Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2567]

Johannes Gast
an Bullinger
Basel,
5. September 1546

Autograph: Zürich StA, E II 366, 202 (Siegelspur) Ungedruckt

Gast verdankt Bullingers Brief [nicht erhalten] und dessen Buch geschenk [den Lukaskommentar]. Leider kann er sich für Letzteres nicht angemessen revanchieren. Derzeit kann er dafür nur eine kleine, außerdem schlecht gedruckte Gabe [Oekolampads "Conciones in Epistolam ad Colossenses"] senden. Es sind viele Gerüchte im Umlauf und jeder erzählt die Dinge so, wie er sie sich wünscht. Sicher ist aber das Folgende: Die Ensisheimer Obrigkeit hat ihrer Geistlichkeit eine Steuer von 12'000 Gulden auferlegt. Um diesen Beitrag zahlen zu können, wurde den Geistlichen erlaubt, den Kirchenbesitz zu verpfänden. Die Geistlichen kooperieren, weil sie die Ausrottung der Protestanten befürworten. Ensisheim wird mit Bollwerken

a Klammern ergänzt.
der Angabe "non forma libelli") besteht, ist zurzeit nicht bekannt, denn die unter VD16 D909 beschriebene und aus sechs gefalteten Blättern bestehende Ausgabe kommt hier nicht in Frage.
12 Synonym für den Teufel; vgl. Jes 14, 12-14 und Lk 10, 18.
13 Der in Gent geborene Karl V. 14 Gemeint sind die Bischöfe.
15 Vgl. Apg 20, 29.
16 Bullinger hatte Myconius seinen gerade erschienenen und neun Bücher umfassenden Lukaskommentar (s. zu diesem Nr. 2545, Anm. 2) geschenkt.


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aus Baumstämmen befestigt. Die Bauern wurden zu dieser Arbeit verpflichtet. Ferner muss jeder von ihnen mindestens zwei Säcke Mehl als Vorrat in seinem Hause haben. Man kann sich denken, was das bedeutet! Hoffentlich finden die Basler noch Mehl [auf den Märkten der Region]. Ein Wormser [...] erzählte, dass die [für Kaiser Karl V. bestimmte niederländische] Kavallerie am 27. August den stark bewachten Rhein noch immer nicht überqueren konnte. Dieses Heer soll außerdem gar nicht so groß sein, wie man es behauptet hat (nur etwa 1'600 Reiter und 2'000 Fußsoldaten). Was soll es denn bewirken? Es kann nur dem Mainzer Bischof [Sebastian von Heusenstamm] auf der Tasche liegen. Markgraf [Bernhard von Baden-Durlach?] soll in Rötteln mustern. Wozu, ist unbekannt. Die Stadt Freiburg [im Breisgau] arbeitet an ihren Befestigungen. Gruße an Theodor [Bibliander].

S. in domino. Accepi literas tuas 1 una cum libro 2 , donum gratissimum. Hoc autem dolet, quod nihil mihi nunc temporis sit, quo gratum me erga tuam liberalitatem declarare possem. Erit fortassis brevi occasio mutue vicissitudinis. Mitto autem et ego donum, sed parvulum et male impressum, 3 quo agnoscas meum erga te amorem.

Novi nihil habeo; video enim rumores istos pervolitantes esse vanissimos et, ut quisque est affectus, ita loquitur. Sed hoc certum est: Die von Ensesheim haben ein schatzung 4 uffgelegt uff die geistlichen, das sie sollent legen 5 in kurtzer zeit 12'000 fl.; inen erloubet daby, damit sich niemans klage der beschwerdt, die geistlichen gütter zu versetzen 6 und verpfenden. Dessen die pfaffen 7 wol zufriden seindt, damit die Protestierenden ußgerüttet werden. Die von Ensesheim füren vil böum zu irem stättli, damit 8 sy wöllent ein bolwerck machen. 9 Die buren alle müssen fronen'° mit grossem schaden. Item sy haben gebotten 11 . das die buren lassen malen 12 . Ein jetlicher uff das wenigest muß haben zwen 13 seck mit meel in synem huß. Was das bedütt, kan mann wol verstan. Ich hoff aber, wann wir hinab werden ziechen, 14 da wol meel haben.

Ich hab ouch verstanden 15 , diß tag von eim Wormser 16 , das die reissigen 17 noch im 27. augusti nit seyen uber den Rhein kommen; 18 man lüg do vil. 19 Nicht erhalten.

2 Bullingers Lukaskommentar; s. dazu Nr. 2545, Anm. 2.
3 Die von Oekolampad verfassten und nun von Gast herausgegebenen In epistolam D. Pauli ad Colossenses conciones aliquot piae ac doctae ad tempora nostra valde accomrnodae, nunc primum in lucern aeditae, Bern, Matthias Apiarius, April 1546 (VD16 0344). Wie hier im Brief angegeben, hat die Schrift einen geringen Umfang (ca. 80 Bl.). Zudem weist die darin enthaltene Widmungsepistel Gasts an Georg Frölich einen Druckfehler bei der Jahresangabe auf, wo irrtümlich der 8. März 1544 statt des 8. März 1546 angeführt ist (ebd., f. [7v.]). Dass der Widmungsbrief aus dem Jahr
1546 stammen muss, ergibt sich aber aus den in ihm enthaltenen Anspielungen auf den bevorstehenden Krieg.
4 Steuer, Umlage. — Vgl. schon Nr. 2540,19f.
5 erlegen, bezahlen.
6 verpfänden; s. SI VII 1680.
7 Die katholische Geistlichkeit.
8 mit denen.
9 Vgl. schon Nr. 2555,7f.
10 Frondienst leisten.
11 befohlen.
12 Getreide mahlen.
13 zwei.
14 d.h., wenn die Basler die regionalen Märkte rheinabwärts besuchen.
15 vernommen.
16 Unbekannt.


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Ir 20 sindt ouch nit so vil, denn gloubwirdig schribt mann, das der reissigen nit uber 1'600 seyen, der fußknecht nit uber 2'000. Was wellen die schaffen? Ligen dem bischoff 21 von Mentzs imm landt, fressen, was do ist; das pfaffengut muß hindurch

Der margraff von Rötelen 22 hat lassen ussen legen 23 seyn volck und müsteren. Wohin er wölle, das weist mann nit.

Die von Friburg 24 rüsten sich ouch mit bolwerck, damit sy mögen beston. Gott schick alle sachen zum bösten 25 .

Vale in domino. Saluta nomine meo d. Theodorum 26 et reliquos fratres. Haec volui ad te scribere, ne me incuses negligentie. 27

Basileae, 5. septembris 1546.

Tuus G.

[Adresse auf der Rückseite:] Integerrimo et optimo viro d. Heynricho Bullingero, Tigurinae ecclesiae episcopo fideli, etc. Zurich.