Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[806]

Hans Vogler an
Bullinger
St. Gallen,
22. April 1536

Autograph: Zürich StA, E II 351, 177a (Siegelspur) Ungedruckt

Ein Brief aus Mailand vom 8. April besagt, daß Kaiser [Karl V.], der in Italien starken militärischen Zuzug erhalte, vorerst nach Rom gereist sei, spater aber nach Mailand ziehen werde. Man sagt, daß französische Reiter und Fußvolk mit Geschützen weit ins Herzogtum Savoyen eingedrungen seien. Bittet Bullinger, [Bürgermeister] Röist mitzuteilen, dass der Prediger [Wendelin Oswald?] die Teilnehmer der Basler Zusammenkunft [zur Ausarbeitung des Ersten Helvetischen Bekenntnisses] von der Kanzel Ketzer gescholten habe. Viele Leute aus dem Herrschaftsgebiet des Abtes besuchten an Ostern Predigt und Abendmahl der Reformierten, worauf Abt [Diethelm]Geldstrafen aussprach. Sollte Bullinger noch nicht Bericht über Voglers Wohnung in Zürich geschickt haben, kann er Hans Widenhuber ein Schreiben mitgeben. Grüße. Es heißt, Konrad Zwick und Joachim [Maler]seien nach Frankfurt verreist.

Der herr gott zerbreche alle ratschleg, so sych wider inn ufflaynend 1 .

Fürgliepter, uff üwer pitt hin 2 , üch zu wüssen thun, was wir zitung 3 habend, insunders deß kaysers halb, venemend: So fil uns uff vergangen donstag 4 , mir von Mayland us der statt zugeschriben ain brieff 5 des datum geben uff den 8. tag apprillis 1536 etc., von wort also: Nüwer zitung halben nichtz sonders, dann die gwiss sag, Dass der kayser uff Rom zu zogen syge 6 und habe zwölff tusent fusknecht, Taliener 7 und Spanjer, drütusent pfärt. Die Venediger söln im schicken drütusent knecht und drühundert kürrisser 8 . Der hertzog von Florentz 9 schick im och drütusent knecht, sechshundert pfärt. Der kayser werd ouch selpst gen Mayland ins leger ziechen; dann man mache im ain zelt in Mayland. Ouch sygend die zechentusent lantzknecht schon in Mayland, dess kaysers, und vierhundert ross hie, die das gschütz fürnn werden, sollend zu Werszell 10 ligen, aida das leger zu schlachen.

Dess Franzosen 11 halb die sag, sine rüter sygend schon zu Astia 12 in Safoyer land; sygend och etlich fusknecht übern berg sampt etlichem gschütz 13 .

1 alle Plane, die sich gegen Gott richten. — Vgl. etwa Ps 33, 10.
2 Eine solche Bitte ist im Briefwechsel Bullingers mit Vogler nicht überliefert; vgl. aber auch oben Nr. 780, 2-4.
3 Neuigkeiten (Grimm XV 591-593).
4 20. April.
5 Nicht erhalten.
6 Am 22. März war Kaiser Karl V. von Neapel aufgebrochen und am 5. April in Rom eingezogen (vgl. Brandi I 318; II 255. 258.
7 Italiener.
8 geharnischte Reiter.
9 Alessandro de' Medici.
10 Vercelli (Piemont, Italien).
11 König Franz I. von Frankreich.
12 Asti (Piemont, Italien).
13 Zum Überfall Frankreichs auf Savoyen im Februar/März 1536 vgl. Brandi I 322. II 258.


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Sond ir mim a lieben her Rosten 14 von mir offnen 15 als aim schuldigen 16 , daby ouch hab ich üch vor gschriben 17 , schrib üch das noch, mines ayds halb 18 gethon, minem her Rösten anzuzaigen, so fer es üch nit schad bedunckt 19 , daß ich von minem her Vadiano selpst erfragt, ob dem also syg, sagt er ja, daß der münch, der prediger 20 , alhie uff ofner cantzlen gret mit minder oder mer worten (ais ich hoff, by S[ant] G]allen] in ingnomner kontschaft 21 finden): "Die glerten sind aber 22 feriert 23 zu Basel zusamen, die kätzer"24 , ongfar dise wort, doch kätzert, redt herr doctor 25 . Fragt ich min herr doctor: "Haben ir nit denen zu Basel uff dem tag solchs erofnet, die verletzt 26 ?" Sagt er, sy hetentz underlasen, ursachen halb 27 . Maint etwar 28 , es syg nit all tag gut losen 29 etc. Hierinn handlend, als ich wais 30 . Sagend mim her Rösten, aydtz halb zaig ich im das in ghaim etc.

Item uff ostertag c31 , hör ich warhaft, sygend der gotzshus lüten 32 fil hundert zur predig und zum nachtmal Christi gangen in vil pfaren allenthalb, och zway schiff von Roschach gen Lindow gfarn. Hor, dise tag habe der apt 33 etlich beschickt 34 und inen mit sims eignen mund den ayd angen 35 , zu fragen, und weiche zur predig gangen, jedem 10 ß d 36 , welcher zum nachtmal 1 lib. d 37 S[ant]Galler werig.

Ich hoff, emals üch der b[rie]f werd, haben ir mir zugschriben der herberg halb 38 und anders; wo aber nit, so schribend mir bim guten Hans Widenhuber

a In der Vorlage min.
b In der Vorlage Vadanio.
c In der Vorlage osterg tag.
d In der Vorlage sir.
14 Bürgermeister [Diethelm] Roist.
15 anzeigen (SI 1114).
16 verpflichtet als Bürger Zürichs (vgl. HBBW V, S. 152, Anm. 6).
17 Siehe oben Nr. 775, 13-18.
18 Vgl. Anm. 16.
19 sofern es euch nicht nachteilig, d. h. sofern es ratsam erscheint.
20 Wahrscheinlich Wendelin Oswald (vgl. oben Nr. 775, 13-15 mit Anm. 11).
21 Protokoll der Zeugenbefragung (SI III 353).
22 wieder.
23 irre redend, verrückt (SI I 410).
24 Gemeint waren die Vertreter der reformierten Städte, die vom 31. Januar bis zum 4. Februar 1536 in Basel über ein neues Bekenntnis (Erstes Helvetisches Bekenntis) berieten (vgl. oben Nr. 737, Anm. 1). — Die inkriminierte Predigt hatte um Lichtmess (2. Februar) stattgefunden. Am 17. März hatte jedoch der Kleine Rat von St. Gallen beschlossen, die
Sache auf sich beruhen zu lassen (vgl. St. Gallen Stadtarchiv, Ratsprotokoll 1533- 1541, S. 145f).
25 Vadian.
26 Dass sie geschmäht worden seien.
27 aus bestimmten Gründen (vgl. SI VII 119).
28 jemand, irgendwer (SI I 594f).
29 hören (SI III 1446-1448).
30 im besten.
31 16. April 1536.
32 Bewohner des Herrschaftsgebietes des Abtes von St. Galien.
33 [Diethelm] Blarer von Wartensee.
34 kommen lassen (SI VIII 523f).
35 vorgesprochen (SI II 81).
36 10 Schilling Pfennige.
37 1 Pfund Pfennige.
38 Zu Voglers Wohnungssuche in Zürich vgl. auch oben Nr. 790, 4-11. 24-26.
39 Hans Widenhuber, gest. 1550, von St. Galien, als Musiker und Musiklehrer bekannt, unterrichtete Jugendliche auf verschiedenen Instrumenten und in Gesang. Er war mit Vadian verwandt; ihre Ehefrauen Veronika und Martha Grebel waren Kusinen zweiten Grades (vgl. [Carl Keller-Escher], Die Familie Grebel. Blätter


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Mit grüss von uns beden 40 vos omnes, domus, her Rösten, maister Kasparn 41 , Rordorffern, andre.

Actum S. Gallen, yl, uff sampstag nach ostertag anno 36. jar.

U[wer]willig Hans

Vogler.

Die sag, Conrat Zwick und Jochim 42 sind gen Franckfurt 43 bed.

[Adresse auf der Rückseite:] An minen fürgeliepttenn hern [und guten fr]ündt e M. Hainrichen [Bullingern]f , prediger zu Zürych.

e, f Die Adresse ist nur zum Teil lesbar, da der Brief auf ein Blatt Papier aufgeklebt ist.
aus ihrer Geschichte, gesammelt zur Erinnerung an die am 27. Oktober 1386 erfolgte Einbürgerung in Zürich. Für Freunde als Manuskript gedruckt, Frauenfeld [1884], S. 31. Übersichtstafel. Tafeln I und VII. — Johannes Rütiner macht in seinem Diarium, gemäß freundlicher Mitteilung von Herrn Prof. Dr. Ernst G. Rüsch, irrtümlicherweise Widenhuber zum Vetter der Ehefrau Vadians). Im Jahre 1541 machte Graf Georg von Württemberg Vadian das Angebot, einige St. Galler Knaben auf seine Kosten bei Widenhuber ausbilden zu lassen und für zehn Jahre zu sich an den Hof zu nehmen. Von 1532 an war Widenhuber Mitglied des Großen, ab 1545 des Kleinen Rates; daneben versah er weitere politische Amter. Johannes Fries, der 1532 bei ihm das Lautenspiel erlernt hatte, stand - wie seine Widmungsvorrede von 1544 zu einer Übersetzung von Bullingers Matthäuskommentar (vgl. HBBibl I 147) ausweist - in freundschaftlicher Beziehung zu ihm. Ein Brief Widenhubers an Bullinger von 1545, in dem von einer Ansicht St. St.Gallens als Druckvorlage für die Stumpf-Chronik die Rede ist, hat sich erhalten. — Lit.: St. Gallen Stadtarchiv, Stemmatologia Sangallensis, s. v. Widenhuber; Vadian BW V und VI, Reg.; Blarer BW II, Reg.; E[mil]Egli, Das älteste Stadtbild von St. Gallen, in: Zwa I/13, 1903, S. 341-343; Die Musik in Geschichte und Gegenwart, hg. v. Friedrich Blume, Bd. IV, Kassel/Basel 1955, Sp. 971.
40 Vogler meint sich und seine Ehefrau Appolonia.
41 Kaspar Nasal.
42 Joachim Maler.
43 In Frankfurt am Main trat am 24. April 1536 ein Schmalkaldischer Bundestag zusammen (vgl. Dommasch 81-85).