Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

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Leonhard Serin an
Bullinger
Znaim
18. August 1545

Autographa: Zürich StA, E II 347, 3391 (ohne Siegel) Teildruck: CO XII 140f, Nr. 681

Serin ist Bullinger zutiefst dankbar und möchte dies mangels anderer Gelegenheiten wenigstens durch das vorliegende Brieflein zum Ausdruck bringen. Ihn haben vor allem Bullingers Kommentare zu allen apostolischen Briefen erbaut und gestärkt. Da er überzeugt ist, dass Bullinger bereit ist, sich jedem in Christus gefällig zu erweisen, und da Serin ferner um freundschaftliche Beziehungen zwischen den Christen bemüht ist, will er sich Bullinger nicht länger durch schmeichelhafte Worte geneigt machen, sondern bittet ihn brüderlich, ihm kurz

a Mit Randbemerkung von Johann Heinrich Hottinger.
1 Leonhard Serin (Sörin; Soer von Wasserburg; ursprünglich: Sewer; auch: Seer; Seerin), geb. am 30. März 1514, wohl in Oestall (Lkr. Altötting; Bayern) und nicht in "Aestett" (so Gaus); gest. 3. Januar 1573 in Horn (Niederösterreich). Der zum Priester bestimmte Serin besuchte die Hochschule Ingolstadt, wo Johannes Eck wirkte. Vor der Priesterweihe distanzierte er sich aber vom Papsttum und wurde Schulmeister, zuerst in Altötting, dann in Mödling bei Au a. Inn (Lkr. Mühldorf a. Inn; Bayern), ca. 10 Kilometer westlich von Kraiburg a. Inn (s. Wolfgang Musculus an Leonhard Serin, 21. Juli 1539, Basel UB, Ms. Ki. Ar. 25a, 102), wo er sich mit Magdalena Paur oder Baur (geb. 1516) aus Tödtenberg bei Aschau (Lkr. Mühldorf a. Inn) verheiratete. 1540 verließ er Mödling. Er wurde von Freiherrn Jörg Ludwig (Lutz) von Freyberg, Herrn zu Justingen, zum evangelischen Pfarrer der Herrschaft Justingen (Alb-Donau-Kr.; Baden-Württemberg), westlich von Ulm, berufen und ist dort noch 1544 nachgewiesen. In Justingen lernte er Kaspar Schwenckfeld kennen, der dort Unterschlupf gefunden hatte. Bald kam es zum Konflikt mit diesem, und Serin wurde von dem Freiherrn entlassen. Noch vor Sommer 1545 wurde er Stadtprediger an der Kirche St. Nikolaus in Znaim. Aufgrund katholischen Widerstands musste er bereits Ende Januar 1546 von dort weichen (Basel UB, G I 26, 24-25, Nr. 32). Spätestens im Mai 1546
war er in Ulm (Serin an Bullinger, 13. Mai 1546, Zürich StA, E II 356, 56). Am 22. Mai 1548 (Zürich StA, E II 356, 74) berichtete er noch aus Ulm über seine ungewisse Zukunft infolge der Niederlage des Schmalkaldischen Bundes. Er wurde aber nicht mit Frecht und dessen drei Kollegen vom Kaiser verhaftet. Vielmehr ist er wahrscheinlich identisch mit dem "Prädigkant mit namen her Lienhart", der laut Sebastian Fischers Chronik ab 24. August dreimal pro Woche im Chorrock weiterpredigte und noch am 16. Februar 1549 in Ulm nachgewiesen ist. Er wird Ulm noch vor Eintreffen des neuen Prädikanten Adam Bartholomäus am 29. Juni 1549 verlassen haben. Zu diesem Zeitpunkt könnte der von Serin selbst bezeugte Besuch in Zürich stattgefunden haben (Zürich StA, E lI 356, 190f). Danach weilte er eine Zeitlang in Tödtenberg, ehe er nach Horn übersiedelte, wo er von 1550 bis zu seinem Tod als Spitalmeister amtierte. Im Juni 1559 empfahl er Bullinger seinen Sohn Christian, der in Basel studieren wollte. —Der vorliegende Brief ist der erste aus einer 17 Stücke umfassenden Korrespondenz mit Bullinger aus den Jahren 1545 bis 1559. —Lit.: Karl Gaus, Die Basler Pfarrerfamilie Serin, in: BZGA 34, 1935, 261-287 (gestützt auf zahlreiche handschriftliche Quellen); Weber, Schwenckfeld 34f; Sebastian Fischers Chronik, hg. v. Karl Gustav Veesenmeyer, Ulm 1896 —Mitteilungen des Vereins für Kunst und Alterthum in Ulm und Oberschwaben 5-8, S. 144. 149. 159.
2 Znojmo, Mähren (Tschechien).


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darzulegen, was er in seinem Matthäuskommentar zur Abendmahlsfrage geschrieben hat oder hätte schreiben wollen. [1543] versuchte ein bedeutender Evangelist Schwabens [Martin Frecht?], Serins Abendmahlsauffassung ins Wanken zu bringen, indem er behauptete, Bullinger denke über das Abendmahl jetzt anders als zuvor, und stimme Luther, zumindest der [Wittenberger] Konkordie, zu. Serin legt seinem Brief eine von ihm besorgte Abschrift der Konkordie bei, die er erst vor kurzem einsehen konnte. [1541]behauptete übrigens einer deren Unterzeichner [Martin Frecht?], dass die Schweizer diese billigen würden. Serin, der an der Ehrlichkeit seines [Informanten] nur ungern zweifelt, möchte jedoch von Bullinger selbst erfahren, ob dies zutreffe, und ob die beigelegte Abschrift der Konkordie originalgetreu sei. Serin hat die Kapitel über die Sakramente, die Taufe und das Abendmahl in der 1543 erschienenen Ausgabe von Calvins "Institutio [christianae religionis]"sorgfältig gelesen. Da es in Schwaben und Mähren Menschen gibt, die die rechtgläubige [zwinglische]Auffassung des Abendmahls vertreten und dennoch Calvins Auffassung vom Abendmahl gänzlich billigen, einschließlich solcher Aussagen, denen Serin zurückhaltend gegenübersteht (er kann sich z.B. kaum vorstellen, dass Bullinger sich über Ioh 6 ähnlich wie Calvin äußern würde), möchte er gerne von Bullinger selbst erfahren, wie dieser dazu steht, um anderen gegenüber nichts Falsches zu behaupten. Der Briefüberbringer [Wilhelm Reublin] wird sowohl im Namen Serins als auch anderer Brüder weitere Fragen stellen. Bullinger oder seine Kollegen mögen sich diesen im Interesse der Kirche nicht entziehen. Bullinger soll für Serin und seine Zuhörer beten. Grüße an alle Kollegen. Serin bittet um Rücksendung seiner [Kopie der] Konkordie, da Serin nicht die Zeit hatte, diese [nochmals]abzuschreiben.

Gratia tibi multiplicetur 3 per dominum nostrum Iesum Christum.

Cum ingentes tibi debeam gratias, optime Bullingere, nec tamen sit, unde referam, omittere non potui, quin gratitudinem meam vel hisce saltem literulis declararem, quo et tu intelligeres tuo te merito non ab omnibus privari, et ego, quod maxime cupio, futurm inter nos familiaritati viam aliquam pararem atque simul, quod nunc habeo, tibi exhiberem. Tuis enim lucubrationibus, iis precipue, quae in omnes epistolas apostolicas sunt aeditae 4 deinde autem et alus valde sum in Christo delectatus. Quantum autem iisdem etiam sim adiutus et aedificatus, non dicam, ne quid mihi vel arrogare vel tuam operam commendando supernae gratia derogare videar. Sed utcunque sit, est, quod tibi debeam et pro quo ago nunc gratias, quas iam diu habeo et posthac etiam habiturus sum. Porro, quum non dubitem, quin b ad gratificandum cuilibet in Christo domino privatim etiam sis paratissimus, contentus ego communem omnium christianorum necessitudinem mihi tecum intercedere, verborum lenocinia, quibus homines conciliandi sunt et exorandi, nihil moror, nihil curo, sed ut a fratre peto fraterne, ne graveris, si per iusta sanctaque tua negotia liceat, mihi paucissimis saltem rescribas et exponas, quidnam in enarrationibus evangelii Matthaei 5 quem librum mihi hactenus non contigit perlustrare, super capitulum ultimum 6 scripseris aut volueris de re sacramentaria.

b quin über der Zeile nachgetragen.
3 Vgl. 1Petr 1,2.
4 Bullingers Kommentare zu den paulini
schen und kanonischen Briefen; s. HBBibl I 84-86; 91-93.
5 Von August 1542; s. HBBibl I 144.
6 Serin meint wohl nicht Mt 28, sondern 26.


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Nam post aliquot alios magnus et preclarus quidam Suevici evangelista 7 qui me tibi tuisque omnibus multum favere et tribuere non ignorabat, ante biennium fere tua authoritate labefactare me volebat in sententia c sacramentaria, quasi et tu nunc aliud quam olim de cena domini sentires adeoque Lutteri sententie, illi maxime, que nunc concordia nomen 8 obtinuit, quam proxime accederes. Mitto etiam hic dictæ concordia descriptionem 9 — si modo vera est, quia in Moravia nuper tandem legere eam contigit et describere , 10 , qui antehac certam eius nec descriptionem nec expositionem nancisci potui. Nam et preterea quidam 11 eorum, quorum nomina 12 ||340 isti concordia sunt subscripta, ante annos 4 mihi narravit Helvetiis exemplum ahiquod conscriptae concordiae fuisse ab authoribus exhibitum illosque respondisse per literas de concordia hac gaudere sese eamque sibi probari. Quod num ita se habeat, quamvis de istius pii et optimi viri d13 fide non libenter dubito, et num hoc presens verum istius promulgate sententie sit exemplum, ex te etiam discere velim.

De banne Calvino, cuius Institutionem, ut anno 43. est edita, 14 habeo, cuiusque cum capita aliquot tum vero de sacramentis, de baptismo, de cena domini non obiter nec oscitanter legi, est etiam, quod scribam et queram, nempe esse tum in Suevia tum in Moravia, qui fortiter a partibus vestris, aut ut venus dicam, orthodoxorum stare videri volunt, interim tamen spiritum etiam Calvini de coena pronunciantem omnino probant nec deprehendere volunt id, quod 15 mihi aperte inficiandum esse videtur. Tu, quid velim, opinor, intelligis. Ego certe non credo te unquam capitulum Ioannis 6. ita interpretaturum aut ita de vera, substantiahi seu essentiali corporis Christi manducatione traditurum, ut solet Calvinus. Ut igitur tui de Calvino, viro alias magno, hac in re iudicii certior fiam et ne frustra tuam authoritatem alus opponam, sed potius tui iudicii testimonium habeam, tu queso pauca quedam hac etiam de re rescribe.

c sententia anstelle von gestrichenem re am Rande nachgetragen. Zum Teil von Klebeband überdeckt.
d viri über der Zeile nachgetragen.
7 Wohl Martin Frecht.
8 Die Wittenberger Konkordie; s. oben Nr. 2063, Anm. 39.
9 Diese Abschrift wurde, wie von Serin unten Z. 58f gewünscht, dem Überbringer des Briefs, Wilhelm Reublin, wieder mitgegeben.
10 Wohl anhand einer Handschrift, da solch ein osteuropäischer Druck nicht bekannt ist
11 Derselbe wie oben Anm. 7, wie aus dem Gebrauch des Singulars unten Z. 33 hervorgeht.
12 Die Namen der Unterzeichner der Wittenberger Konkordie werden in BucerDS VIII 126-134 angeführt. Martin Frecht ist einer davon.
13 Derselbe wie oben Anm. 7 und 11.
14 Johannes Calvin, Institutio christianae religionis, Straßburg, Wendelin Rihel d.A., 1543 (VD 16 C 290; Bibliotheca Calviniana I, Nr. 43/5).
15 Es geht hier um den Gebrauch der Wörter "consubstantialiter" und "essentialiter" in Zusammenhang mit dem Abendmahl.


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Sunt et alia, que tum meo tum aliorum nomine a te flagitabit meus ille tabellarius 16 In ea etiam re non gravaberis, spero, vel ipse ecclesiæ Christi inservire vel alios fratrum ad eiusmodi opus hortari.

Vale in Christo domino, qui dona in te sua clementer custodiat et augeat, et huic me omnesque, qui me audiunt, per orationem commenda, hanc meam ad te scribendi audatiam boni consulens nec quicquam mali suspicans. Collegas tuos omnes, viros et pietate et eruditione illustrissimos fratresque dilectos et observabiles quam officiosissime mihi in Christo saluta meque illis commenda.

Concordia exemplum remitte; ut enim nunc plura ad te dare, ita nec hoc exscribere vacavit. Iterum vale.

Znaim, 18. augusti anno etc. 45.

Raptim.

Leonhartus Söerinus,

ibidem ecclesiastes.

[Ohne Adresse.]