Name: Johann der Jüngere von Nassau Siegen,
| geb. 29. Septbr. 1583,
Sohn Johann des Mittleren und der Magdalena von Waldeck. Er empfing
eine sorgfältige Erziehung und Ausbildung zu Herborn , auf der Ritterschule in
Kassel und zu Genf, ging dann der Sitte seiner Zeit entsprechend nach Frankreich
und Italien auf Reisen, die nicht ohne abenteuerliche Zufälle verliefen.
So gerieth er z. B. infolge einer Verwechselung zu Neapel in Gefangenschaft,
aus der ihm die Befreiung erst auf die Fürbitte des Papstes Clemens VIII. gelang. |
Nach der Rückkehr bewegte er sich an den Höfen zu Kassel und Ansbach.
1605 geht er gemäss den Traditionen seiner Familie in die Niederlande, um
dort Kriegsdienste anzunehmen (bis 1611). Im J. 1612 ist er zum zweiten
Male in Italien und tritt hier zum Katholicismus über. Ernste sowie bittende
Abmahnungen des eifrig reformirten Vaters hatten die gewünschte Umkehr von
diesem Schritte nicht zur Folge, da er , wie er Versicherte und in ausführlichen
Briefen auseinandersetzte, aus innerster Ueberzeugung convertirt hatte. 1614
begegnen wir J., welcher unterdessen die Würde eines kaiserlichen Kammerherrn
erlangt hatte — offenbar in Anerkennung seines Uebertrittes — im
Heere des Herzogs Karl Emanuel von Savoyen gegen die Spanier, 1615 in
Frankreich thätig als Diplomat, 1617 am Hofe der Infantin Elisabeth Klara
Eugenie von Spanien, die ihn, namentlich durch zarte Bande , die sie zwischen
ihm und der Prinzessin Ernestine von Ligne-Aremberg, der Tochter eines streng
katholischen und kaiserlich gesinnten Hauses, zu schlingen bemüht war, in
spanisch-niederländische Dienste herüberzuziehen suchte. Johann der Mittlere berief
deshalb den Sohn zurück, da er diese der Politik der Oranier doch allzu
schroff widersprechenden Pläne gewahr werden mochte. Dem im J. 1607
zwischen den Söhnen Johann des Aelteren vereinbarten Erbverträge zufolge
hatte J. durch seinen Uebertritt zum Katholicismus der Succession sich verlustig
gemacht, sein Vater war aber mildgesinnt genug , um ihm dieselbe trotzdem zuzusichern
gegen Ausstellung eines Reverses (31. Decbr. 1617), in welchem J.
versprechen mußte, in seinem Lande dereinst an der daselbst bestehenden reformirten
Confession nichts zu ändern. 1618 trat J. aber doch wirklich in
spanische Kriegsdienste und heirathete die genannte Prinzessin. 1620 ist
er im Heere Spinola's und führt zugleich von den Rheingegenden in dem Auftrage
dieses Generals ein Heer nach den Niederlanden, besucht bei dieser Gelegenheit
seinen greisen Vater in Siegen und verschafft dem Lande desselben Erleichterungen,
wie er auch 1622 durch seine Bitten bei Tilly die Verschonung des
Siegener Landes von den so überaus drückenden Einquartierungen zu erreichen
verstand. Am 27. Septbr. 1623 starb Johann der Mittlere. Er hatte vorher
noch (1621) ein Testament verfaßt, demzufolge J. mit seinen Brüdern Wilhelm
und Johann Moritz theilen sollte, indem er Johanns Succession überhaupt
ausdrücklich nur mit Rücksicht auf den angeführten Revers verstattete. Noch bei
der Huldigung (Januar 1624) versprach J. seinen Unterthanen Alles, was dieselben
in Hinsicht aus die Erhaltung ihrer Religion zu beruhigen vermochte,
aber schon in dem nämlichen Jahre widerrief er den Revers, und nun begann
er, von seiner Gemahlin und dem Päpstlichen Nuntius am Wiener Hofe Caraffa
berathen und geleitet, energisch die Gegenreformation im Lande Siegen, welche
nicht ohne Bedrückungen von statten ging , sowie 1626 'um Erlaß eines harten
und der Begründung einer Jesuitenniederlassung in Siegen
führte. Unterdessen war J. von Neuem bei der Infantin von Spanien gewesen
(1625) und 1626 war er wieder als kaiserlicher Heerführer in voller
kriegerischer Thätigkeit. Durch diese dem Kaiserhause und der katholischen Sache
geleisteten Dienste erwarb er sich schon 1623 den Rang eines Hofkriegsrathes
und 1628 den eines kaiserlichen Feldmarschalls, ja erreichte sogar, daß ihm
(1628) vom Kaiser die sämmtlichen stegen'schen Lande zugesprochen wurden,
wodurch er also seine im Dienste der Generalstaaten von ihren Ländern entfernt
gehaltenen Brüder ihres Erbes zu berauben gedachte. Zugleich empfing er die
Anwartschaft auf die den ihm nahe verwandten Grafen von Nassau. Hadamar
und Nassau-Dillenburg wegen Erfüllung ihrer dem Pfalzgrafen schuldigen Lehnsverbindlichkeiten
abgesprochenen Territorien , was jedoch ohne Erfolg blieb , da
Johann Ludwig von Nassau-Hadamar durch seinen eigenen Uebertritt zur katholischen
Religion diese Gefahr von sich und seinem Hause abzuwenden wußte.
1629 und 1630 befindet sich J. wiederum mitten im Kriegsgetümmel, erfuhr
aber die Ungunst des wandelbaren Kriegsglückes. denn er wurde bei Rheinbergen
von den Holländern geschlagen, schwer verwundet und zu Wesel in Gefangenschaft
gehalten, woraus ihn ein schweres Lösegeld befreite. 1630 wurde er
Ritter des goldenen Vließes, 1631 General der Kavallerie im Dienste der Krone
Spanien. 1632 gelang es Johanns Bruder, dem heldenhaften, vielgerühmten
Johann Moritz von Nassau-Siegen, den ihm widerrechtlich genommenen Besitz
von Siegen zurückzuerlangen, wodurch den wegen ihrer Religion hart bedrängten
Einwohnern dieses Landes, wenn auch nur vorübergehend, eine glücklichere Zeit
zu Theil wurde: denn im J. 1636 mit dem Wiederaufleuchten des Glückssternes
für die kaiserliche Partei gelangte J. wieder zum Besitze und wiederum
begann dann dort in der gewaltthätigsten Weise die Gegenreformation. Und
auch nach einer anderen Richtung hin lächelte dem Grafen wieder das Glück;
die nassauischen Grafen des Walramischen Stammes waren wegen ihrer Theilnahme
für die protestantische Sache und ihrer Annäherung an den König Gustav Adolf
von Schweden verjagt und ihrer Lande verlustig erklärt worden und da gelang
es unserem J. und dem Grafen Johann Ludwig von Nassau-Hadamar, von dem
Kaiser den Besitz der usingischen Territorien gemeinschaftlich zugesprochen zu erhalten.
Nachdem er noch 1638 in dem glücklichen Treffen bei St. Omer gegen
die Franzosen das Commando geführt, fiel er einer tückischen Krankheit anheim,
welcher er am 17. Juli 1638 zu Renaix erlag. Er hinterließ das siegener
Land seiner Wittwe Ernestine und dem mit ihr erzielten Sohne Johann Franz
Desideratus, welche in seinem Sinne fortregierten, bis im Jahre 1649 das im J.
1621 errichtete Testament Johann des Mittleren durch kaiserliche Sentenz als
maßgebend erklärt wurde, wodurch Theilung eintrat und auf diese Weise die
beiden Linien Nassau-Siegen, katholisch und reformirt, entstanden, von denen die
letztere 1734 mit Friedrich Wilhelm und die erstere 1743 mit Wilhelm Hyacinth
ihren Beschluß fanden, worauf die oranische Linie diesen Länderbesitz unter
ihr mildes und weises Scepter brachte.C. H. v. Rauschard, Nassauische Geschlechtstafel des Ottonischen Stammes,
1789 , Mscr. Fr. W. Cuno , Geschichte der Stadt Siegen, 1872. E. F.
Keller, Drangsale des Nass. Volkes, 1854.
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