Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[388]

Bullinger an
Oswald Myconius
Zürich,
4. Juni 1534

Autograph: Zürich StA, E II 342, 37r.-v. (Siegelspur) Ungedruckt

Er wird sein möglichstes tun, damit die reformierten Orte mit Herzog Ulrich von Württemberg über ein Abkommen verhandeln; ein solches hat der Herzog freilich jetzt zum ersten Mal vorgeschlagen. Der Kleine Rat von Zürich versicherte den Herzog der freundschaftlichen Gefühle der Zürcher, teilte ihm jedoch mit, daß für ein solches Abkommen der Große Rat zuständig sei; dieser werde die Sache bald behandeln. Die Sitzung fand dann am 30. Mai statt: Viele waren vom Angebot des Herzogs gerührt; eine Kommission unter Bürgermeister Diethelm Röist berät gerade jetzt über die Antwort. Bullinger will bald darüber berichten. Der Zürcher Rat ist verstimmt, daß er von Basel nicht offiziell um Beurlaubung Karlstadts ersucht worden ist, und will diesen deswegen nicht freigeben; dessen Gehalt wurde erhöht. Guillaume [du Bellay], der französische Gesandte, konnte sich vor Eck von Reischach nur knapp nach Lindau retten. Gruß an den Bürgermeister [Jakob Meyer].

Gratiam et vitae innocentiam a domino.

Propter eos, quorum iussu scribebas 1 , sic respondeo verbis germanicis.

So vil an mir gelägen, will ich daran sin, daß mitt gemeiner beradtschlagung christlicher stetten inn dem friden 2 und verstand 3 mitt dem Wirtemberger 4 gehandlet werde. Der hatt vornaher 5 nie nüt durch gheine brieff, so vil mir bewüst, nach gheinem sömlichem verstand allß 6 jetzund geworben. Lenigni 7 befälch was ein anders. Wie der fürst aber jetzund geschryben 8 und einer antwurt begärt, 26. may habend min herren vonn dem kleynen radt imm zu dem allerfrüntlichsten geantwurt 9 , gott gelobet, der inn widerumb zu dem sinen gepracht durch hilff christlicher frommer fürsten etc. Allß er aber eines verstands gägen inen begär, wie den sine vordren graven von Wirtemberg mitt der statt Zürych gehept 10 , sölle er sich nützid zu Zurych

20 Adagia, 2, 4, 40 (LB II 535); Otto 310, Nr. 1596.
1 Siehe oben S. 197, 14f. Gemeint sind Freunde aus dem Rat.
2 eigtl. Friedensvertrag (s. SI I 1276).
3 Abkommen, Vertrag (SI XI 987f).
4 Herzog Ulrich von Württemberg. - Zu dessen Bündnisangebot s. unten Anm. 8.
5 früher (SI II 1569).
6 wie.
7 Zum Auftrag des hessischen Gesandten
Johannes Lening, der im April in Zürich bei Bullinger und beim Rat vorsprach, s. oben S. 152, Anm. 13.
8 In einem Brief vom 25. Mai 1534 aus dem Feldlager bei Urach schlug Herzog Ulrich dem Rat von Zürich vor, Verhandlungen über ein Bündnis aufzunehmen; s. Zürich StA, A 195. I.
9 Das Schreiben ist nicht erhalten.
10 Eine «Vereinigung» auf 10 Jahre schlossen die Grafen von Württemberg im Jahre 1469 mit den VIII Orten der Eidgenossenschaft,


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versähen 11 anders 12 dann zu lieben und guten fründen, die imm alleß das thun wöllind, das imm lieb und dienst 13 etc. Aber besonderbarer verbindung, wie er dero begärt, gepüre inen allß dem mindern radt gar nitt, hinder 14 dem grössern radt ützid 15 ze antwurten oder handlen; wöllind aber diß sin fürbringen 16 wyter lassen langen und imm früntlich antwurten. Apographum non vidi, sed ex ore viri 17 cuiusdam non infimae sortis haec refero.

30. may ist es für rädt und burger kummen und allß es geläsen, mitt sömlichem danck angenommen, daß ettliche geweinet, alle gott gelopt, daß es noch allso umb sy stande, daß eren fürsten iro früntschafft begärend. Und sind zu dem verordnet, wie man und was man sich gägen dem fürsten entschliesse: herr burgermeister Röyst, m[eister] Faelix Wyngarter 18 , m[eister] Niclauß Setzstab 19 , Jacob Funck 20 ; die söllend demnach iro ansähen 21 widerumb für rädt und burger bringen. Was wyter verhandlet und mir ze wüssen wirt, will ich anzeygen, wie und was sich gepürt. Jetzund, wie ich das schryb, 12. postmeridiana 4. iunii, sind sy 22 by einandren in aedibus Röystii 23 .

1482 mit Zürich allein, und im Jahre 1500 verband sich der junge Herzog Ulrich mit den X Orten auf 12 Jahre; s. Feyler 4-10.
11-12 nichts anderes ... erwarten (s. SI VII 567f).
13 gefällig sei (SI XIII 762).
14 hinter dem Rücken, ohne Mitwissen (SI II 1414).
15 irgend etwas.
16 Vorschlag (s. SI V 727. 726).
17 Unbekannt.
18 Felix Wingarter, geb. zwischen 1460 und 1470, gest. 1537, war von 1515 bis 1519 als Zunftmeister (Schuhmachern) im Kleinen Rat, zuletzt in der Funktion eines Obristmeisters. Wegen eines Vergehens (Falschspiel) wurde er abgesetzt und aus dem Kleinen Rat ausgeschlossen; seine Versuche, wieder aufgenommen zu werden, mißglückten 1520 und 1525. 1519 war er Vogt zu Alt-Regensberg. Wingarter wurde ein Anhänger der Reformation und war nach 1525 - als Mitglied des Großen Rates - einer der meistberufenen Verordneten in vorwiegend reformatorischen Angelegenheiten. 1528 war er zudem Eherichter. Im Jahre 1532 wurde er als Stiftspfleger bestätigt (s. Bächtold, Bullinger vor dem Rat 119f), und nun, nach dem Krieg, gelang ihm auch der Wiedereintritt in den Kleinen Rat. - Lit.: Jacob 298-302.
19 Niklaus Setzstab, geb. zwischen 1460 und 1470, gest. 1536, war erstmals 1498, dann von 1504 bis 1530 als Zunftmeister der Saffran im Kleinen Rat. Schon vor der
Reformation gehörte er zu den führenden Männern der Stadt. Setzstab dürfte sich der Reformation gegenüber wohlwollend verhalten haben, wenn er auch kein ausdrücklicher Anhänger war. Er wirkte als Verordneter in den entscheidenden Kommissionen der Jahre 1523-1525 mit. In den Jahren 1529-1530 hat er sich wahrscheinlich von Zwingli und der Reformation distanziert, und am Ende des Jahres 1530 trat Setzstab aus Altersgründen aus dem Kleinen Rat zurück. - Lit.: Jacob 256-258.
20 Jakob Funk, geb. um 1500, gest. 1565, Glasmaler, war ein Bruder des bei Kappel gefallenen Ulrich. Funk findet sich bereits 1531 als Mitglied des Großen Rates erwähnt. 1532 wurde er als Nachfolger seines Bruders Augustiner-Amtmann, kam 1537 als Zunftmeister (Kämbel) in den Kleinen Rat, aus dem er 1540, wegen Übertritts in die Meisenzunft, austrat. In diesem Jahr wurde er Obervogt zu Meilen, fand 1541 wieder Aufnahme im Großen Rat und übernahm 1543 das Schultheißen-Amt. In den Jahren 1534-1536, 1541 und 1543-1544 wirkte er als Eherichter. - Lit.: Jacob Reg.; Fabian, Geheime Räte 513; Schnyder, Ratslisten 302. 577; HBLS III 360; SKL I 533.
21 Vorschlag.
22 Nämlich die Verordneten (zur Zusammensetzung der Kommission s. oben Z. 22-26).
23 Im «Haus zum Rech» am Neumarkt; s. Vögelin, Das alte Zürich I 378f.


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Mich will beduncken, eß habend min herren die rädt ze verdrieß angenommen 24 (ich red alein uß argwhon 25 ), daß ein ersammer radt Basel inen nitt, 37v. || sunder ir unß alein geschryben 26 . Hatt deßhalb Carlstatten nitt wöllen erlouben, sunder imm sin pfrund bessert 27 mit 10 eymer 28 wyn und 10 müt 29 kernen. Vor hatt er 80 gl. 30 alein, daß sy jetzund imm die 20 stuck zu den 80 geschöpfft 31 , daß es 100 worden. Doch wirt ich sunders 32 darvon sust 33 schryben.

Guilielmus a Lange 34 , Galli legatus, hatt heruff vonn München geylt, und hätte inn Egg vonn Ryschach 35 schier ergattet 36 ; doch ist er imm gen Lindow hinyn endrunnen. Jetzund hatt er imm den seew und all straassen verleydt, daß er nitt hinuß gedar 37 und besorgt, er werde heruß ggäben etc. 38

Ob üch neiswas 39 wyter vonn Wirtemberg unnd Franckrych ze wüssen, schrybend bald.

Zurych, 4. iunii 1534.

Salvum volo consulem 40 , p[atrem] p[atriae].

Hein. Bulling. tuus.

24 mit Unwillen aufgenommen (s. SI XIV 1309).
25 dies ist nur mein Verdacht, [meine Vermutung] (s. Grimm I 550).
26 Nämlich zur Berufung von Andreas Karlstadt; s. oben Nr. 383.
27 aufgebessert.
28 Ein Eimer Wein entsprach in Zürich 60 Maß, das Maß zu 1, 57 l; s. Paul Kläui, Ortsgeschichte, 2. Aufl., Zürich 1956, S. 123, und Anne-Marie Dubler, Masse und Gewichte im Staat Luzern und in der alten Eidgenossenschaft, Luzern 1975, S. 42f. 46.
29 Ein Mütt Kernen (glatt) betrug in Zürich 82, 8 l; s. Kläui, aaO, und Dubler, aaO, S. 39.
30 Zum Wert des Guldens s. Kläui, aaO, S. 125.
31 als Lohn ausgerichtet (SI VIII 1058).
32 Besonderes, [Einzelnes] (s. SI VII 1142).
33 sonst, auf andere Weise (SI VII 1398).
34 Guillaume du Bellay, Seigneur de Langey.
35 Eck (Iteleck) von Reischach zu Mägdeberg, ein Angehöriger des hegauischen Adels, war Landsknechtsführer und treuer Parteigänger von Karl V. und Ferdinand I., in deren Diensten er zumeist stand. Er bewährte sich verschiedentlich auf den Kriegsschauplätzen in Italien (1525 bei Pavia) und gegen die Türken (Ungarn 1527, bei der Verteidigung Wiens 1529 [s. Kessler, Sabbata 329]). 1519 ist er als württembergischer Vogt zu Reichenweier, 1525 als Statthalter zu Kempten bezeugt. Von 1526 an war Eck von Reischach österreichischer Vogt zu Laufenburg. In dieser Stellung wirkte er, im Vorfeld zum 2. Kappelerkrieg, als Verbindungsmann
und zusammen mit Veit Suter und Mark Sittich von Ems als Gesprächspartner bei den Verhandlungen der V Orte mit König Ferdinand; entgegen den Zusagen an die V Orte unternahm er bei Kriegsausbruch allerdings nichts (s. Meyer, Der Zweite Kappeler Krieg 128. 130-133). Zu Beginn des Jahres 1534 wurde er Vogt zu Bregenz. Er steuerte einen harten antireformatorischen Kurs, war dann jedoch oft landesabwesend (in den Niederlanden). 1541 zum Befehlshaber der Fußtruppen in Ungarn ernannt, fiel er im Kampf gegen die Türken. - Lit.: Gerwig Blarer, BA Reg.; Benedikt Bilgeri, Geschichte Vorarlbergs, Bd. III: Ständemacht, Gemeiner Mann - Emser und Habsburger, Wien/Köln/Graz 1977, Reg.; Johannes Schöch, Die religiösen Neuerungen des 16. Jahrhunderts in Vorarlberg bis 1540, in: Forschungen und Mitteilungen zur Geschichte Tirols und Vorarlbergs IX, 1912, S. 272. 275f; J[ulius] Kindler von Knobloch, Oberbadisches Geschlechterbuch, Bd. III, Heidelberg 1919, S. 482.
36 eingeholt, ergreifen können (SI II 499).
37 wagt sich, getraut sich (SI XIII 1520).
38 Zu den Nachstellungen durch die «Kaiserlichen» s. Bourrilly, Guillaume du Bellay 172. Die Flucht des französischen Gesandten nach Lindau und dessen Beherbergung in dieser Stadt mag dazu beigetragen haben, daß Eck von Reischach am 30. Juli 1534 Innsbruck eine Militäraktion gegen Lindau vorschlug; s. Schöch, aaO, S. 275.
39 irgend etwas (Grimm VII 593).
40 Jakob Meyer zum Hirzen.


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[Adresse darunter:] Domino Osvaldo Myconi[o], Basileien[sium] ecclesiae doctori fidelissimo. suo in domino charissimo fratri.