Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[1585]

Leo Jud,
Kaspar Megander,
Erasmus Schmid,
Konrad Pellikan,
Theodor Bibliander,
Bullinger
und die übrigen Pfarrer und Lehrer von Zürich an
die Pfarrer, den Bürgermeister, beide Räte und das Volk von Neuenburg
Zürich,
15. November 1541

Zeitgenössische Abschrift von unbekannter Hand: Zürich StA, E II 337a, 337r.-340r.

Sind betrübt darüber, dass der Teufel in der Neuenburger Kirche Zwietracht gesät hat, doch diese kann überwunden werden, wenn alle Beteiligten ihrer Pflicht entsprechend handeln. [1.] An Farel als dem Hirten der Herde Christi ist es, Buße zu predigen und wie Johannes der Täufer die Laster klar beim Namen zu nennen, selbst wenn er damit Hass auf sich zieht, wie es schon Christus und die Apostel vorausgesagt haben. So wie Paulus und Athanasius zunächst gehasst, später aber geliebt wurden, könnte es auch ihm ergehen; vor allem aber um jener willen, die auf ihn hören, soll er in seinem Amt ausharren, für seine Schafe beten und auf sie eingehen, dann wird ihm Christus den Sieg über Satan schenken. [2.] Die Pfarrer werden erkennen, dass das Verbleiben des mit herausragenden Fähigkeiten begabten Farel auch für die übrigen Gemeinden wichtig ist; er hat die Neuenburger Kirche begründet, und wegen seines Ruft wird diese auch in deutschen Landen hoch geschätzt. Die Pfarrer sollen den Streit zwischen ihm und seinen Anklägern vor eine Synode von Pfarrern, Ratsherren und den Besten aus dem Volk bringen und seine Vertreibung nicht zulassen, solange ihm kein Vergehen nachgewiesen wird. Zugleich sollen sie Gott um Beistand bitten und ihre Gemeinden ermahnen, vor allem aber verhindern, dass ein unter ihrer Mitwirkung gewählter Pfarrer seines Amtes beraubt wird. [3.] Der Rat ist - wie einst Jerobeam -aufgefordert, darauf zu hören, was Gott ihm gebietet, und seine Satzungen zu halten [1Kön 11, 38]. Ersteres bedeutet, auf die Prediger zu hören und sie so predigen zu lassen, wie Gott es ihnen gebietet; sonst gilt auch dieser Obrigkeit die Anklage von Jes 30 [9f]. Gottes Satzungen halten bedeutet, die kirchliche Ordnung zu schützen; es ist Aufgabe des Rates, die Pfarrer bei deren Durchsetzung zu unterstützen. Bei der Pfarrwahl soll der Vorschlag von den Pfarrern ausgehen, worauf der Rat oder die Ältesten ihre Zustimmung geben und der Gewählte durch die Vorsteher der ganzen Kirche seiner Gemeinde vorgestellt wird; dies sowie die Einsetzung unter Handauflegung entspricht dem Zeugnis der Apostelgeschichte, dem noch unverdorbenen kanonischen sowie dem kaiserlichen Recht, und so wird es auch in Zürich gehalten; dementsprechend darf auch die Absetzung eines Pfarrers nicht ohne Zustimmung der Pfarrerschaft erfolgen. Der in Neuenburg entstandene Schaden kann behoben werden, wenn der Rat die Angelegenheit pflichtgemäß nach dem Wort Gottes und dem Beispiel der Alten Kirche handhabt. [4.] Das Volk soll bedenken, wie sehr es sich versündigt, wenn es gegen gottgegebene und bewährte Hirten aufbegehrt wie die Väter in der Wüste gegen Mose - auch Christus hat Jerusalem wegen der Verfolgung der Apostel Unheil angedroht -; Undank und Ungehorsam rufen nach Gottes Gericht, und die Verstoßung treuer Lehrer bleibt nicht ohne Folgen für das Volk und die Kirche. Wenn Farel die ihm Anvertrauten in väterlichem Zorn tadelt, sollen sie keinen Anstoß daran nehmen, sondern bedenken, dass der Kirche damit besser gedient ist als mit Schmeichelei. Die Zürcher bitten sie deshalb, ihre Affekte beiseite zu lassen und sich untereinander und mit Farel zu versöhnen [Phil 2, 1-4]. Sie schreiben dies aus Liebe zu ihnen und hoffen, dass Christus sie wieder zur Eintracht führt; auch bitten sie um Fürbitte für die Zürcher Kirche.


Briefe_Vol_11_350arpa

[Gedruckt: CO XI 339-345, Nr. 375; Corr. des réformateurs VII 336-342, Nr. 1066; zusammenfassende Übersetzungen: Pestalozzi 248-250 (deutsch); Bouvier 96-99 (französisch).]