Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

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Wolfgang Mösel an
Bullinger
Hohentwiel,
12. August 1534

Autograph: Zürich StA, E II 355, 54 (Siegel) Gedruckt: Kammerer 22

Hat Bullingers Briefe [an Philipp von Hessen und Ulrich von Württemberg, Nr. 406f] erhalten und entschuldigt sich, daß er sie den Fürsten nicht übergeben konnte, indem er ausführlich schildert, wie alle seine Übermittlungsversuche fehlschlugen. Nun schickt er Bullinger die Briefe zurück. Dankt für Bullingers Schreiben an ihn, Mösel, selbst. Die Reformation breitet sich in Württemberg aus.

Gottes gnad, huld und hillf sey euch allen durch Jesum Christum, unnsern herren.

Erwirdiger lieber herr, die brieff 1 , so ir mir zugeschikt, hab ich empfangen 6. julii, aber nit gehandelt, als ich gern gthon hett. Darumb bitt ich gantz ernstlich verzeichung a umb gottes willen, und hörend mein entschuldigung. Zum ersten hab ich die brieff gschikt bey eim vertrautten 2 botten 3 in das leger 4 . Ee aber er gar ins leger kommen, ist er gewend 5 durch ein annderen botten, der mit im kam und sagt, man geb den knechten und raisigen urlaub und die f[ürsten] wurden gwis uff Twiel zu uns komen 6 . Do freüet ich mich, das ich inen beiden f[ürstlichen]g[naden] die brieff selbs in die hend

14 Anna Bullinger, geb. Adlischwyler.
15 Propst Felix Frey.
16 Bullinger bewohnte bis 1536 das Haus «zum grünen Schloß» neben dem Antistitium am heutigen Zwingli-Platz (s. Vögelin, Das alte Zürich I 332f), Frey die Stiftsverwalterei an der Kirchgasse, heute Nr. 17-21 (ebenda 336).
a verzeichung am Rande nachgetragen.
1 Bullingers Briefe an Philipp von Hessen (Nr. 406, oben S. 232f) und Ulrich von
Württemberg (Nr. 407, oben S. 234-239) vom 4. Juli 1534.
2 vertrauenswürdigen.
3 Unbekannt.
4 Das Feldlager der Fürsten in Daugendorf bei Riedlingen, s. oben S. 220, Anm. 2.
5 zum Umkehren bewegt, veranlaßt worden.
6 Diese Vermutung hatte auch Georg Wimpfer in seinem Brief an Bullinger vom 11. Juli 1534 geäußert, s. oben S. 252, 7f.


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geben sol. Darnach, do es sich verzoch 7 , kertten die fürsten gen Stutgart 8 ; batt ich meine junckherren 9 , sie sollen mir ain botten uff mein gelt erlauben. Sagt der ain junckherr zu mir, er wolt die brieff bald selbs in ir hend antwurtten 10 . Er ist aber noch bey uns, und haben mir all mein anschleg 11 gefellt 12 . Noch hab ich ain entschuldigung, die ich nit schriben gthor 13 , wils euch aber, ob gott wil, bald selb sagen. Ich versich mich 14 aigentlich, ir werdent bald selbs zu beiden f[ürsten] kommen. Ferdinands practic haben wir vorhin 15 gutte kundschafft gehabt. Das aber ich die brieff so lang eüch nit wider zugschickt, beckenn ich mich unrecht gethon. Hab sie ain mal geschikt und dem botten 16 ernstlich bevolchen, das ers in eur aigen hennd antwurt oder widerbring. Hat mirs widrumb bracht und gsagt, ir seien in aim bad 17 . So hab ichs jetzt meinem vertrauten lieben frund und sun 18 geben, das ers uffs beldist euch überantwurt bey gwisser bottschafft. Bitt hiemitt umb gottes willen verzeichung.

Weitter sag ich eüch allhöchsten b danck umb die epistel und christenlichen ermanung 19 , die ich nitt verdienen kan, darumb es alles verlorn, was man mir thut. Es sol yderman mein müßig gan 20 . Wil aber dennocht nit vergessen solcher eür guthaten, kum ich annders 21 zu meinem herren 22 .

Weitter lass ich wissen, das die evangelischen freyhaitten vast zunemmen in unserm land. Wie es aber stande umb die forcht gottes, seinen geboten und christenlicher ghorsame, wais ich noch nit. Darumb hellfend uns bitten, das wir nitt vergessen und nit undanckbar seien dern[!]grossen wunde[r]thaten gottes, 23 an seinen vatterlichen rath füronhin nichts hanndlen. Hiemitt seie die krafft gottes in uns allen.

Ex Twiel, 12. augusti 34 anno.

Ewer gantz williger

Wolf Mösel,

wechter uff Twiel.

Bekanntnus Ambrosii Blaurers und [...]c

b in der Vorlage allhöchchsten.
c Weiteres fehlt.
7 als die Sache sich verzögerte (vgl. Grimm XII 1/2 2599).
8 Siehe den in Anm. 6 erwähnten Brief Wimpfers, wonach die Fürsten das Feldlager am 9. Juli verließen (oben S. 252, 5f). Landgraf Philipp kehrte direkt nach Kassel zurück, s. Wille 212.
9 Wohl der Burgvogt und der Kommandant der Besatzung in der Feste Hohentwiel; namentlich nicht bekannt.
10 überantworten, überbringen.
11 Vorkehrungen, Unternehmen.
12 «gefehlt», gescheitert.
13 darf, bzw. wage (SI XIII 1511f).
14 erwarte (SI VII 567f).
15 vorher, zum voraus.
16 Unbekannt.
17 Bullinger hatte sich vom 6. Juli bis zum 3. August zur Kur im Badeort Urdorf (Kt. Zürich) aufgehalten, s. oben S. 255, Anm. 2.
18 Das Nebeneinanderstehen von «fründ» (doch wohl «Verwandter») und «sun» ist auffällig. Grimm X 1, 1421 spricht nicht dagegen, daß mit «sun» ein leiblicher Nachkomme gemeint ist.
19 Ein Brief Bullingers an Mösel ist nicht erhalten.
20 sich von mir fernhalten. - Die Resignation, die aus Mösels Zeilen spricht, ist vielleicht mit der steten materiellen Unsicherheit zu erklären, in der er sich vor 1534 längere Zeit befand, s. oben S. 206f, Anm. 5.
21 wieder (SI I 311).
22 Herzog Ulrich von Württemberg.
23 ohne.


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[Adresse auf der Rückseite:] Dem erwürdigen diener des wortts gottes in der chirchen Zurch, meinem besunder lieben herren zu handen. M. Heinrich Bullingern.