Projektseite Wieland's Sämtliche Werke © arpa data gmbh
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C. M. Wieland's Werke.

Zehnter Band.

Vorbericht.

Neben der berühmten Wartburg bei Eisenach stand vor Zeiten eine Burg, die (nach einigen Chroniken) schon in der Mitte des fünften Jahrhunderts von einem von Frankenstein erbaut, siebenhundert Jahre darauf von der Herzogin Sophia von Brabant, während ihrer Händel mit dem Markgrafen von Meißen, Heinrich dem Erlauchten, wieder aus den Ruinen gezogen worden, nun aber nur noch wenige Spuren ihres ehemaligen Daseyns aufzuweisen hat. Diese Burg hieß der Mittelstein, woraus der Name Mädelstein entstanden, den der Berg noch heutiges Tages in der Gegend führt. Auf diesem Mädelstein ragen zwei Felsenspitzen hervor, die von ferne, und wenn die Einbildungskraft das Ihrige beiträgt, wie zwei sich umarmende menschliche Figuren aussehen. Das gemeine Volk glaubte vor Zeiten (und glaubt vielleicht noch), diese zwei Steine seyen ein Mönch und eine Nonne gewesen, die aus wechselseitiger Liebe dem Kloster entsprungen und sich auf diesen Berg geflüchtet, daselbst aber, zur Strafe ihres Verbrechens und Andern

ihres Gleichen zum abscheulichen Exempel, in dem Augenblicke, da sie sich umarmen wollen, in Stein verwandelt worden seyen. Diese alte Sage konnte vielleicht zu nichts Besserm dienen, als daß sie die Entstehung des gegenwärtigen Gedichts veranlaßte. Die damit vorgenommenen Veränderungen bedürfen keiner Rechtfertigung. Von der Fabel selbst aber kann, wer Lust hat, in Limperts lebendem und schwebendem Eisenach das Mehrere lesen.