Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[319]

Oswald Myconius an
Bullinger
Basel,
23. Januar 1534

Original a , letztes Viertel autograph: Zürich StA, E II 343, 51r.-v. (Siegelspur) Ungedruckt

Übermittelt die neuesten Nachrichten über die ergebnislosen Verhandlungen zwischen dem jungen Herzog [Christoph] von Württemberg und König Ferdinand I. von Österreich an der letzten Tagung des Schwäbischen Bundes. Nach Bucers Meinung «wütet jetzt der Satan in Frankreich». Der Basler Rat bereitet die Annahme eines Glaubensbekenntnisses für Stadt und Landschaft vor. Keine neuen Nachrichten über die kirchliche Lage in Straßburg. Grüße.

Es ist uff dem gehaltenen pundstag 1 von der volstrekung eines anderen punds nützt gehandlet worden, dann der jung herzog zu Wirtenberg 2 sampt einem großen bystand etlicher küngenn, fürsten und deß adels hatt angfangen, begert Dübingen und Nipfen 3 . Darwider stelt sich Ferdinandus, und des jungen fürsten anforderung zu stellenn, schlecht 4 imm der künig für ein herschafft Pludens by Feldkylch 5 , daruff der herzog sich gewyderet 6 . Harwiderumb schlecht imm Ferdinandus für ein herrschafft in Kemten in der Steurma[r]k 7 , die wil der fürst von Wirtenberg ouch nitt, sonder er beharret mit sinem fürnemen sampt sinem bystand. Nun will der stand b des punds 8 , ob er sich glich wolti volstreken, sich des huß Wirtenbergs nütz beladen 9 , und vermeynt Ferdinandus, mitt dem huß Wirttenberg darin zu kommen 10 . Hie zwüschenn aber falt (uß ordnung gotz frilich) der jung furst dorzwüschenn, der maß uff sinem fürnemmen beharrende, das man sich eigentlich

8 Wahrscheinlich der nicht erhaltene Myconius-Brief, s. oben Anm. I und Z. 7f.
9 Leo Jud.
a Der Schreiber ist unbekannt, jedoch mit jenem von Nr. 314 identisch. Das von ihm Geschriebene endet mit Z. 29.
b vor stand ist fürst gestrichen.
1 Die letzte Tagung des Schwäbischen Bundes fand in Augsburg vom Dezember 1533 bis 3. Februar 1534 statt, vgl. Wille 127-144; s. noch HBBW III 245f.
2 Christoph von Württemberg.
3 Christoph forderte die Rückgabe der beiden Schlösser Tübingen und Neuffen, s. Wille 126. 128.
4 schlägt vor (SI IX 451f, vgl. 251f).
5 Bludenz bei Feldkirch (Vorarlberg).
6 sich geweigert, widersetzt (Grimm IV/I 3, 5785f. XIV/I 2, 1124f).
7 Ein Kemten in der Steiermark ließ sich nicht nachweisen (aus «Kernten» verschrieben?); vgl. oben S. 48, Anm. 60.
8 die im Bund vereinigten Vertreter (vgl. Grimm X/II I, 720).
9 annehmen (s. SI III 1061f).
10 zurechtzukommen.


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11 eines zukünftigen kriegs versicht 12 , und ist also diße handlung ein ursach, das man sich versicht, der pundt werdi brechenn. Demnach so wellend die evangelischen stett in keinen pundt meer, man welle dann der religion unangefochten lassen und inen ire zins und gülten wie bishar lassen volgen onangesähen 13 , das sy darumb nitt mess haltind etc. Das will der beschoren huff 14 nitt nachlassen. Und das ist nun die ander ursach der zerstörung des punds, deß sich doch vil guthertziger fröwen und vil gottloßer trurend. Dann es lutend 15 die fromen stett uff einen nüwen || 51v. pundt, der vilicht den genanten geyschlichen nitt groß fürdernuß sin wirt. Darby sind die pündt rächt nach zu Augspurg by einanderen, warten der post, so man zum keiser geschikt hatt von des spans 16 wägen Ferdinandi und des jungen fürsten von Wirtenberg. So vyl der gewüssen nüwen zytung. Uff purificationis 17 versicht man sich eyner nüen beschribung der pündeschen stetten, wie wol den 18 von Memmingen noch nütz ist geschribenn. Was witer gehandlet würt deren dingen halb, wyl ich mit höchstem vermugen 19 üwer lieb zu schribenn 20 .

Ex Galliis nihil certi habeo, nisi quod nuper scripsit uno verbo Bucerus: «In Galliis hodie saevit satan» 21 .

Senatus noster cogitato, quantum malum discordia, quantum bonum concordia, pio conatu in hoc est, ut in urbe et in agro concordiam pro viribus conciliet pulchro consilio 22 , id quod audies ab eis, quos misisti nuper 23 et videbis propediem.

11 gewiß, wahrlich (SI I 147).
12 erwartet, sich gefaßt macht auf (SI VII 566f).
13 ungeachtet, ohne Rücksicht auf (SI VII 561).
14 Gemeint sind die Kleriker.
15 lassen verlauten (SI III 15o6; Grimm VI 373).
16 Streit, Zwietracht (SI X 279-286).
17 2. Februar.
18 denen.
19 so gut ich kann.
20 Damit endet der offenbar aus einem fremden Brief übernommene Abschnitt mit Nachrichten über die Verhandlungen Christophs an der Tagung des Schwäbischen Bundes, vgl. auch Anm. a.
21 Bucer wollte damit auf die Protestantenverfolgungen in Frankreich hinweisen. Ein Brief von Bucer an Myconius vom Januar 1534 ist nicht erhalten.
22 Das [Erste] Basler Bekenntnis, welches Myconius hier ankündigt und welches er auf Grund von Vorarbeiten Oekolampads in deutscher Sprache verfaßt hatte, wurde am 21. Januar 1534 im Namen des Basler Rates erlassen und den Stadtbürgern und auf der Landschaft zur Annahme vorgelegt und gedruckt, s. K[arl] R[udolf] Hagenbach, Kritische Geschichte der Entstehung und der Schicksale der ersten Baslerkonfession und der auf sie gegründeten Kirchenlehre, Basel 1827. - Kirchliche
Denkwürdigkeiten zur Geschichte Basels seit der Reformation, hg. v. K. R. Hagenbach, Bd. I, S. 26-54. 63-65 (37-48 Abdruck des Wortlautes); BSRK XXVf. 95-100; ABaslerRef VI 400, S. 403-410 (kritische Edition); Das Buch der Basler Reformation. Zu ihrem vierhundertjährigen Jubiläum im Namen der evangelischen von Stadt und Landschaft Basel hg. v. Ernst Staehelin Basel 1929, S. 241-249 (neuhochdeutsche Übertragung); Max Geiger, Die Basler Kirche und Theologie im Zeitalter der Hochorthodoxie, Zollikon-Zürich 1952, S. 7; Benno Gassmann, Ecclesia Reformata. Die Kirche in den reformierten Bekenntnisschriften, Freiburg-Basel-Wien 1968. - Ökumenische Forschungen, hg. v. Hans Küng und Joseph Ratzinger I/IV, S. 72f; Richard Stauffer, Das Basler Bekenntnis von 1534, in: Ecclesia semper reformanda. Vorträge zum Basler Reformationsjubiläum 1529-1979. Im Auftrag des Kirchenrates der Evangelisch-reformierten Kirche Basel-Stadt hg. v. Hans R[udolf] Guggisberg und Peter Rotach, Basel 1980. -Theologische Zeitschrift Sonderband IX, S. 28-49; Rudolf Stähelin, in: RE II 426f; Hans Rudolf Guggisberg, in: RGG I 914; HBLS II 38. Vgl. noch unten S. 57, 2-8. 67 2f
23 Unbekannt.


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De Argentinensibus nondum audio, quomodo se habeant circa reconciliationem ecclesiae suae. Illud compertum, catabaptistas licentiam pessime vivendi papistis facere 24 .

Vale cum tuis omnibus. Utingerum salutabis, Pellicanum, 25 Theodorum , omnes.

Basileae, 23. ianuarii anno 1534.

Os. Myconius tuus.

[Adresse darunter:] Domino Heinricho Bullingero, antistiti Tigurino, amico et fratri charissimo suo.