Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[203]

Hans Vogler an
Bullinger
St. Gallen,
27. März [1533]

Autograph: Zürich StA, E II 351, 150. Siegelspur. -Regest: ASchweizerRef IV 1468

Hat dem Landvogt im Rheintal 200 Gulden bezahlt. Berichtet über seine Pläne, sich mit der Familie in St. Gallen niederzulassen. Ambrosius Blarer war in Lindau. In Altstätten starb der St. Galler Amtmann Vinzenz [Hasler].

Die gnad gottes haltte ob unns. Amen.

Min lieber herr und bruder, in trüwen wissend, wie min sach 2 statt. Dess ersten hab ich dem landtvogtt im Rintal 3 geben die 200 guldin 4 , darum er selb by mir zu Sant Gallen gsin und quittiertt, wiewol etlich mich witer, dann die urttel 5 fermag, understanden zu rechtfertigen 6 . Denen hat er die uswisung 7 ain mal trüwlich geben. Doch beharre er. Also wart ich um den artickel der bildern 8 halb. Fillicht wirt ettwas funden etc.

Nun uff üwern rat 9 und min selbs geduncken, wie Abraham das sin nam und dahin 10 , und nütz zu truwen, dess willens bin ich. Namlich den getrüwen Doctor Wadt und etlich in ghaim hab ich ankert 11 , üwern rat und min fürnemen 12 anzaigt, daß sy mir helffen gegem spittal Sant Gallen, daß er min hab, zu Altstetten liggend 13 , in ainem koff betretten 14 . Hoff das zu erlangen, und so das geschech, syge ich dester

1 Der Inhalt des Briefes weist eindeutig ins Jahr 1533: 1. Das Haupturteil über Vogler, mit welchem er zur Bezahlung von 200 Gulden aufgefordert wurde (s. Z. 2-4), war in der Badener Tagsatzung vom 21. Januar 1533 gefällt worden (s. unten Anm. 4). 2. Ambrosius Blarer war in der Fastenzeit 1533 und nicht 1532 in Lindau (s. unten Anm. 27). 3. Amtmann Vinzenz Hasler starb 1533 (s. unten Z. 26f und Anm. 28). Voglers eigene Datierung ins Jahr 1532 ist demnach ein klarer Schreibfehler.
2 Gemeint ist der Rechtshandel Voglers mit den Rheintalern und den katholischen Orten, vgl. EA IV/1b, Reg. und IV/1c 9 ee.
3 Seit Juli 1532 wares Götschi Zhag von Zug.
4 Vogler wurde nach seiner Flucht aus Altstätten von den Schirmorten und auch von Leuten aus dem Rheintal rechtlich belangt. Die Badener Tagsatzung vom 21. Januar 1533 setzte fest, Vogler dürfe nicht ins Rheintal zurückkehren und habe je 100 Gulden an die VIII Orte und an die Rheintaler zu zahlen, s. EA IV/1c 9 ee.
5 Das Urteil der Tagsatzung.
6 vor Gericht, zur Rechenschaft ziehen (SI I 1010).
7 Ausweisung des Rechts (Grimm I 1014).
8 Gemeint sind die 1530 auf Veranlassung Voglers zerstörten Bilder und Altäre von Oberriet im Rheintal, s. Frey 148. 168f. Diese Angelegenheit wurde im erwähnten Urteil der Tagsatzung ausgeklammert, s. Vadian, Diarium 514, Nr. 554, und Vadian BW V 37 (der dort abgedruckte Brief Voglers an Vadian vom 4. Februar 1532 ist seinem Inhalt nach ebenso wie der vorliegende an Bullinger ins Jahr 1533 umzudatieren; als Tag ergibt sich dann der 3. Februar).
9 Wohl ein mündlich erteilter Ratschlag Bullingers an Vogler, als dieser sich zu Beginn des Jahres 1533 in Zürich aufhielt.
10 ergänze: zog; vgl. Gen 12, 5.
11 bin ich bittend angegangen (SI III 438).
12 Vorhaben.
13 Das in Altstätten festgehaltene Hab und Gut Voglers sollte diesem, gemäß Tagsatzungsbeschluß, zurückerstattet werden, sobald er die 200 Gulden bezahlt haben würde (EA, aaO).
14 daß er (der Spital) meine Habe ... in einem Kauf übernehme (vgl. Grimm I 1713f. XI/I 2 217f). - Die näheren Umstände ließen sich nicht erhellen.


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sichrer etc. Und diewil ir wissend, den linwatgwerb minen kinden, och mich, zu lernen gut 15 , dem minen und den minen glegen, och ander trüwen, wais ich mich, so lang gott wil, nit 16 niderzulassen den za S. Gallen. Die frow 17 ist gross 18 , die kindly klin, der costen zu züchen 19 gross, das min zu messen onglegen 20 als ir wol wist. , Daruff hab ich gesten für burgermaister und rat Sant Gallen kert 21 , sy also, wie mir graten ist, petten, mich zu aim hindersäsen 22 anzunemen etc., oder wo sy besser dunckt, burger zu werden, mir und inen zu raten. Also bin ich gewisen uff morn fritag für klin und gross rätt. Acht, ich werd ain hindersäs; hör nit sonderß mangel 23 . Also stat min ding etc. Es stat sunst wol in aller trüpsal. So ferlürt der herr kainen 24 . Allain daß ich hoff, och alle fromen begerend, daß mine gnädigen herren Zürich by der warhait blibend und by billichem.

Hertzog Ulrichs 25 halb und sins acht ich gwiss on langen ferzug fil zufallen 26 .

15 daß es für meine Kinder und mich gut wäre, das Leinwandgewerbe zu erlernen. - Produktion und Vertrieb von Leinwand war der wichtigste Zweig der St. Galler Wirtschaft, s. Hektor Ammann, Die Diesbach-Watt-Gesellschaft. Ein Beitrag zur Handelsgeschichte des 15. Jahrhunderts, St. Gallen 1928. - MVG XXXVII 1.
16 nirgends.
17 Appolonia Vogler, geb. Baumgartner.
18 schwanger.
19 (die Kinder) aufzuziehen, zu ernähren (Lexer III 1105).
20 Der Sinn ist nicht ganz klar; entweder: das Meine (Voglers Habe) abzuschätzen, dessen Wert zu bestimmen, oder das Meine zuzumessen, auszuteilen (Grimm VI 2115-2118) ist ungelegen. - Die zweite Version könnte erklären, weshalb Vogler sein Hab und Gut verkaufen will.
21 vor Burgermeister und Rat erschienen (SI III 435).
22 Vogler wurde in St. Gallen tatsächlich als «hindersässe one stür» aufgenommen, s. J[ohannes] Häne, Das Familienbuch zweier rheinthalischer Amtmänner des XV. und XVI. Jahrhunderts, in: JSG XXV, 1900, 77.
23 Fehler; man hatte also in St. Gallen nichts an Vogler auszusetzen.
24 Vgl. Joh 17, 12.18, 9.
25 Ulrich von Württemberg, 1487-1550, wurde 1498 als Nachfolger des wegen Unfähigkeit abgesetzten Eberhard II. Herzog und übernahm 1503 mit der Mündigkeitserklärung durch Kaiser Maximilian die Regierung. 1511 wurde die politisch begründete Heirat mit Herzogin Sabine von Bayern vollzogen. Private Konflikte -Ulrichs Mord an seinem Stallmeister Hans von Hutten und die Flucht Sabines aus der unglücklichen Ehe 1515 - sowie politische Krisen führten 1519 zur Vertreibung Ulrichs aus dem Herzogtum, das zunächst unter die Herrschaft des Schwäbischen Bundes, dann 1520-1534 Habsburg-Österreichs geriet. Von seinem
Zufluchtsort auf dem Hohentwiel aus versuchte Ulrich, das Herzogtum wieder zurückzugewinnen, und bemühte sich um die Hilfe der Eidgenossen. Im Winter 1524 kam er deshalb nach Zürich, wo ihn die Predigten Zwinglis und der persönliche Umgang mit dem Reformator tief beeindruckten. Nachdem 1525 ein Kriegszug in Württemberg mißlungen war, begab sich Ulrich im Januar 1527 ins Exil nach Hessen. Möglicherweise war er es, der den Landgrafen Philipp auf Zwingli aufmerksam machte und damit den Anstoß zur Bündnispolitik zwischen Hessen und Zürich gab. Mit Zwingli blieb Ulrich in brieflichem Kontakt, und die beiden trafen sich im Oktober 1529 am Religionsgespräch in Marburg wieder. Die Anfang der dreißiger Jahre intensivierten, von Philipp von Hessen unterstützten Bemühungen um die Wiedereinsetzung Ulrichs in Württemberg wurden von den reformierten Kreisen in der Schweiz wegen der damit zu erwartenden Durchführung der Reformation aufmerksam verfolgt. Ein kurzer, erfolgreicher Feldzug im Mai und Juni 1534 brachte Ulrich wieder an die Macht. Bullinger ergriff die Gelegenheit, ihn zu einem gewissenhaften Aufbau der Kirche im Geiste Zwinglis zu ermahnen (am 4. Juli 1534, Zürich StA, E II 338, 1366r.-1369r.; und nochmals am 4. September 1534, Zürich StA, E II 338, 1370r.-1371v.). Aus späteren Jahren ist noch je ein Brief Ulrichs an Bullinger und Bullingers an Ulrich erhalten. -Lit.: Z VIII 379f. IX 85. X 223f. 368. 455f. XI 358f. 404f; Ludwig Friedrich Heyd, Ulrich, Herzog zu Württemberg. Ein Beitrag zur Geschichte Württembergs und des deutschen Reichs im Zeitalter der Reformation, 3 Bde, Tübingen 1841-1844; Jakob Wille, Philipp der Großmüthige von Hessen und die Restitution Ulrichs von Wirtemberg, 1526-1535, Tübingen 1882; Anna Feyler, Die Beziehungen des Hauses Württemberg zur schweizerischen Eidgenossenschaft in der ersten Hälfte des


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Maister Ambrosy Blarer ist dis fasten zu Lindow 27 . Hat fil demut und gutz da geschaft. Bittend gott für uns alle; wend wir och thon. Es ist der tagen des aptz Sant Gallen gröster amptman zu Altstetten im Rintal gstorbenn; haist aman Sentz 28 . Grützend mir üwer lieb husfrowen 29 , den vatter 30 , die muter 31 , och Leon 32, und wer mir nachfragt.

Actum yn yl S. Gallen, uff donstag nach Letare anno 32 a jar.

Ich will üch bald witer schriben und wils gott selbs dancken etc.

U[wer]w[illiger] armer

Hans Vogler.

[Adresse auf der Rückseite:] An min fylgeliepttenn h[errn] M. Hainrichen Bullingernn, prediger zu Zürych, zu handen.