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Autograph: Zürich StA, E II 361, 337 (Siegelspur) Ungedruckt
[1]Schuler schrieb vor etwa drei Wochen [mit Nr. 2646], hielt sich aber bei seiner Nachrichtenübermittlung sehr zurück, um die Briefboten nicht in Gefahr zu bringen. Leider war er säumig, als das Briefeschreiben noch problemlos möglich war. Jetzt würde er gerne schreiben, darf es aber nicht mehr ... — [2] Der Überbringer [...] dessen Glaubwürdigkeit Bullinger bekannt ist, wird über den Stand des Krieges berichten. Er ist ein frommer Patrizier, der als Fähnrich ein Fähnlein von Memminger Bürgern anführt. Es befinden sich etliche eidgenössische Söldner aus Zürich in der Garnison. Sie halten sich tapfer und wohl. Wenn alle Söldner so wären, könnte man vieles ausrichten! — [3] Die [Schmalkaldener] kämpfen auf viel zu rücksichtsvolle Weise, was sich die Papisten mit unverschämter Frechheit zunutze machen. [Kardinal Otto Truchsess von Waldburg], der wütende fleischliche (carnalis) [Bischof] von Augsburg, führt sich wie ein Vaterlandsverräter auf Beim Abzug [der Truppen] wird er wohl sein Land wieder einnehmen, wenn Gott dies nicht verhindert. —[4]Ansonsten ist in diesem Jahr kein feindlicher Angriff mehr zu befürchten. Was der Frühling bringt, wird sich zeigen. Bestimmt wird der schon gewesene Kaiser [Karl V.] noch alles gegen die [Schmalkaldener] unternehmen und sich eher mit [Suleiman L] verbünden, [als aufzugeben]. Das vermag das Motto "Plus ultra" dieses wahrheitsfeindlichen Tieres! —[5] Halten wir uns daher an Gott, damit wir mit seiner Gunst als fromme Deutsche einander treu bleiben, um das Evangelium und die Freiheit des Vaterlands zu bewahren! Schuler und andere spüren ganz deutlich, dass Bullinger seine frommen Zürcher auch dahingehend ermahnt. — [6] Gruße an [Anna, geb. Adlischwyler], an die Kinder, an [Konrad]Pellikan, Theodor [Bibliander] und an alle Kollegen. Grüße von Bürgermeister [Balthasar]Funk, vom Arzt Ulrich [Wolfhart]sowie von allen Kollegen, besonders Johannes Schmid. Der Herr möge [Bullinger und die Seinen] bewahren! —[7] P.S.: Die Memminger sind wohlauf und erwarten das Kommen des Herrn.
S. Fruntlicher, lieber herr und pruder. Ich hab üch vor trey wochen ungefärlich 1
1 geschryben, 2 gleychwol nitt noch 3 meyns hertzen lust in ansehen der
gefarlichen leuff, dorinnen gut und noth ist, der potten zu verschonen. 4Briefe_Vol_18-257 arpa
Dorumb welt mir meyn schreyben zu gut halten. Do 5 ich wol dorfft, was ich
hinlesig 6 . Yetzund, so ich gern wolt, darff ich nitt. Ist ein rechts deckely über
daß häffelin 7 .
Wie eß der kriegßleüff halb a bey unß stande, werden ir auß zeygern dißes brieffs wol und gnugßam erfaaren, dem ir hierinnen alles vertrawen 8 dörffen, wie ir wol wyßt. Er ist fendrych uber ein fendlin burger in unßer statt und haltet sich in dißer unßer trübsal treffenlich wol wie ein frommen patritio 9 wol anstaht und gepurt. 10 Wir habend ettlich Eydgnoßen von Zurch under eynem fendlin in unßerem zusatz 11 , treffendlich, redlich leut, die sich seer wol halten. Wie wolten wir, wo 12 wir solcher leuten ettlich taußend hetten, so vyl gutz außrichten! Sy frewenn mich in meynem hertzen.
Dorneben dunck mich, wir kriegen mitt zu vyl barmhertzigkayt, deren sich die ellenden papisten zu vyler frechhayt und mutwyll geprauchend. Der carnalis 13 von Ougspurg ist gar unsinnig wietend und roßen 14 . Er halt sich, wie ein veräther synes eygnen vatterlands wol ansteht b . Wir versehend unß eynes streüffs yetzund im abzug 15 : der Otto werd sein land wider einemen, wo es nitt gott mitt seinem myttel c underlaufft 16 .
Eß ist sich sunst bey unß diß jars einches einfols 17 nitt d zu besorgen. Was sich auff den fruyling zutragen, wirt die zeyt in erfarung bringen. Des versehen sich alle verstendigen, der Karle, geweßener kayßer, 18 werd auß geytz, neyd, hass und hochfertigem 19 , tyranneschem gemut all sein macht an unß
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legen 20 und ee den Turcken 21 an sich zuhencken 22 . Das vermag das "plus ultra"23 ! Dorzu ist kein pößer 24 thier auff erden dann ein gottloßer feind der worhayt.
Dorumb, freuntlicher, lieber pruder, es von nöthen sein wirt, das wir unß rechtgeschaffen zu gott schicken 25 dormitt wir sein huld 26 habind und dornach die köpff all in ain koppen stoßind und als fromme Tütschen einanderen mitt truwen meynend 28 , das wir bey seinen heyligen wort und freyhayt unßers vatterlands pleyben mögen. Do hin welt ouch uwere frommen Zurcher vermanen, wie mir nitt zweyfflet, das ir thundt, und wir es hie ußen 29 wol endpfinden. So wellen wir sonder 30 zweyffel gott[s]e gewaltige hand mitt frewden erfaren.
Grüßen mir zu tauß[end] malen uwer lieb hausfrow 31 und kinder 32 , herren Pellicanum, dominum Theodorum 33 und alle lieben pruder. Eß grüßt uch consul Funckius 34 d. d. Huldrichus medicus 35 und alle lieben pruder, Joannes Schmyd 36 sonderlich. Der herr erhalte üch zu fruchtseliger arbayt in seinem weyngarten 37 in langem leben!
Geben zu M[emmingen], 10. novembers anno 1546.
Uwer alter lieber frund und pruder manu propria.
Wir sind alle frisch und gesund und warten mitt dult 38 des herren stünd.
[Adresse auf der Rückseite:] Dem frommen gottsgelerten herren m. Heinrich Bullinger, prediger des evangeliums Christi zu Zurich, meynem fruntlichen, lieben herrenn unnd pruder.