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Kapitel 

SPIELMANNS GESCHICHTEN DER SAHEL

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1921

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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MIT EINER KARTE DER SAHARA UND

EINER BILDERTAFEL / TITEL- UND

EINBANDZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE


13. Sibirri (Gannalegende)

Im Lande Tibirri lebte ein Kaddo vom Stamme der Ganna, der hieß Sibirri, und das war ein außerordentlich reicher Mann, der große Ackerländer und stets reiche Ernten hatte. Sibirri war ein Mann, der seinen Wohlstand nicht durch Krieg, sondern durch emsige Ackerarbeit erreicht hatte. Im gleichen Gebiete waren einige Fulbehirten. Eines Tages begannen die Fulbehirten ihre Herden auf den Kornfeldern Sibirris weiden zu lassen. Eine Zeitlang sah Sibirri ruhig das mit an. Dann fragte er die Fulbehirten: "Weshalb laßt ihr euere Herden auf meinen Äckern weiden?" Die Fulbe antworteten: "Jeder Mann hat seine Art von Beschäftigung. Ihr baut euere Äcker. Wir haben nun einmal die Gewohnheit der Hirten. Wir lassen unsere Herden weiden."

Der Kaddo Sibirri rief seine sämtlichen Stammesgenossen zusammen und sagte: "Jetzt beginnen die Fulbe ihr Vieh auf unseren Äckern weiden zu lassen. Ich habe sie gefragt, wie sie dazu kämen. Die Fulbe haben mir geantwortet, jeder mache es nach seiner Art. Wir seien Ackerbauern und sie Hirten, und da ließen sie eben ihre Herden weiden. Was sagt ihr dazu? Was soll das werden?" Die Ganna antworteten: "Die Fulbe sind stärker als wir. Wir können nicht Krieg mit ihnen führen. Jetzt fressen ihre Herden auf unseren Feldern nicht allzuviel; es bleibt zum Leben immer noch genug übrig. Wenn wir aber Krieg mit ihnen führen, so würden die Fulbe uns besiegen und uns unser Korn und unsere Äcker fortnehmen, und wir werden nichts mehr für uns haben. Wir wollen es so lassen. Wir wollen keinen Krieg beginnen."

Sibirri selbst hatte hundertvierzig Männer. Eines Tages rüstete er hundert seiner Männer aus. Er fragte die anderen Ganna nochmals: "Ihr wollt mir also nicht helfen?" Die anderen Habbe sagten:



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"Nein, wir wollen keinen Krieg." Da fiel Sibirri mit seinen hundert Mann des Nachts über das Lager der ahnungslosen Fulbe her. Er zündete ihr Lager an. Es kam zum Gefecht. Sibirri schlug die Fulbe. Sibirri setzte den fliehenden Fulbe nach. Er jagte sie bis in das Samoriland.

Weit (im Süden) sammelten sich die Fulbe. Sie überlegten diese Angelegenheit und sagten: "Das waren nicht alle Ganna, die uns angegriffen haben. Das war allein Sibirri. Wir wollen zurückkehren und die Ganna überfallen. Sicherlich haben die anderen nicht gewagt, Sibirri zu unterstützen." Die Fulbe kehrten zurück. An einem Morgen kamen sie in die Nähe des Dorfes Sibirris. Es waren gerade die Frauen und Mädchen am Bache, um Wasser zu schöpfen. Sie fielen über die Frauen und Mädchen her und nahmen sie gefangen. Die Nachricht erreichte schnell das Dorf.

Sibirri rief die Ganna zusammen und sagte: "Nun seht ihr, daß das geschehen ist, was ich euch vorher gesagt habe. Wenn ihr mit mir zusammen diese Fulbe angegriffen hättet, so würden sie es nicht gewagt haben, uns diesen Streich zu spielen. Nun ist über alle Familien das Unglück gekommen. Jetzt ist es nicht nur mehr eine Angelegenheit meiner Familie. Es gilt, den Fulbe die Leute, die sie uns geraubt haben, wieder abzujagen. Rüstet euch." Die anderen Ganna sagten: "Die Fulbe sind stärker als wir. Wir kommen nicht gegen sie auf. Es ist besser, wir verlieren nur einige Mitglieder, als daß wir alle in Gefangenschaft geraten."

Als Sibirri das hörte, ging er nach Hause und sang. Er sang ein Lied der Waffen. Er trat an sein Gewehr und sang: "Du triffst gut, aber du genügst mir nicht." Er trat an seine Lanze und sang: "Du bist stark, aber du allein genügst mir nicht." Er trat an seine Pfeile und sang: "Ihr seid spitz, aber ihr allein genügt mir nicht." Er trat an sein Schwert und sang: "Du bist scharf, aber du allein genügst mir nicht." Er trat an sein Messer und sang: "Du bist schneidig, aber du allein genügst mir nicht."

Dann ging er zu seinem Vater und sagte: "Ich will mich mit den Fulbe schlagen. Du wirst mich nicht wiedersehen." Er rief seine Mutter und sagte: "Ich will mich mit den Fulbe schlagen, du wirst mich nicht wiedersehen." Er rief seine Schwestern und sagte: "Ich will mich mit den Fulbe schlagen. Ihr werdet mich nicht wiedersehen." Er rief seine Schwiegereltern und sagte: "Ich will mich mit den Fulbe schlagen. Ihr werdet mich nicht wiedersehen." Er sang: "Seht mich nicht an. Denn ich werde nicht wiederkommen."



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Er nahm alle seine Waffen und ritt allein in die Gegend, wo die Fulbe waren. Da traf er die Fulbe. Er stieg ab und sagte: "Habt keine Furcht. Ich bin ganz allein. Keiner meiner Verwandtschaft begleitet mich. Ich habe keinen meiner Leute mitgenommen. Ich bin ganz allein gekommen, um mich mit euch zu schlagen." Als die Fulbe das hörten, zogen sie sich zurück. Einer der Fulbe aber sagte: "Ich will mit ihm kämpfen." Es war ein Tapferer. Er kam heran. Sibirri nahm seine Flinte. Er schoß. Der Fulbe sank, in den Füßen getroffen, herab. Ein anderer Fulbe sagte: "Ich will mit ihm kämpfen." Der Fulbe kam heran. Sibirri legte einen Pfeil auf die Sehne und schoß. Der Pfeil durchbohrte Roß und Reiter. Der Fulbe fiel zu Boden. Ein anderer Fulbe sagte: "Ich will mit ihm kämpfen." Der Fulbe kam heran. Sibirri nahm seine Lanze und warf sie auf den Fulbe. Er traf. Der Fulbe sank tot zu Boden. Ein anderer Fulbe sagte: "Ich will mit ihm kämpfen." Der Fulbe kam heran. Sibirri nahm sein Do (das ist das gebogene Königsbeil, eine alte Form). Das Do traf den Fulbe. Er sank zu Boden. Ein anderer Fulbe sagte: "Ich will mit ihn kämpfen." Der Fulbe kam heran. Sibirri nahm sein Messer, um es dem Fulbe in den Leib zu stoßen. Das Messer vermochte nicht einzudringen. Der Fulbe nahm sein Messer, um es dem Kaddo in den Leib zu rennen. Das Messer hatte aber keine Kraft.

Da packte der Kaddo Sibirri den Fulbe und schleuderte ihn zu Boden. Er preßte ihn an den Boden. Der Fulbe aber stieß Sibirri das Messer in den Leib. Da starb Sibirri.

Wenn man in diesem Lande seinen Acker baut, so singt man noch heute das Lied von Sibirri, der allein die Fulbe bekämpfte.


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