Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2462]

Johannes Haller
an Bullinger
Augsburg,
17. Juni 1546

Autograph: Zürich StA, E II 370, 12 (Siegelspur) Ungedruckt

Noch vor wenigen Tagen konnte Haller in einem Brief [nicht erhalten] an Rudolf [Gwalther] nichts Konkretes vermelden. Jetzt sind die [Verhältnisse] klar, doch muss er sich kurz fassen, weil der Bote [...] drängt. Das Verhalten des Kaisers [Karl V.] auf dem Regensburger [Reichstag] kann nichts anderes bedeuten als einen unmittelbar bevorstehenden Krieg. Es soll Musterungen in Füssen, Nördlingen und auch in Donauwörth geben, um dort den Nürnbergern und den Ulmern den Zugang nach Augsburg zu verwehren. Augsburg wird wohl zum ersten Angriffsziel werden. Einige [Augsburger] Räte fürchten sich, die Bevölkerung ist beunruhigt. [Sebastian] Schertlin hat 2'000 Soldaten geworben. Genausoviele wurden von anderen Heerführern ausgehoben. In das Territorium des Landgrafen [Philipp von Hessen]drangen 1'500 Reiter ein, die früher schon Ausfälle in der Gegend von Köln gemacht hatten. Kurfürst [Johann Friedrich] von Sachsen ist gerüstet und will sich [Philipp von Hessen] anschließen. Herzog Moritz [von Sachsen] hat gegenüber [Karl V.] in Regensburg beteuert, dass er der Wahrheit [des Evangeliums] treu bleiben wird. So bricht in ganz Deutschland der Krieg aus.

Erasmus Schmid angesprochen haben; s. HBBW XVI 356,24-32 und Anm. 15 (wo der an zweiter Stelle genannte Bruder "Johannes" durch "Felix" zu ersetzen ist). Die folgenden Zeilen lassen jedoch vermuten, dass der verlorene Brief eher im Anschluss an das vom 28. Januar 1546 datierte Schreiben Bernhard Lindauers, des Schulmeisters an der Lateinschule in Stein am Rhein (HBBW XVI, Nr. 2339), entstanden war. Der mit Arbeit überlastete Lindauer bat Bullinger zu veranlassen, dass der ehemalige Konventual Eustachius Mörikofer ihm als Hilfslehrer beistehe.
4 das im also ist: dass es sich so verhält.
5 Die Bedeutung von "hür zu jar" ist ungewiss. Vielleicht im Sinne von: heutzutage.
6 schier allenthalb: fast überall.
7 die mainüg hät: die Ansicht herrscht.
8 euch.
9 dies.
10 erwidern.


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Man spricht auch von einem direkt gegen Augsburg ziehenden italienischen Heer des Kaisers. Zudem hätten [Schiffe] mit einigen tausend Spaniern in den Niederlanden angelegt. Sogar [Sultan Suleiman I.]soll in Waffen stehen. Bullinger soll im Hinblick auf das kürzlich nach Zürich geschickte [Augsburger]Hilfsgesuch die [Eidgenossen], die ja ebenfalls zu Deutschland gehören und bald auch betroffen sein könnten, ermahnen, nicht tatenlos zuzusehen. Schließlich geht es um die Wahrheit! Schon fliehen viele aus der Stadt und überweisen ihr Geld. Doch Haller [und die Seinen] bleiben stark. So trennt sich die Spreu vom Weizen! Könnte Haller doch seine schwangere Frau [Elsbeth, geb. Kambli, sowie das Töchterchen Agnes] nach [Zürich]schicken, damit er im schlimmsten Falle [allein]besser agieren kann! Bullinger soll ihn baldmöglichst via Konstanz über die Gesinnung der Eidgenossen informieren, denn die [Augsburger] verlassen sich auf deren Treue.

Salus et vita per Christum. Scripsi his diebus Gvalthero, 1 fratri nostro, in quibus nihil eorum, quae nunc prae manibus sunt, significare potui, quia dubia erant omnia. Nunc ergo ad te pauca haec. Festinat enim abire tabellarius et has meas expectat. Ignosce ergo, quia turbulentius scribo.

Urbs nostra tota commota est. Caesar 3 Ratisponae 4 ita agit, ut nihil possimus nobis quam praesentissimum promittere bellum. Indixit dry musterpletz: Fussen, Werdt 5 und Nördlingen. 6 Confluunt illic milites multi. Omnes existimant Augustam primo incursu obsidendam. Werdam ideo elegit, ut transitum 7 prohibeat Ulmensibus et Noricis ad Augustam. Magistratus noster ex parte pusillanimis, sed animamus eos, quantum in nobis est. Pleps commota. Milites etiam apud nos colliguntur. Schertlius 2'000 colligit, 8 alii item duces quoque. Circa Coloniam 1'500 equites iam diu discursibus factis jam in langrafii 9 irruperunt ditionem. Elector Saxoniae 10 in armis est, langrafio se iuncturus. Dux Mauricius 11 Ratisponae caesari dixit aperte se veritatem non derelicturum, quoad vivat. 12 Sicque ubique per Germaniam incenditur bellum. Aiunt parari in Italia exercitum magnum, quem imperator recta contra urbem nostram sit ducturus. 13 Aliquot millia etiam Hispanorum in Inferiore appulisse Germania. Turcam 14 etiam quidam in armis esse ferunt.

Missus hac septimana ad vos nuncius 15 auxilium imploraturus vestrum. Fac ergo, obsecro, horteris fortiter tuos 16 , ne Germaniae, cuius et ipsi pars

1 Nicht erhalten. — Wir danken Herrn Kurt Jakob Rüetschi für freundliche Auskunft.
2 Unbekannt. 3 Karl V.
~ Auf dem Regensburger Reichstag.
5 Donauwörth.
6 Siehe Paulus, Schertlin 51f; RTA-JR XVII 335. 434, wo allerdings Nördlingen fehlt und teils noch andere Orte genannt werden.
7 Auf den Wasserwegen Donau und Lech.
8 Zu Schertlins Rüstungen s. Herberger, Schertlin LXXX-LXXXII.
9 Philipp von Hessen.
10 Johann Friedrich I. von Sachsen.
11 Moritz von Sachsen.
12 Siehe dazu Erich Brandenburg, Der Regensburger Vertrag zwischen den Habsburgern und Moritz von Sachsen (1546), in: Historische Zeitschrift 80, 1898, 14. 18 und passim.
13 Vgl. den Brief von Konstanz an Zürich, 2. Juli 1546 (Zürich StA, A 205/1, Nr. 215), wo berichtet wird, dass 20'000 Italiener sich in Mailand befänden und vom Kaiser für einen Krieg gegen die Lutheraner bestimmt wären.
14 Sultan Suleiman I.
15 Der unbekannte Überbringer des Augsburger Schreibens an die Zürcher mit der


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sunt, interitum ita quieti sedentes spectent. Scitis, Germania subacta quid vobis sit expectandum. Adhaec pro veritate hic dimicatur, non pro ullis terrenis possessionibus.

Nos erimus fortes in domino, licet diffugiant multi jam ex urbe nostra et suas dimittant pecunias. 17 Spero tamen dominum tanto magis nos liberaturum, quanto magis paleae hae a tritico segregantur 18 . Ego itaque paratus sum pro domino meo lesu Christo mori, quando velit, et ago illi gratias, quod se mihi manifestarit. 19 Hunc summum thesaurum meum esse duco. Tu ora pro nobis cum omnibus tuis dominum.

Utinam familiam meam 20 possem dimittere ad vos, si altius ingruerint mala, quo fortius agere possem! Valde enim eorum me commovet aspectus. Sed uxori jam instat partus 21 ; sic deo placuit. Rogo, rescribe, quamprimum potes Constantiam saltem missis literis, ut, quid Helvetii in animo habeant, sciam. Nostra enim urbs plurimum eorum innititur fidei.

Vale. Augustae Vindelicorum, 17. iunii 1546.

Tuus totus loan. Hallerus.

[Adresse auf der Rückseite:] Clarissimo viro d. Heinrycho Bullingero, domino et patri suo colendo. Tiguri. Zürich an m. Heinrych Bullinger.