Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

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Peter Schnyder an
Bullinger
Laufen ,
28. Juli [1532?]2

Autograph: Zürich StA, E II 375,578. Siegelspur. —Gedruckt: QGTS II 63f

Berichtet über seine Schwierigkeiten mit Täufern und ersucht Bullinger um schriftlichen Rat, wie er sich diesen gegenüber verhalten soll.

Gott der herr hat mir min kilchen bis hie har trulich beschirmpt vor den thuöfferen 3 , frommer herr unnd getrawter 4 bruoder im herren Jesu. Aber sidertt 5 Sant Johans tag, als mich das furkomen 6 , hab ich die all, wib unnd man, beschickt 7 unnd in gegenwürtikeit miner egomeren 8 sy vermant, umb gottes willen unnd us ansehen 9

15 In den Akten des Täufergesprächs wird ein Hottinger nicht namentlich erwähnt. Es ist deshalb nicht genau feststellbar, welches Mitglied der zum Teil täuferisch gesinnten Familie aus Zollikon gemeint ist, möglicherweise der Bauer Jakob Hottinger der Ältere, das Haupt der Gemeinschaft in Zollikon. Dieser gehörte bereits 1523 zu den eifrigsten Anhängern der Reformation und wurde wegen seiner radikalen Ablehnung der Messe bestraft. Am 12. Januar 1525 fiel er Kaspar Megander während der Predigt ins Wort und bestritt die Kindertaufe, am 7. Februar wurde er durch Felix Manz getauft. Hottinger taufte auch selbst. 1525 und 1526 stand er in Zürich dreimal vor Gericht und war eingekerkert, hielt jedoch an seiner Überzeugung fest. Nach längerer Haft «bei Wasser und Brot» versprach er Besserung und wurde entlassen. — Lit.: AZürcherRef, Reg.; QGTS I passim; Fritz Blanke, Brüder in Christo. Die Geschichte der ältesten Täufergemeinde (Zollikon 1525), Zürich (1955). — Zwingli-Bücherei 71, S. 81 und passim; Samuel Geiser, in: ML II 350.
16 Vgl. Adagia, 1,5,58 (LB II 205 C).
17 Zum Beitrag Bullingers und Leo Juds s. Fast 37, bes. Anm. 168.
18 Gemeint sind vielleicht Bullingers Ratschläge zur Disputation mit den Täufern (oben Nr. 102), sein Brief an Bucer (oben Nr. 110), oder das Manuskript seines Kommentars zum Hebräerbrief.
1 Laufen am Rheinfall (Kt. Zürich).
2 Der Brief trägt keine Jahreszahl, doch ist er sicherlich in die Zeit zwischen Bullingers Amtsantritt in Zürich und Schnyders Absetzung in Laufen bzw. dessen Amtsantritt in Aarburg (1536) zu setzen. Nähere Anhaltspunkte ließen sich nicht finden, doch scheint Schnyders Unsicherheit im Verhalten gegenüber dem Täufertum eher für eine Datierung am Anfang der in Frage kommenden Zeitspanne zu sprechen.
3 Täuferische Gruppen waren in der Umgebung von Laufen tatsächlich anzutreffen, vgl. z. B. AZürcherRef 1869 und QGTS I 364-368.
4 vertrauter.
5 seit.
6 als ich das erfuhr.
7 kommen lassen (SI VIII 523).
8 Mitglieder des kirchlichen Sittengerichts, Kirchenpfleger (SI II 304f).
9 Mit Rücksicht auf, aus Respekt vor.


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des mandattz 10 von unseren herren usgangen (das ich inen vorlaß) von irem fürnemen 11 abzeston, das da a ist: sy gond 12 an der thuöfferen predig, stond ze nacht uff von den kinden ab dem bett, luoffend an dan 13 unnd hinweg, gond nit zuo unns ze predig, sagend, unser herren 14 habend nüt zuo inen ze thuon 15 , lib unnd leben wellind sy by dem handel lassen, das die thuöffer recht habind etc. Darby mich ouch enbotten, habind si etwa an mangel an der lere, so sollind si zuo mir komen, welle ich mich fruntlich unnd si mit mir underreden, darmit si abstandind etc. Daruff si geantwortet: Ja, so bald si uß der ernd komind, die yetz inen uff dem halß lig, wellind si mir den tag anzaygen unnd zuo mir komen etc. Als die ernd b uberenkomen 16 , hend sy mir enbotten 17 unnd lassen mercken, welle ich, so seyind si beraitt, vor der gantzen gmaynd mit mir den bericht 18 anzenemen. Daruff ich, frommer bruoder, an verdanck 19 gnomen, dann ich schmock 20 , dass sy die seckt gern meren wettend unnd c so bösfätig 21 , das si mir die sach zetreffen 22 gebind, damit ich einen grosseren unwillen erlange d , unnd weys, wo ich offenlich mit inen nach irem anbringen 23 handlete, das sy schon voran im hertzen hend, bricht nicht anzenemen, sünder ergerß anzerichten.

Dorumb, frommer herr unnd bruoder, wie ich mich mit inen inschicken 24 sölle, beger ich geschrifftlich ewers ratts. Ich darff nit von der pffar komen 25 , argwon ze vermiden, damit ich mich umb der unnd anderer ursachen mit üch beriet, die min ampt berierend. Darumb thuond allwegen als ein trewer bruoder, das will ich ouch thuon, als witt mir gott verstand verlicht, unnd gern das best thuon unnd waß ich möcht erfinden in ratt by uch, das das aller christelichest were, an die hand zenemen mit den luten 26 , das will ich thuon. Dan ich dermassen die menschen so woll beken 27 in der pffar, das guöte wenig beschüst 28 , ruhe 29 nüt helfen will. Mine egomer habend ouch semlichs langest anzaigt dem underwagt 30 , da by ouch gebetten, das er darob sey 31 , das zuo Dachsen 32 ouch egomer verordnet werdind, da sidert winechten 33 keyne gwesen, aber keinen bescheyd hatt der full 34 unnd treg vogt noch nie geben.

Damit sind gott dem herren trulich empfolet. Amen.

Datum Luoffen, 28 iulii.

Petrus Frick,

uwer williger bruoder im herren Jesu.

a nach da gestrichen wast.
b in der Vorlage irrtümlich erd.
c-d Von unnd bis erlange am Rande nachgetragen.
10 Um welches Mandat es sich handelt, ist nicht sicher. Vgl. aber das große Sittenmandat vom 26. März 1530 (AZürcherRef 1656) und das Mandat vom März 1532 (ebenda 1832).
11 Verhalten.
12 gehen.
13 fort (SI XIII 93).
14 die Zürcher Obrigkeit.
15 hätten ihnen nichts zu befehlen.
16 vorbei war (SI III 272).
17 sagen lassen (SI IV 1869).
18 Schlichtung, Unterrichtung (SI VI 321f).
19 Bedenkzeit (SI XIII 616).
20 rieche, wittere.
21 listig, tückisch (SI I 1134).
22 daß sie mir diese Sache zuschieben.
23 Vorschlag.
24 verhalten.
25 ich darf nicht von der Pfarrgemeinde weggehen.
26 Leuten.
27 so gut kenne.
28 fruchtet, nützt (SI VIII 1414).
29 Strenge (SI VI 189f).
30 Untervogt; unbekannt.
31 dafür sorge.
32 Dorf im Bezirk Andelfingen, das kirchlich zu Laufen gehörte (s. HBLS II 660).
33 Weihnachten.
34 faule.


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[Adresse auf der Rückseite:] Minem getrawten lieben herren unnd bruoder, M. Heinrichen Bullinger zuo Zurich.