derselbigen befelch gaeben, nach vermög unnd inhalt deß abscheyds 24 obgemelten tags, Zurich gehalten, ze handlen. Wan aber anders, dem nit gmaeß, sich zuotragen, wurtt unsere pottschafft nit 25 weyter befolhen i dan zuozelosen 26 .

Datum sampstag, 7. septembris anno k 38."

"Schulttheß l , rhaet unnd burger zuo Bern m .

Den frommen, fursichtigen, ersamen unnd weysen meyger unnd rhaet der statt Biell, unsern insonders guoten frundt unnd getrawen, lieben eydgnossen.

Unsern fruntlichen gruoß, sampt was wir liebs unnd guotz vermögend, zuovor. Fromm, fursichtig, ersam, weyß, insonders guot frund unnd getraw, lieb eydgnossen, was unns unser getraw, lieb eydgnossen von Basel zuogeschriben unnd mit was antwort wir inen daruber begegnet haben 27 , wie allhier inn verschlossen copeyen n ze erlernen 28 , deß wir euch uff ir beger berichten wellen, üch haben daruber ze beraten.

Datum 7. septembris 38."

g zuo fehlt in A und B.
h haben fehlt in A und B.
i A: nitt wyter bevelch haben. B: nitt wytern bevelch haben.
k A und B: anno etc.
l Der hier wiedergegebene Brieftext ist vom vorangehenden durch einen Federstrich getrennt.
m Das Original des Briefes befindet sich in: Biel StadtA, 27, Nr. 86, der Entwurf in: Bern StA, A III 24, 747. Schnyders Abschrift stimmt, mit einer Ausnahme (s. Anm. n). wörtlich mit dem Original überein.
n Im Original (vgl. oben Anm. m): begegnett, haben wir ab hierin verslossnen copienn. Das Original aus Bern gibt fehlerhaft wir, während es im Entwurf (vgl. ebd.) richtigerweise ir heißt.
18 verstanden haben.
19 Johann Friedrich, Kurfürst von Sachsen.
20 Philipp, Landgraf von Hessen.
21 Die reformierten Städte der Eidgenossenschaft hatten nach Abschluß ihrer Tagung vom 28. April bis 3. Mai 1538 in Zürich (vgl. dazu oben Nr. 1128, Anm. 1) an Luther sowie an Johann Friedrich von Sachsen und Philipp von Hessen geschrieben; s. oben Nr. 1128, Anm. 8, und Stumpf, Abendmahlsstreit 132-134.
22 große Befriedigung [haben].
23 Vollmacht.
24 Abgedruckt bei Stumpf, Abendmahlsstreit 126f, und in EA IV/1c 956-959.
25 nichts.
26 zuzuhören.
27 entgegnet haben. - Siehe oben Z. 5-31 und 34-48.
28 erfahren.

Quid insuper consultum a senatu nostro, mihi non constat nisi hoc unum in ore omnium versatur Lutherum ad scripta nostra nec respondisse, quid insuper faciendum in commitiis Basilee sive alias, potius ultra nihil commertii habendum tam cum Luthero quam eius magistris et qui earum partium sunt. Nihil o Basilenses neque Bernates respondisse, quidnam acturi sint p . Et quemadmodum a maiori nostro 29 accepi, in hac perstare sententia senatum, ut ne iotam moturum a percepta doctrina ewangelica, qua ab initio ad hoc usque tempus sint instituti, etiam si q omnes desciscerent a docta, disputata et confessa doctrina r ||2025r. ad partes Lutheri, cum interim nemo unquam potiora, certiora protulerit, nisi quedam infirma, nempe affirmare iuxta verba Christi "Accipite et manducate"30 etc. presentiam Christi in cena, quem convive sumpturi in pane, cum pane, sub pane 31 , que omnia (ait maior) adeo incerta s sunt, ut tam verba ipsa (etiam si corroserint prepositiones omnes, sub, supra etc., ex Donato 32 ) quam doctores ipsi candorem veritatis sustinere non possint etc.

Tandem, frater in domino colende, tu videbis aliquando, in quas partes deventuri sint Bernates t ; velim, ut me iuditium meum falleret. In quas et nos tandem deventuri (si ab incepto non desistamus) simus partes, deus scit. Is emittat bonum illum spiritum, qui ducat nos in omnem veritatem 33 , fortes, alacres et perseverantes faciat in ea perstare viriliterque corde et ore 34 confiteri. Amen.

Uxorem 35 matremque 36 tuam carissimam nomine meo saluta fratresque omnes.

16. septembris, ex Biel, anno 1538.

Petrus tuus.

[Adresse auf der Rückseite:] Clarissimo viro Heinricho Bullingero, ecclesie Tigurine antistiti.

o Nihil korrigiert aus nur teilweise lesbarem nihilq[...].
p von Nihil bis sint am Rande nachgetragen.
q vor si gestrichenes ulla.
r nach doctrina gestrichenes lin[?].
s vor incerta gestrichenes inc.
t vor Bernates gestrichenes tandem.
29 Valerius Göuffi, 1533-1548 Meier von Biel; s. Emil Anton Bloesch, Verfassungsgeschichte der Stadt Biel. Von der Frühzeit bis zum Sturz des Familienregiments im Jahre 1798, Biel 1977 (Typoskript), S. 124.
30 Mt 26, 26 par.
31 Vgl. oben Nr. 1154, 15 mit Anm. 6.
32 Gemeint ist das bis in die frühe Neuzeit weit verbreitete Lateinschulbuch (Ars minor) von Aelius Donatus, Grammatiker und Lehrer des Hieronymus, der um die Mitte des 4. Jahrhunderts in Rom wirkte; s. Louis Holtz, Donat et la tradition de l'enseignement grammatical. Etude e sur l'Ars Donati et sa diffusion (IV - IX e siècle) et édition critique, Paris 1981, bes. S. 600f (Ars min. 8, "De praepositione").
33 Vgl. Joh 16, 13.
34 Vgl. Dtn 30, 14; Sir 39, 41; Röm 10, 8.
35 Anna, geb. Adlischwyler.
36 Anna, geb. Wiederkehr.