C. M. Wieland's Werke.
Zehnter Band.
Kombabus.
Die Tugend ist, wenn wir die alten Weisen fragen, Ich weiß nicht was — Laßt's euch von ihnen selber sagen! Dem einen Kunst, dem andern Wissenschaft, Dem ein Naturgeschenk, dem eine Wunderkraft; Der Weg zu Gott, nach Zoroasters Lehren; Der Weg ins Nichts, nach Xekia's Chimären. Sie ist, spricht Pyrrho, was ihr wollt; Und mir, schwört Seneca, noch theurer — als mein Gold; Sie ist der wahre Stein der Weisen, Macht einen Irus reich, macht schwere Ketten von Eisen Wie Blumenketten leicht und (was kaum Circe kann) Den Krates zum Adon, Diogenes zum König! — Doch wohl im Traume nur, ruft Spötter Lucian. Der Weise von Stagyr setzt seinen Cirkel an: "Zieht (spricht er) mitten durch zu viel und durch zu wenig Die Linie A B, so scharf und so gerad' Ihr immer könnt! — sie ist der nächste Pfad Zu ihrem Zauberschloß! nur hütet euch vorm Fallen!" |
Herr Doctor (ruft der Mann, der Alexandern bat, Ihm aus dem Licht zu gehn), den mögt Ihr selber wallen! Ich danke meines Orts! Wir schlendern, wo Natur |
Getroffen! (singt, berauscht von junger Nymphen Kuß Und altem Wein, der Weise von Cyrene) Die Tugend lieb' ich sehr! Sie ist die gefälligste Schöne, Und wer sie finster malt, der ist mein Maler nicht! Sie macht uns Vergnügen und Freude zur Pflicht Und deckt den Lebensweg mit Rosen — Falsch, falsch! (ruft Prodikus) das wär' ein feiner Weg, Uns in den Labyrinth zu führen, Worin (zumal berauscht) die Klügsten sich verlieren! Im Gegentheil, es ist ein schmaler, rauher Steg, Voll starrer Hecken ohne Rosen: Wer's anders sagt, der kennt die Wege schlecht! |
Genug, genug, ihr Virtuosen! Ihr habt vielleicht auf einmal alle Recht; Nur, darf ich bitten, kein Gezänke! Der große Punkt, worin wir alle, wie ich denke, Zusammentreffen, ist: Ein echter Biedermann Zeigt seine Theorie im Leben. So schön und gut sie immer heißen kann, So wollt' ich keine Nuß um eure Tugend geben, Wofern sie euch im Kopfe sitzt. Warum, laßt euch den Oheim Toby sagen Und Trim, den Corporal! — Für jetzt Sey mir (mit allem Respect vor euren Bärten, Kragen, |
Ein König, der den Antilibanus Vordem beherrscht', und dessen Name Uns nichts verschlägt, — (genug es war ein Nam' in us) Besaß ein seltnes Glück — in seiner ehlichen Dame Cytherens Jugend und Reiz, mit strenger Tugend vereint, Und ein noch seltnere, — einen Freund. |
Ein König einen Freund? Den kann kein König haben, Sagt dort Diogenes zu Philipps großem Sohn: Allein der unsre macht hiervon, Zu seinem Glück, die Ausnahm' in Kombaben. |
Schön, wie gesagt, und gut war seine Königin, Im ersten Jugendglanz schon weise Und zärtlich überdieß wie eine Schäferin; Auch sehr devot, wie dessen zum Beweise Euch ein Gelübde dient, wodurch sie sich zur Reise In ein entlegnen Reich verband, Der Göttin, die ins Joch der heil'gen Eh' uns spannt, Der Schützerin (doch nicht dem Muster) guter Frauen Den schönsten Tempel aufzubauen. |
Der König, ob er wohl nicht von den jüngsten war, Fand dieß Gelübd' ein wenig sonderbar. Er gab ihr höflich zu verstehen, |
Der König stellt ihr zwar noch manchen Grund entgegen, Worauf nicht viel zu sagen war; Auch setzte sich die Dame der Gefahr Nicht aus, ihn schwach zu widerlegen: Sie hatt' ein Mittel bei der Hand, Das jede schöne Frau noch immer kräftig fand, Die männliche Vernunft zum Schweigen zu vermögen; Sie wurde krank. Der erste Leibarzt that Mit allen seinem Amt zuständigen Grimassen Den Ausspruch und bewies aus seinem Hippokrat, Man müsse sie, da sey kein andrer Rath, In Junons Namen reisen lassen. |
Ein Mann, und sollt' er zehnmal König seyn, Kann, wie ihr wißt, in solchen Fällen Nichts Bessers thun, als sich ein wenig blind zu stellen, Und gibt mit guter Art sich, wenn er klug ist, drein. Der unsre spielt für einen König (Die Herren seiner Art geniren sonst sich wenig) Die äußre Rolle ziemlich gut; Doch innerlich war ihm nicht wohl dabei zu Muth. |
Zu viel Erfahrenheit ist ihrem Eigenthümer Oft hinderlich, zum mindsten an der Ruh'. Ein weiser Mann von sechzig zweifelt immer, Traut wenig eurer Weisheit zu Und eurer Tugend nichts: — und wahrlich desto schlimmer Für euch und ihn! — Der gute König sitzt, Indem er mit der rechten Hand die Stirne Ganz sanft sich reibt, auf seinen Arm gestützt In seinem Sorgestuhl. Sein königlich Gehirne Arbeitet (eine Müh, die es sich selten gab!) Ein Mittel aus, sich Ruhe zu verschaffen. Der Günstling selbst aus seinen Kammer-Affen Lockt keinen Blick durch seinen Scherz ihm ab. Auf einmal ruft er einem Knaben Im Vorgemach: Man hole mir Kombaben! Kombab, sein Freund, ein junger Mann zwar noch Und schöner als Narciß, jedoch, Trotz allen Lockungen der Schönheit und der Jugend, Ein junger Mann von oft bewährter Tugend, Kombab, so denkt er, kann in diesem Fall allein Der Schutzgeist seiner Ruh' und ihrer Ehre seyn! |
Kombab erscheint, und, ohne daß wir's sagen, Errathet ihr, was ihm der König aufgetragen. Der arme Liebling stand, wie angedonnert, da |
"Ich muß mich von Abarten trennen; Zwei lange Jahre, Freund! — Wie dieser Augen Licht, Du weißt es, lieb' ich sie und muß mich von ihr trennen! Wem sollt' ich denn, da mich die Königspflicht Zurück zu bleiben zwingt, sie anvertrauen können Als meinem treuen Freund Kombab? — Auf deine Seele wälzt mein unbegränzt Vertrauen Die schwerste meiner Sorgen ab; Dir übergeb' ich sie, die beste aller Frauen! Sey ihr Beschützer, Freund und Rath Und nimm, für deine Treu zum Lohne, Wenn du zurück sie bringst, die Hälfte meiner Krone." |
Nun sagt, was konnt' er thun —als was er schweigend that? Sich tief bis auf den Boden bücken Und unvermögend seyn, sein dankbares Entzücken Mit Worten sattsam auszudrücken, Versprechen, schwören, — kurz, was jeder Günstling muß, Mit Lächeln heuchlerisch des Herzens Kummer schminken Und fliegen, wie Mercurius, Wenn Zeus beschlossen hat, in goldnem Regenguß In einer Nymphe Schooß zu sinken. |
Kombab entfernet sich. — Wir schleichen sachte nach, Zu hören, wie in seinem Cabinete Der arme Mann sich mit sich selbst besprach. |
Hier unterbrachen Thränenfluten Den Monolog! und da er ausgeweint: "Mein König (fuhr er fort), mein König und mein Freund, Was thät' ich nicht für dich! — Mein Leben auszubluten In diesem Augenblick, wär' eine Kleinigkeit! Mit Freuden! — Aber, ach! die Tugend mit dem Leben Zugleich für dich auf einmal hinzugeben, Das ist zu viel!" — Hier wird er wieder stumm. |
"Doch wie? (so denkt er fort) wenn ich zu schüchtern wäre? Ich kenne mich, ich bin ein Mann von Ehre, Und Tugend liebt' ich stets — Warum Mir selbst so wenig zuzutrauen? Gut! — aber auch der Königin? Sie ist ja wohl die beste aller Frauen, Ist fromm und keusch wie eine Priesterin; Doch immer — eine Frau und eine Königin; Hat Fleisch und Blut wie andre junge Schönen Und wird sich, sind nur erst drei bis vier Monden hin, Von Hymens Trost nicht ohne Müh' entwöhnen. Ein junges Weib, Kombab, und eine Königin! Den Fall gesetzt! wie willst du dich betragen? Verhüten willst du ihn! — Sehr wohl! Allein, gesetzt, |
Und nun, setzt euch an seine Stell', Ihr Epikteten, ihr Sokraten, Und wie ihr Alle heißt! was ist dem Mann zu rathen? Was thätet ihr? Setzt euch an seine Stell', Und sprecht! — Don Robert Abrissel, Wir wissen's, war bei weitem nicht so schüchtern. Was wir berauscht nicht wagten, wagt' er nüchtern, Und merket wohl, er war kein Maleficiat. "Was that denn Robert?" — Was er that? Man spricht nicht gern davon; doch könnt ihr Baylen fragen. Genug, Kombab, der nur ein armer Syrer war Und doch, erlaubet mir's zu sagen, Die Tugend liebte, gab nicht gern sich in Gefahr; Und in der That, nicht Alle dürfen wagen, Was Kinderspiel für Bruder Robert war. |
Ich scherze nicht; ihr Virtuosen, rathet! Ihr seht Kombabs Verlegenheit. Vergeßt jetzt — was ihr selber thatet, (Wer zweifelt, daß ihr Menschen seyd?) Sagt nur, was soll in seiner Lage Kombabus thun, um außer Furcht zu seyn, Im schwächsten Augenblick von einem schwarzen Tage Nicht Keuschheit, Treu' und Freundschaft zu entweihn? Die Frage, glaubet mir, ist keine leichte Frage! |
Fliehn soll er, ist der Rath des Klügsten unter euch; Der Tugend Streit mit Liebe, Lust und Jugend Ist, ihr gesteht's, zu wenig gleich; "Die Flucht allein gewährt uns unsre Tugend." Gut, das ist leicht gesagt: doch, wär's auch leicht gethan, Zum Unglück schlägt der Rath in unserm Fall nicht an. Dem armen Mann verwehrt die Pflicht zu fliehen, Verwehrt die Treu für seinen Freund und Herrn Sich dem gefährlichen Beruf (so gern Er ihn verbäte) zu entziehen. Er muß! — Wohl, ruft aus einem Mund Der Casuisten Chor, — so mach' er einen Bund Mit seinen Augen und wag's! —Auch das ist schön zum Sagen Allein Kombab, der sich vermuthlich fühlt' Und nichts auf Wagespiele hielt, Kann auch die Möglichkeit des Fallens nicht ertragen. Am schwankenden Erfolg von einem Augenblick Hängt seine Ruh, sein Ruhm, sein ganzes Glück, Sein Leben selbst; denn freilich, wenn er fiele, |
Allein, gesetzt auch, daß um sie Der Liebesgott die dickste Wolke zieh', Ihr Glück so lang' als ihre Flamme daure, Und Argus selbst vergebens sie belaure: So lauscht ein Zeuge, den er nicht Betrügen kann, in seinem Busen. Ihn schreckte weniger das tödtende Gesicht Der schlangenhaarigen Medusen! Was hälf' es ihm, die Welt zu hintergehn, Wenn er erröthen muß, in sich hinein zu sehn. |
In dieser äußersten Gefahr Stellt seinem Geiste sich ein einzig Mittel dar. Es ist entsetzlich auszusprechen, Allein es sichert vor Verbrechen. Er geht nicht erst mit Fleisch und Blut zu Rath; Tief seufzend wendet er die Augen, nicht zu sehen, Was seine Hand beginnt. — Sie ist, sie ist geschehen, Die heldenmüthige, die große, schöne That! |
Ihr, die ein rascher Schwur verpflichtet, Die schönste Sünderin begierlos anzusehn! Seht, welchen Zoll Kombab der Tugend hier entrichtet! Und müsset ihr euch selbst gestehn, |
Indessen läuft der Sand der Abschiedsstunde ab. Kombab beurlaubt sich. Astartens Tugend spielet In vollem Glanz. Antiochus empfiehlet Die Dame seinem Freund — Auf einmal ruft Kombab: Beinahe hätt' ich was vergessen! Er fliegt davon und kommt im Augenblick Mit einem Kästchen im Arme zurück. Er fällt dem Herrn zu Fuß: "Darf sich dein Knecht vermessen, Noch eine Bitte zu thun? Dieß Kästchen, Herr, enthält Das Kostbarste von Allem in der Welt, Was dein Kombab besaß. Um sicher es zu wissen, Leg' ich es hier zu meines Königs Füßen. Drück ihm dein Siegel auf und gönn' ihm einen Platz In deinem königlichen Schatz. Dort mög' es, bis ich einst es wieder fordre, liegen! |
Der König schwört bei seinem grauen Bart', Es soll den besten Platz in seinem Schatze kriegen; Und in Kombabens Gegenwart Drückt er sein Siegel auf. Mit vielen Thränengüssen Entreißt Astarte nun sich seinen Abschiedsküssen, Kehrt zehnmal wieder um, läßt ihr getreues Herz Nur einmal noch an seinem Herzen schlagen Und wird zuletzt, halb todt vor Schmerz, In ihren Palankin getragen. |
Nach dreien Monden kam die hohe Karavan' An Ort und Stelle glücklich an. |
Astarte bleibt, wie zu erachten, Von unsers Helden Werth nicht lange ungerührt. Verdienst und Tugend hochzuachten, Ist eine Eigenschaft, die ihres Gleichen ziert. Sein inneres Verdienst entbehrt zwar leicht Verstärkung Von außen her: allein, da man ihn täglich sieht, So macht (wiewohl sie sich's zu leugnen sich bemüht) Ihr Auge doch allmählich die Bemerkung, Kombab, der unvermerkt das Herz ihr abgewann, Sey nicht der beste nur, sey auch der schönste Mann; So schön, so tadellos vom Kopf bis auf die Füße, Daß, hätt' ein Bildner je dieß Ideal erreicht, Er ohne Widerspruch der erste Künstler hieße, Und jede Göttin ihr verzeihungswürdig däucht, Die sich von ihm ein wenig lieben ließe. Und bei so seltnem Reiz ein Herz, So gut, so sanft, so edelmüthig! Sein Witz so leicht, so fein sein Scherz! Kurz, Eines fehlt ihm nur — er ist zu ehrerbietig. (Doch, wie ihr seht, wird dieser Vorwurf ihm Durch Blicke nur gemacht)—Man soll in Schranken bleiben: Allein, die Schüchternheit so weit wie er zu treiben, Ist grillenhaft. Ein wenig Ungestüm |
Der Irrthum war Astarten zu verzeihn. Man mußt', um richtiger zu schließen, Nur in Kombabs Geheimniß seyn. Uns, die wir mehr als sie von seinen Sachen wissen, Ist Alles klar. Allein, der Orden, den er ziert, Wird billig niemals präsumirt. Sie wußte übrigens, daß die Semiramissen (Gleich den Göttinnen) sich, wenn sie ein Schäfer rührt, Zum ersten Schritt entschließen müssen; Zum zweiten, dritten oft, wofern der Seladon |
Dieß war nun freilich bei Kombaben Die Sache, leider! nicht; allein Astarte konnte das nicht wissen: An ihrem Platz, was kann sie schließen, Als, eine Andere müss' im Besitze seyn? Von diesem Augenblick wird jede seiner Mienen, Wird jeder Tritt belauscht und ausgespäht: Kein wiederkommender Komet Beschäftigt mehr die wachenden Cassinen. Ein Finger, den er regt, erweckt ihr schon Verdacht. Man weiß, wie scharf verliebte Augen sehen, Wenn Eifersucht sie mikroskopisch macht. Kein Zauberschatz wird wie Kombab bewacht. Doch endlich wurde man es müde — nichts zu sehen. |
Astarte, deren Glut jetzt wieder Luft bekam, Zu ihrer ersten Hypothese Zurück zu gehn genöthigt, glaubt, sie lese Ganz klar in seinem Gesicht, daß nichts als falsche Scham Die Ursach sey, warum er sich so link benahm. Ein Pastor fido ist das blödste aller Wesen. Sie sieht, es braucht, den Zauber aufzulösen, Was Außerordentlichs, und, ihrer beider Ruh Zu Lieb', entschließt sie sich, wiewohl nicht gern, dazu. |
Was bald darauf, im Cabinete Der Königin, mit ihr und unserm Freund Kombab Sich, diesem Schluß gemäß, begab — |
Die Schwachheit, die er uns gezeigt, Macht ihm (ich seh's an ihrem Achselzücken) Die nichts verzeihenden Catonen ungeneigt. Mein Held verliert in wenig Augenblicken, Was noch vielleicht an seiner That Verdienstlich war. — Wer schafft für Alles Rath? Ich lasse der Natur gern ihre kleinen Mängel; Und freilich macht ein Schnitt noch keinen Engel! |
Wie dem auch sey, Kombab gewann Bei seiner Königin, was er bei euch verlieret. Sie sah, indem er sprach, aufs innigste gerühret, Mit Wehmuth ihn und mit Bewundrung an. "Zwei Jahre lang dich täglich sehn und hören, Astarte, ganz Gefühl für deine Reize seyn Und nicht abgöttisch dich verehren? — Ich kannte mich! — und, wirst du mir verzeihn, Wenn ich's gesteh'? — auch deinem schönen Herzen Traut' ich zu viel Empfindung zu, Um ungerührt zu seyn bei meinen stummen Schmerzen. Und könnt' ich, Schönste, deine Ruh Zu theu'r erkaufen?" — — Mehr zu sprechen, Vermag er nicht; sein volles Herz muß brechen, Muß brechen oder sich an ihrer schönen Brust |
Sie sagten sich noch viele schöne Sachen, Die auf den Leser nicht den hohen Eindruck machen, Wie auf sie selbst, und die wir übergehn. |
Astarte sucht' und fand in ihrem Herzen Und seinem Geist, in seinem Unterricht, Oft auch in leichten muntern Scherzen Ersatz für — etwas, das (zum mindsten, wenn die Pflicht Es heiligt) Spröden selbst nicht allzu gern' entbehren. Wenn Jemand fähig ist, ihr solchen zu gewähren, So ist's Kombab. Denn von den höchsten Sphären Bis zum Atom' herab ist nichts, wovon er nicht Wie Salomon und Trismegistus spricht. Auch bringt die Königin Oft halbe Sommernächte An seiner Seite hin, Bedient sich, ohne Zwang, der Rechte, Die ihr sein Zustand gibt, und kurz, behandelt ihn, Als wären sie von einerlei Geschlechte. Oft sitzen sie, zur Stunde, da der West Die Mittagsruh' in Florens Arm verläßt, Allein in wilden Sommerlauben, Sehr unbesorgt, was wohl davon die Leute glauben. Und in der That, es ist den Leuten zu verzeihn. Man hüllt vergebens sich in seine Unschuld ein; Die Welt erkennt die Tugend nur am Schein. Wer hätt' ein paar Figuren ihrer Gattung, So jung, so liebenswerth, so schön, |
Bei Tage ging's noch hin. Doch halbe Sommernächte Und stets allein, mit einem schönen Mann! — Mit einem Mann' allein! — "Nun in der That, was Einander Nächte durch zu sagen haben kann, Ist, was ich wohl einmal erfahren möchte!" "Madame, es käm' auf eine Probe an, Versetzt der junge Herr — die kurzen Sommernächte Entschlüpfen leicht; — man liegt in freier Ruh' Auf Blumen — hört den Nachtigallen zu — Und dieß und das" — So scherzen im Vertrauen Die Höflinge, die Kammerfrauen. |
Man kennt die Vögel am Gesang. Dieß Antichambrevolk urtheilet gern vermessen. Gesetzt, die Königin sey oft ein wenig lang Bei ihrem Mentor aufgesessen, Entschuldigt dieß auch nur den leisesten Verdacht? Man kann so leicht sich im Gespräch vergessen! Und in der That ist einer schönen Nacht Zum Staunen, zum Philosophiren, Nichts anders gleich! Sie ist dazu gemacht, Die Seelen unvermerkt den Leibern zu entführen; Zumal wenn Lunens Schein, wie eine neue Welt Von Schatten, welche kaum den äußern Sinn berühren, Elysiums echtes Bild uns vor die Augen stellt, Und über uns, bei unbewölkten Himmel, |
Astarte fand unendlich viel Behagen An Nächten dieser Art; indessen manchem Freund Der Augenblick — dem König anzusagen, Wie seine Königin mit ihrem schönen Freund Die Nächte braucht, — unendlich langsam scheint. |
Er kommt zuletzt. Der Bau ist nun vollendet, Der Tempel eingeweiht, die Priesterschaft dotirt, Und, weil man nichts, was sich gebührt, Vergessen will, das dritte Jahr geendet. Der König, dem, ich weiß nicht was, oft schwer Ums Herze macht, betreibt den Rückzug sehr. Nicht, daß er sich die Zeit indessen nicht vertrieben! Man weiß ja, große Herren lieben Veränderung; und wohl bekomm's den großen Herrn; Die Kleinen haben sie trotz ihrer Kleinheit gern. Genug, der Rückzug läßt sich länger nicht verschieben; Und Seiner Majestät zu melden, wie beglückt Die Reise sey, wie heftig das Verlangen, Die königlichen Knie bald wieder zu umfangen, Wird einer vom Gefolg dem Zug vorangeschickt. Man glaubte zwar, den Besten auszuwählen, Doch war es schwer, den Schlimmsten zu verfehlen. Vergebens war Kombab ein Menschenfreund Und stets bemüht, sich Alle zu verbinden: Ein Günstling hoffe nicht, Erkenntlichkeit zu finden! |
Mercur mit Flügeln an den Sohlen Vermöchte nicht den Höfling einzuholen; So groß ist die Begier, aus pflichtgemäßer Treu Dem alten König zu berichten, Wie nah Kombab mit ihm verschwägert sey. Wißt ihr, wie Höflinge in solchen Fällen malen? Die Farben werden nicht dabei Gespart, das glaubet mir! Mit seinem Kopf bezahlen Will er, wofern er nur ein Wörtchen mehr gewagt, Als was Astartens Hof aus einem Munde sagt. |
Der König sträubt sich sehr; so groß war sein Vertrauen Zu seinem Freund, zur besten aller Frauen! Er krümmt und windet sich, bis er, gezwungen, weicht; Denn, ach! nur nicht so viel als ein Vielleicht Macht seine Ueberzeugung wanken; Er kann ihm nicht entfliehn, dem schrecklichen Gedanken! Betrogen, ruft er aus und sinkt betäubt dahin, Von meinem Freund, von meiner Königin? |
Ein Kerker schließt, sobald sie angekommen: Astarten und den Günstling ein. "Welch Aergerniß! — So kann der Schein Der Tugend uns belügen!" — schrein Aus einem Ton die Spröden und die Frommen. Den Schlangen, die die Welt von Anbeginn verführt, Der Schönheit und dem Witz, den Stiftern alles Bösen, Wird, wie es sich gebührt, |
Indessen fährt der König fort, Die Schaar der Zeugen zu verhören, Und hundert Augenzeugen schwören, Man sah sie tausendmal allein, wenn Zeit und Ort Die Sache sehr verdächtig machten: Man sah sie einst sogar (wiewohl am längsten Tag) In einem Gartenzelt beisammen übernachten. Was sie gethan, ist — was man schließen mag! Denn freilich konnte man so nah' hinzu nicht gehen, Um Alles auf ein Haar zu sehen; Genug, die Wahl von Zeit und Ort Ließ, was davon zu denken sey, verstehen. |
Zum Unglück muß von Wort zu Wort Kombab dieß Alles eingestehen. Er leugnet nichts: nur bleibt er stets dabei, Daß seine Königin dem königlichen Bette Getreu und rein wie eine Lilie sey, Und daß er sich nichts vorzuwerfen hätte. Doch bessert dieß der Sachen Mißgestalt? Der Zeugen Harmonie, sein eigenes Bekenntniß Beweist ein sträfliches Verständniß Nur allzu stark. Der Urtheilsspruch erschallt: |
Der Schein ist wider mich, spricht mit gelass'nem Muth Das Opfer seines Grimms: was kann ich thun, als schweigen? Doch schuldlos stirbt Kombab! —Dieß tröstet mich! — und du, Mein König, wirst, zu meines Schattens Ruh, Was gegen eine Welt voll Zeugen Astartens Unschuld dir und meine Redlichkeit Beweisen kann, in jenem Kästchen finden, Das ich — erinnre dich's, o Herr — im Reisekleid Dir übergab. Ich bin zum Tod bereit Und suche nicht aus Furcht mich los zu winden. Allein, wenn Wort und Schwur auch einen König binden, So fordr' ich hier Gerechtigkeit! Du schworst, o Herr, bei deinem Leben, Mein Kästchen unversehrt mir einst zurück zu geben: Jetzt ist es Zeit, wink' es herbei! |
Der König stutzt. Ein allgemein Geschrei Des Volkes fordert ohne Säumen Des Kästchens Gegenwart. Man rieth, was drinnen sey; Allein das Wahre ließ sich keine Seele träumen. |
Der König winkt. Das schon gezückte Schwert Starrt in des Würgers Hand, Bald wird das Kästchen kommen! |
Es kommt, es kommt! Ein Todesschauer fährt Durch jedes Herz, Kombabens ausgenommen. Der König nimmt es selbst in seine eigne Hand, |
Erinnre dich, spricht jetzt Kombab, Als ich's, o Herr, dir übergab, Sagt' ich: mein Kostbarstes befinde sich darin. Jetzt sag' ich: in gewissem Sinn Mein Schlechtestes! und doch erklär' ich hier zugleich, Ich nähme nicht dein ganzes Königreich, Daß, was du finden wirst, nicht wäre drin gewesen. |
Das Räthsel sich und Allen aufzulösen, Eröffnet es der Fürst, und, wie vom Blitz gerührt, Steht er und glaubt durch Zauber sich betrogen. Denn siehe! von Kombabens Unschuld wird, In Byssus eingehüllt und köstlich balsamirt, Der unverwerflichste Beweis hervorgezogen! Nie stand, seitdem die Welt sich um die Pole dreht, Ein Mann betrogener da — als Seine Majestät: Und dennoch fehlt noch was, ihn ganz zu überzeugen. Kombab erräth's und macht vorm Augenschein Die innerlichen Zweifel schweigen, Die gegen seinen stummen Zeugen In manche Zirbeidrüse steigen. Der Unglaub selbst gestand jetzt seine Unschuld ein! Drauf wirft er sich dem Könige zu Füßen, Erzählt der Länge nach, aus was für weisen Schlüssen Er sich nach langem Kampf (weil er, was nun geschehn, Nur gar zu wohl vorher gesehn) Zu dem entschlossen, was wir wissen. |
Der König hebt mit zärtlichem Erbarmen Den Liebling, wie's noch keinen gab Und keinen geben wird, den treuen Freund Kombab, Vom Boden auf, hält ihn in seinen Armen Und bitter ihm mit Thränen ab Das Unrecht, das er ihm, vom Anschein' hintergangen, Gethan (auch soll dafür sein Kläger billig hangen!) Und kurz, der würdige Kombab Nimmt, zum Vergnügen aller Leute, Den alten Platz an seines Königs Seite. Auch bei Astarten geht er kühnlich aus und ein Und darf bei Tag und Nacht, bei Mond- und Kerzenschein, Mit fremden Zeugen und allein, Im Cabinet, im Garten und im Hain, Ja, auf dem Sopha selbst, ihr Zeitvertreiber seyn. |
Die ganze Schaar der Höflinge bedachte (Nicht ohne Neid) die Gunst, die ihm ein Opfer brachte, Das Manchem in besagter Schaar Nicht halb so schwer zu machen war. |