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Kapitel 

SPIELMANNS GESCHICHTEN DER SAHEL

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1921

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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MIT EINER KARTE DER SAHARA UND

EINER BILDERTAFEL / TITEL- UND

EINBANDZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE


11. Die drei Freier (Togolegende)

Tamme, Domböu und Kambeu waren drei gute Kameraden. Tamme war ein Tessuge aus Dimba, Domböu war ein Gindo aus Bankassi. Kambeu war ein Togo aus Kani-Bonso. Sie waren alle drei von verschiedenem Stamme, aber gute Freunde. Ohne daß einer es von dem andern wußte, bewarb sich ein jeder um die Gunst des gleichen Mädchens, das war Jelle. Jeder von ihnen wollte gerne Jelle heiraten, die ein fleißiges Mädchen war und gutes Einkommen versprach.

Wenn Tamme zu Jelle ging, um mit ihr zu plaudern, so brachte er stets einen Korb voll Früchte des Brotfruchtbaumes mit. Wenn Domböu zu Jelle ging, um mit ihr zu plaudern, so brachte er stets



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einen Korb voll Erdnüsse (=äere) mit. Wenn Kambeu zu Jelle ging, so brachte er als Geschenk jedesmal einen Korb voller Kaurimuscheln (= kogo) mit. So suchte ein jeder Jelles Gunst zu erwerben. Und das ging eine gute Weile so.

Eines Tages sagte Jelles Mutter zu ihrer Tochter: "Da sind drei tüchtige Männer, die dir täglich reiche Gaben gebracht haben und die dich alle drei zur Frau haben wollen. Nun wähle dir einen von den Männern. Es scheint, daß jeder von ihnen ein ordentlicher Mann ist." Jelle sagte: "Mutter, ich kann mich nicht entschließen. Wähle du mir doch einen aus." Die Mutter sagte: "Das ist deine eigene Sache. Ich will nicht, daß, wenn ich etwa schlecht wähle, du mir nachher sollst sagen können: Ich hätte dir einen schlechten Gatten gewählt." Die Tochter sagte: "Ich kann mich aber nicht entschließen. Wähle du doch."

Darauf wandte sich die Mutter an eine alte Frau und fragte sie: "Kannst du mir nicht einen guten Rat geben? Es sind da drei junge Männer, von denen wünscht ein jeder meine Tochter zur Frau zu bekommen. Ein jeder macht ihr bei jedem Besuch reiche Geschenke. Nun wissen wir aber nicht die Wahl zu treffen. Kannst du mir nicht einen Rat geben?" Die alte Frau sagte: "Die Sache ist sehr einfach. Laß alle drei kommen, verstecke deine Tochter; sage ihnen, deine Tochter sei verstorben. Sage ihnen, du wolltest ihnen ihre Geschenke wiedergeben. Auf solche Weise wirst du schnell ersehen, was an den Leuten dran ist." Die Mutter sagte: "Ja, das ist gut, so will ich es machen."

Die Mutter versteckte ihre Tochter und sandte eine Botschaft an den Tamme Tessuge, an Domböu Gindo und an Kambeu Togo. Sie sagte zu ihnen: "Kommt zu mir. Meine Tochter Jelle ist gestorben. Ich will jedem das zurückgeben, was er meiner Tochter an Geschenken überbracht hat." Alle drei kamen. Der Tamme Tessuge senkte den Kopf zu Boden. Dann sagte er: "Ich bin einverstanden, gib mir meine Geschenke wieder. Wenn Jelle auch gestorben ist, so gibt es doch fünfzig andere Mädchen, die ich damit gewinnen kann." Er ging. Der Domböu Gindo senkte den Kopf zu Boden. Dann sagte er: "Ich bin einverstanden. Gib mir meine Geschenke wieder. Wenn Jelle auch gestorben ist, so gibt es doch fünfzig andere Mädchen, die ich damit gewinnen kann." Er ging.

Kamböu Togo senkte den Kopf zu Boden. Die Mutter Jelles fragte ihn: "Und wie ist es nun mit dir?" Kambeu sagte: "Was soll ich mit den Kaurimuscheln? Jelle war Jelle. Ich könnte mir



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ein anderes Mädchen erwerben. Aber Jelle kann ich nicht mehr erlangen." Damit ging er.

Vier Monate vergingen. Dann ließ die Mutter wieder alle drei rufen und sagte zu ihnen: "Jelle ist nicht tot. Jelle lebt!" Sie zeigte ihnen das Mädchen. Sie sagte zu Domböu Gindo und Tamme Tessuge: "Ihr liebtet nicht meine Tochter Jelle, sondern das gute Einkommen, das sie versprach. Es war euer Vorteil, der euch interessierte." Dann sagte sie zu Kamböu Togo: "Du hast meine Tochter wirklich mehr geschätzt als deine Kaurimuscheln. Hier hast du meine Tochter." So erhielt Kambeu Togo das Mädchen Jelle zur Frau.


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