[1469]
Simon Grynäus an
die Pfarrer von Zürich
[Basel,
kurz vor 25. Februar 1541]1
Zeitgenössische Abschrift von unbekannter Hand: Zürich StA, E II 347,
211-234Begründet, weshalb er ihnen nicht einzeln schreiben konnte. Die Tagung [in Worms] blieb so
weit hinter den Erwartungen zurück, dass vor allem mitzuteilen bleibt, was dort nicht geschah.
Bericht über die Ankunft der Gesandtschaften und das verspätete Eintreffen der Präsidenten;
Verzeichnis der Delegierten. Vorbereitende Gespräche der protestantischen Theologen über
Glaube und Werke, Messe, Mönchsgelübde und Papstgewalt. Schwinden der auf Kaiser [Karl
V.] gesetzten Hoffnungen wegen Nachrichten über das in Brabant erlassene Ketzeredikt und
die damit verbundenen Verfolgungen, aber auch wegen der gegen Goslar verhängten Acht.
Verspätete Eröffnung der Tagung am 20. November, Verlesung von Schreiben des Kaisers und
seines Orators [Nicolas Perrenot, Herr von] Granvelle; Stellungnahmen beider Parteien und
Antwort der Präsidenten. Ankunft Granvelles [am 22. November], Verlesung kaiserlicher Briefe
und Rede Granvelles [am 25. November]. Empörung der Protestanten über die Rede und
Beratungen über eine angemessene Antwort; Erläuterung der Umstände, die nur eine gemeinsame
Antwort beider Parteien zuließen. Vorschläge der Präsidenten zur Organisation des
Gesprächs. Kritik am Verfahren, das die Protestanten in die Rolle der Angeklagten versetzte.
Deren Einwände, vor allem gegen das Einstimmigkeitsprinzip; Einreichung der Confessio
Augustana [variata] und der Apologie; Liste der von beiden Seiten für das Gespräch Nominierten.
Antwort der Präsidenten vom 2. Dezember auf die Stellungnahme der Protestanten
vom 28. November. Deren erneute Einwendungen werden großenteils abgelehnt. Weitere Zugeständnisse
der Protestanten und Antwort der Präsidenten vom 3. Dezember; die Protestanten
fügen sich in der Hoffnung auf sofortigen Gesprächsbeginn. Weitere Verzögerung um vier
Tage durch Verhandlungen der Präsidenten mit der Gegenseite und dem kaiserlichen Orator
sowie Abhaltung einer Messe vom HL Geist. Überraschender Auftritt des päpstlichen Nuntius
[Tommaso Campeggio, am 8. Dezember]. Beratungen über eine Antwort an diesen; Ablehnung
einer offiziellen Vertretung des Papstes. Streit um die am 9. Dezember vorgelegte Eidesformel
der Notare. Verlegenheit der Gegner wegen des Entgegenkommens der Protestanten und wegen
Uneinigkeit in den eigenen Reihen, besonders zwischen Johannes Eck und Ambrosius
Pelargus; Vermittlungsbemühungen Granvelles, der die Einmütigkeit der Protestanten rühmt.
Gründe für deren Widerstand gegen die in der Eidesformel vorgesehene Geheimhaltungspflicht.
Stellungnahme Granvelles und der Präsidenten zu den Einwänden der Protestanten;
nach siebentägiger Auseinandersetzung willigen diese trotz Bedenken ein. Nach vermeintlicher
Überwindung aller Hindernisse am 18. Dezember erneute Maßnahmen der Gegner zur Verzögerung
des Gesprächsbeginns: Versuch, evangelische Predigten zu unterbinden; Druck auf
die pfälzischen, brandenburgischen und klevischen Delegierten; Vorschlag, ein privates Gespräch
abzuhalten. Am 26. Dezember Beschwerde der Protestanten wegen offensichtlicher
Aussichtslosigkeit der Bemühungen; die Präsidenten verweisen auf die in Hagenau verabschiedeten
Rahmenbedingungen und schlagen vor, die Mehrheitsmeinung jeder Partei entgegenzunehmen
und an die Gegenseite weiterzuleiten. Die Protestanten bestehen auf offener
Diskussion; Stellungnahmen der protestantischen Räte und Theologen. In ihrer Antwort vom 2.
Januar verlangen die Präsidenten, dass das Gespräch auf zwei Kolloquenten beschränkt werden
soll und dass nur die Ergebnisse protokolliert werden. Ablehnung entsprechender Zugeständnisse
durch die Protestanten am 5. Januar. Antwort der Präsidenten vom 12. Januar;
Zustimmung der Protestanten zur Gesprächsführung durch zwei Kolloquenten. Am 13. Januar
Vereidigung der Notare und Ansetzung des Gesprächsbeginns auf den folgenden Tag. Zusammenfassung
der viertägigen Debatte von Melanchthon [und Eck] über die Erbsünde; die
Einzelheiten des Gesprächs sind noch unveröffentlicht. Versuch Granvelles, die Positionen zur
Deckung zu bringen; Gegensatz zwischen Eck und Pelargus. Zufriedenheit der Protestanten
mit der erreichten Konsensformel; Verwunderung, dass diese überhaupt strittig sein konnte.
Sistierung des Gesprächs durch kaiserliches Mandat am 18. Januar; abruptes Ende des Tagung.
Zusammenfassende Beurteilung: Die Gegner wollten das Gespräch bis zur Ankunft des
Kaisers hinauszögern und die Schuld daran den Protestanten zuschieben. Diese konnten trotz
weitgehender Zugeständnisse nicht erreichen, dass das Gespräch rechtzeitig begann; sie hatten
die Schiedsrichter mit Ausnahme des Pfälzers [Ludwig V.]gegen sich, und der Zeitrahmen
war von Anfang an zu eng gesteckt. Über die privaten Gespräche will Grynäus hier nicht
berichten. Was vom kommenden Reichstag in Regensburg zu erwarten ist, bleibt offen.
[Gedruckt: ADRG II/2 1325-1346.]