Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[176]

Martin Bucer an
Bullinger
Straßburg,
14. Januar [1533]1

Abschrift von Simon Steiner 2 mit autographen Zusätzen Bucers:

Zürich StA, E II 348, 415r.-417v. Siegel. -Ungedruckt

Dankt für Bullingers Bericht über die Lage Zürichs. In Straßburg verlautet, Zürich habe den Ratschlag seiner Verbündeten, nicht in ein Gerichtsverfahren einzuwilligen, mißachtet. Man befürchtet Schwierigkeiten für Zürich und die Erhaltung des reformierten Glaubens bei einer bedingungslosen Einwilligung in ein Schiedsgericht. Wenn bekannt ist, daß Zürich den Rat der engen Verbündeten nicht annimmt, werden Außenstehende nicht gerne zur Hilfe bereit sein. Die Einigkeit zwischen den reformierten Orten muß wieder hergestellt werden. Ein Hilfsgesuch Zürichs an Straßburg müßte in aller Form, schriftlich und mit einer detaillierten Begründung versehen vom Rat an die Dreizehn gestellt werden. Sollte Zürich ohne seine Schuld wegen seines Glaubens angegriffen werden, so kann es mit Straßburgs Hilfe rechnen. Man ist allerdings vorsichtig geworden, seit Zürich im Kappelerkrieg die freiwillig angebotene Hilfe Straßburgs und Philipps von Hessen abgelehnt und jetzt den Rat der reformierten Orte mißachtet hat. Ein Hilfsbegehren soll geheim gehalten werden, um den Waffenstillstand im Reich nicht

a-b von qui bis satis übergeschrieben.
11 Blarer hielt sich von September 1532 bis Februar 1533 in Isny auf, s. Brecht 151.
12 Konrad Zwick.
13 Markus Jenny, Geschichte des deutschschweizerischen evangelischen Gesangbuches im 16. Jahrhundert, Basel 1962, S. 100f legt dar, daß es sich wohl kaum um das 1533/34 bei Froschauer erstmals gedruckte (s. ebenda, S. 111f) Konstanzer Gesangbuch handelt, sondern wahrscheinlich um eine Ausgabe des biblischen Psalters.
14 Leo Jud.
15 Theodor Bibliander.
1 Das Jahr ergibt sich aus dem Briefinhalt; s. auch den Brief Capitos vom selben Datum, unten Nr. 177.
2 Simon Steiner (Lithonius), gest. 1545, stammte wie sein älterer Vetter, Thomas Platter, aus Grächen (Kt. Wallis). Von Platter
erhielt er den ersten Unterricht und zog ihm nach Zürich nach, wo er bei Oswald Myconius zur Schule ging. 1530 oder 1531 ging er nach Straßburg. Zeitweise war er Bucers Famulus. Er zeichnete sich durch Kenntnisse im Griechischen aus und erhielt bald eine Lehrstelle an der von Dasypodius geleiteten Schule, später am Gymnasium. - Lit.: Thomas Platter, Lebensbeschreibung. Mit einem Vorwort von Walter Muschg hg. v. Alfred Hartmann, Basel 1944, S. 33. 57. 86. 131. 143. 156; Felix Platter, Tagebuch (Lebensbeschreibung) 1536-1567, hg. v. Valentin Lötscher, Basel-Stuttgart 1976. - Basler Chroniken 10, Reg.; Handschriftenproben des 16. Jahrhunderts, hg. v. Johann Fikker und Otto Winckelmann, Bd. II, Straßburg 1905, Nr. 68; Bonorand, Studierende 230; Catherine Santschi, Stumpf et l'historiographie valaisane, in: Vallesia 24, 1969, S. 164. 171. 179; HBLS VI f34.


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zu gefährden. Festigkeit gegenüber dem Feind und Dankbarkeit für die Hilfe der Freunde sind nötig. Bucer will die Straßburger und den Landgrafen vorbereiten. Zürich soll auch an Konrad Zwick und Thomas Blarer gelangen. Die Straßburger werden nicht antworten, solange sie nicht genau orientiert sind.

Gnad, frid unnd heyl vom herren.

Lieber herr unnd bruder, wyr sagen eüch besonderen danck, daß yr uns so vertrüwlich alle ewere gelegenheyt züschriben 3 . Der handel ist gottes, darumb auch unser aller, die nach gott fragen. Der selbige wurdt auch on allen zweyfel uns seyne hilf herlich sehen lassen, so wyr ym nür dapfer vertrawen. Wyr haben, das yr uns geschriben, getreulich raht gehebt und befinden, das wyr noch wie vor guter hoffnung sind, solten yr ums herren willen leyden, man wurde eüch nit lossen 4 . Das man sich aber solte selb etwas anbieten 5 , ist by uns der brauch, das man ym verheyssen nit gern geüdet 6 , aber was man verheysset, völlig leystet. Dozu wurd 7 nun erfordret , daß der handel für das gantz regiment keme 8 und von leüten, den es anstünde 9 , unnd auß ursachen, die etwas trungen 10 . Jetz lautet die sach by uns, es sye euch von etlichen, so euch zügewandt, eyn getreuer rath und desselbigen abschrifft uff nechst verschinen tag anbotten worden 11 , aber dohyn lautendt, daß yr euch yns recht nit begebett, welches rathschlags nit fil solle geacht worden seyn 12 . Jetzunden begere man seyn, so es zü spaatt unnd das recht schon bewilliget ist, und dasselbig on enige condition 13 , welchs dan solle beschwerlich seyn, nachdem die pünt vermögen 14 , daß yn sölichen fällen jedes teyl seyns gefallens leüt zeuhet 15 , unnd aber der klagend teyl den obman nymet 16 . Auch eweren widerwertigen 17 das ymer vornen ligt 18 , man habe sich verbrieffet, yren ungezweuffleten glauben nit zü disputieren oder zü schmehen 19 . Aus welchem, so sy wölten fordren, was das bekennen, das yr glaub der recht glaub sye, yn ym hatt, kan jeder wol sehen, wo das hynaus wölte 20 . Derhalb ja von nöten were, sich ynen alles rechten zü enbieten, doch das vorbehalten, daß man euch by ewerem glauben, welchs nach voriger bekantnys gesetzet unnd sy deshalb mässiget, bleyben lasse, auch den selbigen keins wegs schmähe, welchs sy doch unmänschlicher

3 Bullingers Brief, der über die neueste Lage im Mandatstreit orientierte und offenbar die Bitte um Hilfe aus Straßburg enthielt (s. unten Anm. 35), ist nicht erhalten.
4 verlassen.
5 daß man sich aber selber zu etwas anerbieten sollte.
6 daß man mit Versprechungen zurückhaltend ist.
7 dazu wäre nun erforderlich.
8 der ganzen Regierung vorgetragen würde.
9 die dazu befugt wären (vgl. SI XI 604).
10 erzwingen würden (vgl. Grimm II 1416f).
11 Es handelt sich um die Instruktion der Basler Gesandten an der Badener Tagsatzung vom 16. Dezember 1532 (ABaslerRef VI 218). Im Einverständnis mit Bern und Schaffhausen hatte Basel darin versucht, die Zürcher im Mandatstreit gegen die V Orte zu unterstützen und sie von einer Einwilligung in ein Gerichtsverfahren abzuhalten.
12 Zur Mißachtung des Basler Vorschlags durch die Zürcher s. HBBW II 288f, Anm. 7.
13 Zum Resultat der Badener Tagsatzung s. oben S. 35, Anm. 11.
14 da die Bündnisse beinhalten (SI IV 111).
15 jede Partei Leute nach ihrem Belieben zuzieht (Grimm XV 958f).
16 Zu dem hier zutreffend geschilderten Vorgehen bei der Wahl des Obmannes eines Schiedsgerichts s. Emil Usteri, Das öffentlich-rechtliche Schiedsgericht in der schweizerischen Eidgenossenschaft des 13.-15. Jahrhunderts, Zürich-Leipzig 1925, S. 64-68.
17 Gegnern (Grimm XIV/I 2 1368).
18 wichtig ist, im Vordergrund steht (vgl. SI I 1021).
19 Vgl. Art. I a und II g des Zweiten Landfriedens (EA IV/1b 1568f).
20 Wenn sie (die V Orte) daraus die Erfüllung dessen, was das Bekenntnis, ihr Glaube sei der rechte Glaube, enthält, verlangen wollten, dann ist für jeden offensichtlich, welche Folgen das hätte.


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weys thun, auch an den yren zum schweresten straffen. Derhalb, wo der bysatz, so in euwerem schriben, yn dem abscheyt zu Baden nit austrucket, wurdts beschwerlich seyn. Nu sye aber dem wie ym wölle, so möcht yr gedencken (wyr wöllen, wie yr begeren, frey alles schreiben): So man horte, das der meerverwanten 21 rath nit hoch geacht, auch dawider yns recht bewilliget ist, das auch anderen nit treglich 22 (wie es auch ein seltzams recht ist, do der klagent teyl das meer zü machen hat), das sich frömbdere dan on besondere ursach zü rathen nit gern eynlassen. Meer 23 bringt auch grosse schew 24 , daß man nit weg suhet 25 , das eynmal aller unwyll zwischen eüch, Bern und anderen, die doch yn gleichem handel unnd gefar stohn, wurde hyngeleget, unnd dahin gedacht, daß gemeyne sach mit gemeynem rath auch gehandlet wurde. Dan so euch nit wol on dise 26 kan gerathen werden, sy auch on eüch nit bestohn, bringet es vil gedencken 27 , wie es doch ymer meer zügohn möge 28 , das nit vor allem nach diser eynigkeyt getrachtet wurdt, das warlich yn diser gefer-||415v. licheyt das erst unnd fürnempst seyn solte, nach anrüffen unnd vertruwen zü gott. Mit den nachpuren, sagt das alt gesprochen wort, richt man die scheuren auff 29 . Ermanen euch deshalb ym herren umb der eren Christi und unser aller gemeynen wolfart willen, yr wölt uffs aller fleissigest dencken unnd trachten, wie yr doch nun hynfür dise ewere sach, die doch aller, so dem wort gottes geleben wöllen, gemeyn ist, aus gemeynem rath handlen könden unnd zü recht hertzlicher enigkeyt mit vorgemelten orten, Bern, Basel unnd Schaffhusen, kömen. Wo dozü wyr etwas vermöchten, als dan unser lieber brüder Capito zü Bern 30 unnd Basel 31 (hoffen wyr) etwas vermögen solte, wöllen wir unns alles unsers vermögens enbotten haben. Dann warlich, so lang yr selb ewer eygen sach nit bas yn gemeyn 32 handledt 33 , die doch eigentlich gemeyn ist, meynend andere eins teyls, es sye die not nit so gros, eins teyls, es sye nit allein gefarlich, sonder onmöglich, eüch zü helfen, diewyl yr selb nit bas züsamen styment, da man sorget, es miesse der gewalt gar nit by denen seyn, die den handel verstanden, oder wol meynen 34 . Darumb, lieben brüder, lassen euch dis ernstlich angelegen seyn. Es bringt ein grossen scrupel und hindert meer, dan wyr schryben mögen.

Zum anderen, nochdem ewer beger 35 fil ein anders ist, dan unsere anbringen 36 pflegen zü sin, unnd were [!] es sollte anbringen, müste zum wenigesten bey den

21 der näher Befreundeten, enger Verbündeten (Grimm XII/I 2121f).
22 zuträglich, annehmbar (SI XIV 564f).
23 Weiterhin.
24 Bedenken (SI VIII 122).
25 keinen Weg sucht.
26 gemeint sind die übrigen evangelischen Orte.
27 Bedenken, Besorgnis (SI XIII 667).
28 wie es doch immer noch, weiterhin, geschehen könne.
29 Nachbarn sollen einander im gegenseitigen Einvernehmen helfen (SI IV 1519; vgl. auch Johannes Agricola, Die Sprichwörtersammlungen, hg. v. Sander L. Gilman, Band I, Berlin-New York 1971, S. 430).
30 V. a. an der Berner Synode im Januar 1532, s. Straßer 67-89 und HBBW II Nr. 56.
31 Capito hielt sich um den 12. Mai 1533 ganz kurz in Basel auf (s. unten S. 124, 4f). Ob er
an der zu jenem Zeitpunkt stattfindenden Basler Synode teilnahm, ist ungewiß. Wie groß Capitos Anteil an der Formulierung der Basler Konfession von 1534 war, scheint nicht geklärt, vgl. Baum 489; Straßer 126.
32 gemeinsam zusammen (SI VI 300).
33 behandelt, verrichtet (SI II 1402).
34 da man befürchtet, den Einfluß hätten gar nicht unbedingt jene, die den Rechtshandel vertreten (SI XI 648-654) oder die (euch) wohlgesinnt sind.
35 Offenbar hatte Bullinger die Bitte Zürichs um eine Hilfeleistung Straßburgs im Falle einer kriegerischen Aktion der V Orte übermittelt. Worin die gewünschte Hilfe konkret bestehen sollte, ist nicht bekannt (s. auch unten S. 47, 4f).
36 als unsere Anträge (nämlich jene der Straßburger Pfarrer an den Rat).


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dreyzehen 37 schrifft darumb darthun 38 , daß es solte gerathen unnd der sachen dienstlich seyn, auch woher ers hette. Dazü hatt ewer schreiben aus ursachen 39 nit wöllen füglich 40 seyn, unnd achten 41 , so irs dohyn wiseten 42 , daß ein ersamer rath bey euch unseren herren, denn dreyzehenden, früntlich geschriben, yn was geferden sie weren, doch nit gedacht 43 , daß sy von menglich verlossen (dann man kans nit verstohn, wie es doch ymer 44 eyn meynung habe, daß Bern, Basel unnd Schaffhusen nit sollen dise gesar yre eigne gesar erkennen), unnd zeygten an 45 , wie sy yn vor hetten, by der warheit zü stohn und drob zü leiden, dieweyl sy aber yn sölicher sachen, die dermassen stande, auch von denen leuten 46 getriben wurde 47 , daß eyn jeder wol sehen möchte, daß es um das heylig evangely zü thun were, sich billich zü allen, die das evangeli liebten, christliche liebe unnd trew versehen 48 , auch deren rath und hilf als yrer ym höchsten bundt des glaubens verwanden [!] unnd mitglider in Christo suchten, so were yr 49 bitt und christlichs ansynnen, als zü denen sy sich besünderer trew vertrösteten 50 , dieweyl sy 51 , als die verstendigen, eweren vorgangen unfal 52 brüderlichs mitleidens deuten könden 53 unnd sich alweg früntlicher getreuwer nachpurschafft gehalten, sy wolten disere ewer gesar unnd ewer feynd fürnemen 54 christlichs bedencken, zü hertzen füren, des auch den christlichen f[ürsten], u[nseren]g[nedigen] herren, den lantgraffen 55 , und unsere christliche einigungsverwanten, die von Ulm 56 , in geheym verstendigen und doruff, was sy by disen und ynen selb erfunden 57 , das ynen auch, rath und hilf zu thun, christliche treuw unnd liebe und vor allem 416r. || der eyfer zü dem reich Christi und seinem heligen evangelio rathen wölte, euch das selbige fürderlich 58 zu verstohn geben. Unnd were aber ewer syn und gemiet 59 , alles za thun und leyden, das yr mit got ymer könden, domit yr zü kriegen nieman verursacheten, dozü dan dienen wurde ein kürtze erklerung, worin jetz der span stath 60 , wes yr euch der billigkeyt erbotten und warin euch die selbige vom gegenteyl 61 abgeschlagen wurde, mit klarem darthün, wie sy euch und yr sy allerley sachen halten a 62 . Wo es gott aber je also fügete, daß der gegenteyl an euch die sach 63
a Randbemerkung von Bucers Hand: Diligenter exploranda hic forent, quae ac quanta contra omne ius et fas vobis ab adversariis cottidie contingunt, quae contra vos patiamini et voretis.
37 Die aus dreizehn Mitgliedern bestehende Kammer des Straßburger Regiments, welche die auswärtigen Angelegenheiten besorgte und das Kriegswesen unter sich hatte, s. Adam 2.
38 ein Schriftstück darüber vorlegen.
39 aus (guten) Gründen (SI VII 119f).
40 angemessen, zweckmäßig (SI I 703).
41 und wir sind der Meinung.
42 wenn ihr veranlassen würdet (Grimm XIV/I 1 1088).
43 ohne jedoch zu erwähnen (SI XIII 669f).
44 jemals (SI IV 368).
45 und daß sie (die Zürcher) mitteilen würden.
46 gemeint sind wohl die V Orte.
47 (so) betrieben werde.
48 von allen, ..., christliche Liebe und Treue erwarten (SI VII 566f).
49 der Zürcher.
50 bei denen sie (die Zürcher) sich besondere Treue vesprechen würden (Grimm XII/I 2009).
51 die Straßburger.
52 Die Niederlage der Zürcher im Zweiten Kappelerkrieg.
53 mit brüderlichem Mitleiden auslegen konnten; im Gegensatz zu den Gegnern Zürichs, die darin ein Gottesgericht sahen.
54 das Unternehmen eurer Feinde.
55 Philipp von Hessen.
56 «Einigungsverwandte» deshalb, weil Ulm wie Straßburg Mitglied des Schmalkaldischen Bundes war.
57 (in der Sache) befunden.
58 bald.
59 Absicht (SI IV 587; VII 1048f).
60 wie die Auseinandersetzung jetzt steht.
61 Gegenpartei (SI XII 1516-1518).
62 wie sie sich euch und ihr ihnen gegenüber in verschiedenen Fällen verhalten.
63 den Rechtsstreit, den Prozeß (SI VII 98).


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gedechte anzüheben 64 , ob sy dann hoffenn möchten, by inen zü erlangen seyn die stuck nach ornung [!], wie yr uns die zügeschriben haben 65 -welche alle dermassen sind, daß wyr gentzlich der hoffnung sind, so fer man nur des bericht were, daß yr on eüwer anreytzung 66 umbs glaubens willen bekrieget werden solten, und yr aber selb das euwer auch getreüwlich thun wölten -, es solte yr allerhalb nür kein not haben. Das hat wol die leut dis teyls kleynmütig gmacht, daß eüch ym vorigen unfal, das yr jetz begeren, onbegeret anbotten 67 und aber von euch nit angenomen worden. Do kan man aber auch wol bedencken, wie unnd by wem die sachen dozümal gestanden sind, wiewol das noch meer das vertrüwen zü euch geschwechet, das u[nsers]g[nedigen] herr landgraven so gnedigs ansynnen noch aller handlung so schlecht angenomen 68 , und dann ferrer, wie vorgemelt 69 , ewer eygen bundgenossen so gering geachtett worden sind b , welches vor ynen übel lautet. Dan wer sich so haltet, als ob ym an leüten nit fil gelegen, den meynet man, auch yr hilff nit hoch begeren 70 .

Zü gedachtem schrieben 71 müste man sich auch des erbieten, das mans alles yn der still haltenn, auch, so man der hilff anfencklichs gebrauchen wölte, das man das selbige in ewerem namen und dermassen thun, das, so lang es gemeyne notturfft nit erheyschet, ewerthalb die unseren nieman solte zü beklagen 72 haben, als ob sy uffgerichten friden oder anstandt 73 teutscher nation stören wölten und krieg anheben, auch, wo ynen schon nit gelegen, die puncten alle oder etlichen zü bewilligen oder züsagen, daß sy euch doch sust yren getrewen rath geben und, was ynen wol thunlich 74 , vertrösten 75 wölten, die yr euch je dermassen zü halten begereten, daß eüch nieman, dann allein des heiligen evangely halb, bekriegen werde, indem yr euch mit der hilf gottes gedechten auch c also zü schicken 76 , das man sehen solte, das yr eüch gern dohyn gebind 77 , daß alle, die christliche warheyt lieben, by der selbigen könden ym frid unnd rüw blieben, was joch gott züvor über euch umb ewer und unser aller d sünd willen verhencket hat. Man solte auch das erfaren, wo jeman anders deren 78 , so das heilige evangeli angenomen, solte diser sachen halb unnd alles rechtens angefochten werden, yr wolten das von eüch eynem jeden widerfaren lassen, das yr

b worden sind von Bucers Hand am Rande nachgetragen.
c auch von Bucers Hand am Rande nachgetragen.
d und unser aller von Bucers Hand am Rande nachgetragen.
64 anzufangen.
65 gemeint ist wohl: ob sie (die Zürcher) hoffen könnten, daß von ihnen (dem Rat von Straßburg) alle Punkte zu erlangen seien nach der Aufstellung, wie ihr uns geschrieben habt.
66 ohne Aufwiegelung von eurer Seite her.
67 Straßburg hatte den Zürchern im Zweiten Kappelerkrieg z. B. Pulver und Korn angeboten sowie auf Erfordern die Intervention einer Gesandtschaft zugesagt (s. PC II 67. 86).
68 Nachdem Philipp von Hessen die Nachricht von der Niederlage bei Kappel und von Zwinglis Tod erhalten hatte, anerbot er sich
am 22. Oktober 1531, den Reformierten eine Truppe von 4000 Mann zuzusenden (Reformationsbündnisse 100-102). Die Zürcher gingen darauf gar nicht ein und erklärten ihr Verhalten in einer späteren Antwort am 19. Januar 1532 (Reformationsbündnisse 102-105); zur Haltung der Zürcher s. auch HBRG III 219.
69 oben S. 40, 11-14.
70 von dem meint man, daß er auch deren Hilfe nicht dringend wünscht.
71 Der oben vorgeschlagene Brief der Zürcher an den Rat der Dreizehn von Straßburg.
72 beschuldigen (Grimm I 1418).
73 Waffenstillstand (SI XI 976f); der Nürnberger Religionsfriede von 1532.
74 zumutbar (SI XIII 458).
75 verbürgen (Grimm XII/I 2008).
76 verhalten (SI VIII 507f).
77 darein findet (SI II 74).
78 wenn jemand anders aus jenen ...


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jetz von ynen begeren. Mein lieber brüder, wyr schreibet frey, wie yrs begeret. Doran ligts fast alles, das man sehe, daß eüch selb ernst seye und yr selb euch haltet yn gesar seyn 79 . Dozü will nun gehören, daß man sich der nött nit berge 80 gegen denen, by welchen man hilff suchet. Es solte freylich auch des anbietens halb nit nöt ||416v. haben, wen nit so fil fürgangen unnd noch fürgienge, dohar etwas ursach sich sehen losset 81 , als ob yrs selb noch nit für ernst hielten. Die fürnemen ursachen haben wyr gemeldet. Summa istis [!]: Sich ernstlich zü gott keren und dem vertrauwen; zum anderen gantze eynigkeyt mit den nachpauren yn alle weg und vor allem suchen, do vergessen alles, das hyn 82 ist, sich auch keyner diemietigung schemen; demnach den eusseren, so die freünd und nothelfer seyn sollen, auch frey bekennen und bericht thun aller sachen und frey rath und hilf begeren; dozü unsers achtens solte e nun meer by euch leycht zu bekomen 83 sein, das man solichs, das nit durch fil muß gehandlet werden fürzunemen f , gewalt denen, so dozü tauglich, gebe g 84 . Ewere widerwertigen suchen und nemen hilf und fürschub 85 von menklich 86 ; so man dan etlichen herren gewalt gebe, auch noch rath und hilf zü trachten, wo das nütz unnd gut, so vill weniger do ausgetrucket, wo oder wie h , so fil es den feinden erschröcklicher sein wurde 87 . Es solte auch zür gegenklagen 88 alles das züm ernstlichsten fürgenomen werden, das dozü dienet und doch leider vil zü war ist. Auch die unenigkeyt ewer selben und das ymer züruck tretten unnd weichen machet die leüt frech. Seyt doch bestendig, vertrauwet dem, der euch zuvor so gewaltig errettet hat. Und so yr zü gut der blöden 89 gewarsamlich 90 handlen unnd von gott gegebene mittel brauchen wöllen, lieben herren unnd freünd, so greiffet doch die mittel züm erst geflisnesten an, die vor allem von nöten, unnd on welche die anderen kümerlich 91 zü bekomen und wenig erschyeslich 92 sein könden, als do sind: das ir so yn gleicher geferd sind, gleichs sinns, raths und gantz trewens herzens die sach fürnemen, yn welchem man sich alweg des verwegen 93 mus, daß menschen menschen bleyben, welchs dann gott auch so haben will, domit das gantz hertz bey ym bleybe, unnd derhalb zü danck annemen, was man von ynen erlangen kan, dann es eytel gewin ist, quia per se vana salus hominum 94 , unnd sich gar nit yrren lassen, das man nit alles erlangen kan, das wyr billich forderen; sich auch, das unns sölichs beschweret, nit annemen 95 , dann
e-f von solte bis fürzunemen am Rande von Bucers Hand, ersetzt gestrichenes leycht füglichen.
g von Bucers Hand über gestrichenem zübekomen sein wurdt.
h wo oder wie von Bucers Hand am Rande nachgetragen.
79 und ihr selbst der Überzeugung seid, daß ihr in Gefahr schwebt.
80 die Not nicht verhehle (SI IV 1571).
81 woraus der Umstand ersichtlich wird; wodurch es scheinen kann.
82 vergangen (SI II 1318).
83 zu erreichen.
84 daß man in Dingen, über die nicht viele verhandeln müssen, um sie ins Werk zu setzen, jenen eine Vollmacht erteile, die dazu fähig sind.
85 Unterstützung (SI VIII 84f).
86 Die V Orte hatten soeben am 8. Januar 1533 eine Kapitulation mit Mailand abgeschlossen (EA IV/1c 1293-1295); zu ihren Verhandlungen über ein Bündnis mit Papst und Kaisers. oben S. 37, Anm. 5.
87 je weniger da ausdrücklich gesagt würde, wo oder wie, desto mehr würde es die Feinde erschrecken.
88 Gemeint ist eine Klage Zürichs gegen die V Orte im bevorstehenden Gerichtsverfahren über den Mandatstreit.
89 zugunsten der Verzagten (SI V 26).
90 umsichtig, vorsichtig (Grimm IV/I 3 4886).
91 kaum, nur mit Mühe (SI III 289f).
92 nützlich (SI VIII 1397f).
93 darauf gefaßt machen (Grimm XII/I 2154).
94 Vgl. Ps 60, 13.
95 sich nicht darum kümmern (SI IV 740).


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man die leüt alweg weyter bringet, so man sich gegen ynen wol vernügig 96 unnd danckbar erzeyget. Sobald man klaget, meynen die leüt schon, sy haben vergebens gedienet, achten auch alweg yren dienst meer, dan er ist, wollen unverkleynet haben 97 . Lieben brüder, sehen, wie Paulus allein in der anderen zun Corinthern 98 , wiewol mans by ym allenthalb spüret, yn disem stuck 99 so meysterlich haltet. Wie subteyl [!]und lystig straffet er, das zü straffen ware, wie treybt er sye mit lob! Yr seindt güt fromme leüt, die noch der alten einfalt 100 , die etwan bey eüch gewesen, pflegen frey mit eynander zü handlen. Yr sehen aber, wie auch euwer leüt yn dem zü fil hofflich werden, das sy i etwan meer dann ander wöllen, daß k man yne bevor gebe 101 und sye zeitlich füre, wen si gleych gegen anderen vil gröber unnd reüwer sind, dann die alte eynfalt je war. Gedencket, was ym Paulo sye greek greek greek 102 . Wyr müssen nur uff gott sehen unnd von dem alles warten und mit allen leüten, auch den weysesten, ||417r. frömisten, gebrochnisten (dann sy als noch menschen) also wie mit schwachen unnd blöden handlen unnd eytel gewin achten, was wyr by ynen erlangen, das sy sich zun eren Christi geprauchen lossen. Unnd vor allem, lieben brüder, muß man warlich yn disen sachen seer still sein, mit nieman dovon handlen, dann deren man zür sachen noturfftig ist, und so vil man yr noturftig ist. Derhalb melden nieman 103 , handlen yn geheym. Yr wist, das yn allen geferlichen handlen die sach uff wenige kümen müsse: Quare dictatorem creabant Romani? Darumb, was yr an u[nser] h[erren]schreyben wöllendt, richtens an, das etlichen eyn gemeyner befelch geben werde, bey guten freunden rath zü sachen; die selbigen schreybend l dann an unsere geheyme räth, die dreyzehen. Yr wüst je, wan die feind unsere anschläg wissen, wie leicht sey [!] sy brechen mögen. Man staht yn gemeynem anstandt ym reich; dorumb auch von nöten seyn will, alles still und gewarsamlich zü handlen. Man weys, wo des papsts räth hynsehen, was auch gantzen handel gelegen 104 ; noch mus unnd solle man alles glimpfs gefaren 105 unnd sich yn allem erzeygen, das wie wyr in der warheyt nichst [!] dan frid in gott suchen, das uns auch nieman anders zü verdencken ab uns ursach neme 106 . Seyt, lieben brüder, einfältig wie die tauben 107 . Secht einfeltigs hertzens allein uff gottes eer unnd seyn heyliges wort, vergessent allen verlurst, schmach unnd was eüch berüret, seyt doby auch bescheid 108 wie die schlangen 109 , das yr aller ding nichts übersecht oder unversuchet lassen, domit yr an gott und seynen helgen getrüw erfunden werden. Rüffet ymer den herren an, daß er üch brauch zü seynen eeren und gebe, daß wyr ein rüwig, still leben füren 110 yn aller gotsseligkeyt unnd erbarkeit. Unser himlischer vatter wölle euch durch unseren herren Christum füren unnd laiten, rathen unnd helfen zü seynem breys. Amen.
i-k von sy bis daß von Steiners Hand am Rande nachgetragen.
l schreybend von Bucers Hand am Rande nachgetragen.
96 zufrieden (SI IV 701).
97 wollen ihn (ihren Dienst) nicht verkleinert haben.
98 allein schon im zweiten Korintherbrief; vgl. 2Kor 13, 1-10 u. a.
99 in dieser Beziehung.
100 nach, gemäß der alten Einfachheit, Unbefangenheit (SI I 817f)
101 freundlich entgegenkomme (SI II 89).
102 Vgl. Röm 12, 11; Kol 3, 24 u. a.
103 sagt es niemandem.
104 gemeint sein könnte: was in der ganzen Angelegenheit an euch liegt.
105 mit aller Schonung (SI II 625f) verfahren (SI I 885).
106 daß auch niemand durch uns verursacht werde, uns anders zu verdächtigen.
107 Mt 10, 16.
108 klug, verständig (SI VIII 248).
109 Mt 10, 16.
110 Vgl. 1 Thess 4, 11.


Briefe_Vol_03_0046arpa

Dis ist, das wyr by uns unnd anderen guten Christen euch uff dis maal zü schreiben gefunden haben. Mittler zeit wöllen wyr nit schlossen unnd den weg zü allem, das yr begeren, getreulich bereiten, nit alleyn by unns, sunder auch by dem ch[ristlichen] f[ürsten] unnd g[nedigen] herren landtgraven und andren. Wyr wolten auch, yr schriben üwer antigen, wie unns, juncker Curadt Zwicken unnd Tomä Blaurero. Gott gebe gnad. Unnd zweyfflet nit, wyr faren treulich; so fil auch wyr verstandt 111 haben, sind wyr noch aller der hoffnung, wie vor und jetz anzeigt. Das man aber nit schreybet, machet 112 , daß man doher des nit ursach vernimpt, ||417v. do 113 man nechst 114 noch bericht eüer gelegenheyt geforschet hat 115 , item daß man uß erzelten ursach etwas yrr 116 ist unnd nit weys, wem unnd wozü man schreiben sölle, was es frucht bringen möge. Welchs eüch doch nit kleynmütig m machen sölle, dann güter bericht alles handels wirds alles zürecht bringen. Gedencket selb, lieben brüder, wie es bey leüten, die nit eigentlich 117 aller euwer sachen bericht sind, eyn ansehen haben möge, das man der besten und nechsten fründt rath nit doch nür 118 lesen wil, wie zü Baden geschechen 119 . Ja sagt: «Wyr habens keyn bevelch.» Yr möcht gedencken, was man gedencke, etwan es were den leüten leyd, daß sy ein güten raht wüssden. Mein seel, meyn sell [!], es mus yn disen sachen bas umb sich gesehen, besser wort gegeben, alles gehört unnd zü danck angenomen seyn, auch das nichts hilft, oder dem man nit gedencket nachzükomen. Wolan getröst, gott wirds alles gutz machen 120 . Trawet ym nür wol und wachet yn aller demüt und gelassenheyt.

Argentorati n , 14. ianuarii.

Libere scripsi omnia, quare tu pro tua prudentia et diligenti observatione, quid quisque ferre possit, legenda ea exhibeas.

M. Bucerus tuus o .

[Adresse von Bucers Hand auf separatem Blatt 414ar.:] Dem wolgelerten und christlichen prädicanten zu [Zürich], Meyster H[einrich] Bulling[er] [seinem] fürgelie[pten], zu h[anden]p .