Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

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Johannes Stumpf an
Bullinger
Bubikon,
9. Juni 1535

Autograph: Zürich StA, E II 340, 69 (Siegelspur) Gedruckt: Johannes Stumpfs Schweizer- und Reformationschronik, I. Teil, hg. v. Ernst Gagliardi, Hans Müller und Fritz Büsser, Basel 1952. — QSG 1/V, S. XVI

Hat gehört, daß Hans Füßli im Sterben liege; er bittet Bullinger deshalb, das jenem überlassene siebte Buch seiner Chronik zusammen mit Füßlis Abschrift und Zusätzen zurückzuverlangen und ihm durch den Schaffner [Oswald Wirz] zu schicken. Möchte von Georg Ottli gerne den versprochenen Bericht über den Zug [auf den Gubel] bekommen. Wird die entliehenen Bücher bald zurückgeben.

Gratiam et pacem a deo patre et domino nostro Jesu Christo etc.

Lieber her und brüder, mir ist fürkommen 1 , wie unser lieber Hans Füeßlin 2 in schwerer und gfarlicher kranckheit arbeite 3 . Nun sind sydt ettlich tag verschinen,

6 Unbekannt.
7 Das Gerücht von der Entführung Beatrix' von Portugal durch den Kastellan von Musso entbehrt jeder Grundlage.
1 zu Ohren gekommen (SI III 279).
2 Hans Füßli, 1477-1538, von Zürich, betätigte sich z. T. gemeinsam mit seinem Bruder Peter als Glocken- und Geschützgießer. 1494 wurde er als Zwölfer der Schmiedenzunft Mitglied des Großen Rates, 1516 Zeugherr. Als eifriger Anhänger Zwinglis verfaßte er 1521 die Flugschrift "Beschribung der götichen müly" und 1524 die gegen Hieronymus Gebwiler gerichtete "Antwurt eins Schwytzer Purens" (mit einem Vorwort Zwinglis). Zwischen 1533 und 1538
schrieb er eine bis 1519 reichende - ungedruckt gebliebene - eidgenössische Chronik (Autograph in: Zürich ZB, Ms A 62). Füßli war mit Brennwald, Stumpf und Bullinger gut befreundet; von einem Briefwechsel mit Bullinger findet sich allerdings nichts. — Lit.: Georg von Wyß, Geschichte der Historiographie in der Schweiz, Zürich 1895, S. 217f; E[mil] E[gli], Eine Epistel vor der "Antwurt eines Schwytzer Purens", in: Z III 86-89; Oskar Farner, Huldrych Zwingli. Seine Verkündigung und ihre ersten Früchte, Bd. III: 1520-1525, Zürich 1954, S. 183. 217-222: Jürg W. Vogel, Die Geschützgiesserdynastie Füssli in Zürich, Zürich 1984. — 176. Njbl. der Feuerwerker-Gesellschaft in Zürich auf das Jahr 1985, S. 141; HBLS III 356.


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das ich nit bottschafft 4 hab mogen han, uch zeschryben, derwegen mir nitt bewüßt, ob er noch lebendig oder todt sy. Ist herumb an uch (vermöge brüderlicher eynung 5 ) myn gantz dienstlich und früntlich bitt, ir wöllint uch (wie es ioch 6 der herr mit H. Füeßlin anschickt) das sibende buch der chronick 7 , das ich im jüngst durch uch überschickt hab, bevolhen lasßen syn und uch uwers vermögens domoch bewerben (sonders, wo der herr mit im endschafft machen wölte), das ouch unß syn abgeschrifft obbestümbts buchs, sampt syner addition, zukommen möchte etc. Solichs hab ich uch durch myn schaffner 8 zugeschriben mit früntlicher bit a , diß myns groben, ylenden schryben kein beduren 9 zehaben etc.

Ich hab Görg Ottlin 10 nechstmals im abscheidt bevolhen, mir ettliche stück des bergzügs 11 in schrifft zuverfassen, das er mir zugesagt. Were myn gar früntlich bitt, wo ir (unmuß halb 12 ) solche schrifft von im erfordren und mir zuschicken köndten, wolte ich umb uch allzit früntlich verdienen 13 . Doch sollend irs mit uwerm signet 14 bewaren und mit mynem schaffner mir b zusenden; der wirt an frytag oder sambstag 15 wider heimfaren. Zum "Wysßen Crütz" an der kilchgassen 16 hatt er syn rosß und herberg.

Verzyhent mir myn unruw 17 , so ich uch uff lad, und sind dem herren gott bevolhen.

a hit übergeschrieben.
b mir übergeschrieben.
3 leide (vgl. SI I 426).
4 keinen Boten (vgl. SI IV 1905).
5 Verbundenheit.
6 auch immer.
7 Zur Entstehung der eidgenössischen Chronik von Johannes Stumpf vgl. Hans Müller, Einleitung, in: Johannes Stumpfs Schweizer- und Reformationschronik, aaO, S. XII-XVIII: das siebte Buch umfaßt die Jahre 1499-1516 (vgl. ebd., S. 1-147).
8 Oswald Wirz war Schaffner der Johanniterkomturei Bubikon seit 1534 (freundliche Auskunft von Herrn Dr. Heinzpeter Stucki, Zürich).
9 Aufwand, Arbeit (SI XIII 1308f. 1312).
10 Georg (Jörg) Ottli, Tuchhändler, war ein aus Schwyz stammender Zürcher Bürger; er bewohnte das Haus "Zum geilen Münch" am Münsterhof. Im Zweiten Kappelerkrieg war er als oberster Wachtmeister
mit Zürcher Truppen vorerst nach Wädenswil und alsdann auf den Gubel gezogen; dort erlebte er - nachdem er erfolglos einen wirksamen Wachtdienst zu organisieren versucht hatte - den nächtlichen Überfall durch Truppen der V Orte und die Niederlage der Reformierten. — Lit.: Zürich StA, Wa 6, Nr. 7; Johannes Stumpfs Schweizer- und Reformationschronik, aaO, Reg.; HBRG, Reg.
11 Zur Schlacht am Gubel vom 23./24. Oktober 1531 vgl. Helmut Meyer, Der Zweite Kappeler Krieg 179-184.
12 wegen Zeitmangels (vgl. SI IV 497f).
13 Zu Georg Ottlis Bericht vgl. Johannes Stumpfs Schweizer- und Reformationschronik, aaO, S. XXI. XXIII.
14 Siegel (SI VII 508).
15 am 11. oder 12. Juni.
16 Das "Weiße Kreuz" an der Kirchgasse gehörte dem Johanniterorden (vgl. Salomon Vögelin, Das alte Zürich, Bd. I, 2. Aufl., Zürich 1878, S. 235f).
17 Belästigung (SI VI 1896).


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Datum Bubicken, den 9. iunii anno domini 1535.

Tuus Io. Stumpfius.

Ich wil bald die entlechneten bücher 18 wider bringen.

[Adresse auf der Rückseite:] Domino Heinricho Bullingero, urbis Tigurinae pastori vigilantissimo, fratri suo in Christo dilectissimo.