C. M. Wieland's Werke.
Zehnter Band.
Die erste Liebe.
An Psyche.
Im Jahre 1774.
Die Quelle der Vergessenheit, Aus welcher in der Fabelzeit Die frommen Schatten sich betranken Und dann, vom Los der Sterblichkeit, Von Sorgen und von Nachtgedanken, Von langer Weil' und Zwang befreit, In sel'ger Wonnetrunkenheit Hin auf Elysiens Rosen sanken: Was meinst du, Freundin, was sie war? Dein Beispiel macht die Sache klar; Du kennst nun Amors Wundertriebe; Von diesem Lethe sehen wir Die klaren Wirkungen an dir: Dieß Zauberwasser ist — die Liebe. |
Ein Tröpfchen, sey es noch so klein, In Unschuld züchtiglich hinein Geschlürft aus Amors Nektarbecher, Thut Alles dieß! Was wird geschehn, Wenn unerfahrne junge Zecher Im Trinken gar sich übersehn? |
Das süße Gift! es schleicht die Kehle So sanft hinab! — Was Wunder auch, Wenn eine wonnetrunkne Seele |
Du staunst mich an? — O! um die Dichterköpfe! Fi! wie mir der Faununculus (Das ungleichartigste Geschöpfe Mit Amorn, der von einem Kuß Zehn Jahre lebt), da ich ein Gleichniß brauche, Just in die Quere laufen muß! Das närr'sche kleine Ding mit seinem ersten Schlauche! Allein so geht's uns armen Reimern gern, Nicht immer bleiben wir des Flügelpferdchens Herrn! Bald übermeistert uns die Laune, Bald gar der Reim. Wer sieht den Abstand nicht Vom Gott der Zärtlichkeit zum Faune! Allein den Reim, die Laune ficht Dieß wenig an; sie wechseln oder paaren, Nach Willkür und Gemächlichkeit, Oft Dinge, die, seitdem den Elementenstreit Ein Gott entschied, noch nie gepaart gewesen waren: Die Laune holt zur feinsten Ironie Den Stoff vom — Vorgebirg der Rasen; Und läßt der Reim nicht ohne Müh Den Hasen bei Delphinen grasen? |
Doch, so wie auch ein Thor einmal was Kluges spricht, So reimte dieses Mal der Reim so übel nicht: Denn etwas, gutes Kind, ist, leider! an der Sache. |
Denn, sprich mit Offenherzigkeit, Wo sind sie hin, die Bilder jener Zeit, Als, an der besten Mutter Seite, Wir, wie die guten frommen Leute Der alten goldnen Schäferzeit, In sel'ger Abgeschiedenheit Von Hof und Welt, gleich Geßners Hirten, Im Schatten junger Pappeln irrten? — Die, weil sie Panthea mit eigner Hand gepflanzt, In unsern Augen schöner waren, Als Tempe, wo mit losgebundnen Haaren Um Daphnens Stamm die Nymphe tanzt. Sprich, war in seinen Schäferjahren Apollo glücklicher, als ich? Auch dich, Psycharion, auch dich Schien unsre Freundschaft zu beglücken; Ein sanftes, geistiges Entzücken In deinem Lächeln, deinen Blicken Schien der geschwisterlichen Schaar, Die durch dein Anschaun glücklich war, |
O gute Psyche, welch ein Leben, Hätt' ihm ein günstiges Geschick Ein wenig Dauer nur gegeben! Denn, ach! es war ein Augenblick! Der Mond ging auf, der Störer unsrer Freuden, Der Amorn oft die Zeit zu lange macht: Uns kam er stets zu früh' — er kam, um uns zu scheiden! Vergebens hofften wir den Flug der braunen Nacht Durch unsre Wünsche aufzuhalten: Wir wurden im Olymp, wie billig, ausgelacht; Die Götter sparen ihre Macht; Kurz, Phöbus ging zur Ruh', und Alles blieb beim Alten. Was war zu thun? Geschieden mußt' es seyn! Ein traurig Lebewohl erstarb auf jedem Munde, Noch diesen letzten Blick! — Da bin ich nun allein Und stehe noch, mit offnem Aug' und Munde. Als wurzelt' ich in zauberischem Grunde, Wie ein gebannter Ritter, ein. |
Nicht wahr, an Alles dieß erinnerst du dich kaum, Vielleicht, wie man von einem Morgentraum Die schnell zerfließenden Gestalten Vergebens sich bestrebet fest zu halten? Vergessen ist im Arm des neuen Agathon Der gute Psammis-Danischmende; Die Götterchen von Paphos sehn mit Hohn |
Die Wahrheit, Freundin, ist, daß der Von Liebe gar nichts wissen müßte, Der in dieß Wunderwerk sich nicht zu finden wüßte. Die erste Liebe wirkt dieß Alles und noch mehr. Mit ihrem ersten süßen Beben Beginnt für uns ein neues bess'res Leben. So sehen wir im Lenz der Sommervögel Heer Auf jungen Flügeln sich erheben: Gleich ihnen, sind wir nun nicht mehr Die Erdenkinder von vorher; Wir athmen Himmelslüfte, schweben Wie Geister, ohne Leib, einher In einem Ocean von Wonne; Bestrahlt von einer schönern Sonne, Blüht eine schönere Natur Rings um uns auf; der Wald, die Flur, So däucht uns, theilten unsre Triebe; Und Alles haucht den Geist der Liebe. |
O Zauberei der ersten Liebe! Noch jetzt, da schon zum Abend sich Mein Leben neigt, beglückst du mich! Noch denk' ich mit Eurolügen dich, |
Von diesem Augenblick nimmt sie als Siegerin Besitz von unserm ganzen Wesen: Wir sehn und hören nun mit einem andern Sinn; Die Dinge sind nicht mehr, was sie zuvor gewesen. Die ganze Schöpfung ist die Blende nur, worin Die Göttin glänzt, die Wolk', auf der sie schwebet, Der Schattengrund, der ihren Reiz erhebet, Ihr huldigt jeder Kreis der lebenden Natur; Ihr schmücken sich die Hecken und die Bäume Mit jungem Laub, mit Blumen Thal und Flur; Ihr singt die Nachtigall, und Bäche murmeln nur |
Sie träumt — Ein süßes Lächeln schwebt Um ihren röthern Mund, um ihre vollern Wangen: O! wär' es zärtliches Verlangen, Was den verschönten Busen hebt! O! träumte sie — (so klopft mit ängstlicher Begier Des Jünglings Herz) o, träumte sie von mir! O Amor, sey der blöden Hoffnung günstig! |
Er nähert furchtsam sich, und selbst der keusche Blick Besorgt, zu kühn zu seyn, und bebt von ihr zurück. Doch Amor gibt ihm Muth, die Dämmrung ist so günstig, Und, o, wie schön ist sie! — Verloren im Genuß Des Anschauns steht er eine Weile So steinern da, wie eine Marmorsäule. Wie selig er sich fühlen muß! Den Göttern gleich zu seyn, was fehlt ihm noch? — in Kuß, Ein einz'ger unbemerkter Kuß, Wie Zephyr küßt, auf ihre sanfte — Stirne. Der höchste Wunsch, den seine Liebe wagt! Und auch dieß Wenige, so viel für ihn! versagt Sein Zaudern ihm. Denn, eh sein Mund es wagt, Reibt Chloe schon den Schlummer von der Stirne. Sie schlägt die Augen auf. Bestürzung, Zärtlichkeit Und holde Scham, in zweifelhaftem Streit, |
Schon sinkt des Himmels Auge zu, Schon liegt die Welt in allgemeinem Schlummer, Und er, versenkt in seinen Kummer, Er wird es nicht gewahr. Die Ruh Flieht, Aermster, deine Brust, und deine Augenlider Der süße Schlaf! Der Abend weicht der Nacht, Die schöne Nacht dem schönern Morgen wieder, (Für dich nicht schön!) und du, an Chloens Bild Geheftet, ganz von ihr und deinem Schmerz erfüllt, Bemerkt es nicht! und doch, bei allein seinem Leiden, Liebt er die Quelle seiner Pein: Er nähme nicht der Götter Freuden, Von seinem Wahn geheilt zu seyn! |
Doch welche Wonne, welche Freuden Erwarten, sanfter Jüngling, dich, Wenn sie, — die alle deine Leiden Mit dir getheilt und, wenn bei deinem Anblick sich Oft eine Thrän' aus ihrem Auge schlich, Kaum Muth genug sich wegzuwenden hatte, — |
Vergib, Psycharion — Bei diesem Bild' entfällt Der Pinsel meiner Hand! —Nehmt ihn, ihr Huldgöttinnen, Euch weih' ich ihn! und aufgestellt In eurem Heiligthum, geliebte Charitinnen, Sey euch zum Preis das unvollend'te Bild! Von eurem Schleier sey's verhüllt Dem Faunenblick des Sklaven seiner Sinnen, Dem unbegreiflich ist, wie man Mit Amors Dienst den euren paaren kann; Der Flammen, die bei ihm nur in den Adern rinnen, Vom Schlauch Silens entlehnt, Und die Empfindungen verfeinter innrer Sinnen In feilen Armen höhnt. |
Verachte, Psyche, der Bacchanten Und Satyrn Hohn! Geneuß der sel'gen Schwärmerei, Des goldnen Traums, der uns zu Anverwandten Der Götter macht! Laß kalte Dykophanten Beweisen, daß er Täuschung sey, Und glaube du, Glückselige, der Stimme Des Engels, der in deinem Busen wohnt! Neu ist die Wonne dir, womit uns Amor lohnt; |
Du bist beglückt, — und ich — vergessen! Es sey! — Die Freundschaft eifert nicht. Noch tanzt das magische Gesicht Um deine Stirne, noch ist Alles eitel Licht Und Himmel um dich her, noch fließet ungemessen, Gleich dem unendlichen Moment der Ewigkeit, Die Zeit der süßen Trunkenheit — O Psyche, auch für mich war einst so eine Zeit! Was hätt' ich damals nicht vergessen, Als ich in dem Bezaubrungsstand, Worin du bist, mit Doris mich befand; Und — wenn ich ihr, so früh' es immer tagte, Bis unbemerkt der letzte Strahl verschwand, Das ew'ge Einerlei, das ich für sie empfand, Stets neu auf tausend Arten sagte — Den längsten Tag zu kurz, es ihr zu sagen, fand! |
O Wonnetage, gleich den Stunden, In ihrem Anschaun zugebracht! O Wochen, gleich dem Traum in einer Sommernacht! Geliebter Traum! der, längst verschwunden, Noch durch Erinnrung glücklich macht! |
Sie welkt dahin, des Lebens Blumenzeit! Ein ew'ger Frühling blüht allein im Feenlande; Und Amors reinste Seligkeit Bringt uns zu nah dem Götterstande, Um dauerhaft zu seyn. Wie selten ist das Glück, Das deine Liebe krönt, Psycharion! wie selten Erhört das neidische Geschick Der ersten Liebe Wunsch! Wir gäben Thronen, Welten, In ihrem Rausch, um eine Hütte hin; Ein Hüttchen nur, im Land der Geßnerischen Hirten, Just groß genug, um uns und unsre Schäferin, Die Grazien und Amorn zu bewirthen. Sie wüchsen von sich selbst, im Schutz des guten Pans, Die Bäume, die, indem sie sorglos küßten, Uns Müßiggänger nähren müßten! Wie selig! — Aber Zeus lacht des verliebten Wahns. |
Doch, Freundin! setzen wir den seltensten der Fälle; (Denn selbst die Königin der Amorn sah sich nie |
Daß übrigens euch in der stolzen Ruh Des schönen Irrthums nicht die Prophezeiung störe! Gesetzt, der Ausgang sagt' ihr zu — Uns anderm Erdenvolk' ist's immer sehr viel Ehre, Daß uns ein Mann wie er, ein Weib wie du, So bald als möglich angehöre. Der Menschenstand, den Doctor Mandevil Und Freund Hans Jack (wenn ihn die Laun', auf Vieren Zu gehn, ergreift) bei uns verkleinern will, Hat seinen Werth; und unter allen Thieren (Die Kaffern nehm' ich aus) ist, wie ein weiser Mann Vorlängst gesagt, nicht eines anzuführen, Das sich an Tugenden mit uns vergleichen kann; Vorausgesetzt, daß Amor mit den Musen Und Grazien die letzte Hand An uns gelegt! — Denn, in dem rohen Stand, Worin an Mutter Isis Busen Die meisten hangen, geb' ich zu, Daß mir ein hübscher Sapaju, Der Sperling Lesbiens, ein Täubchen aus Cythere Und Gressets Papagay zum Umgang lieber wäre. |
Dir, Schwesterchen, und deinem künft'gen Mann, Begünstigt, wie ihr seyd, von Grazien und Musen, Steht ganz gewiß die schöne Menschheit an, Zu welcher, wie das Nektarräuschchen schwindet, |