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Kapitel 

C. M. Wieland's Werke.

Siebenter Band.

9.

Die kleine Ergötzlichkeit, welche sich Schach-Gebal mit den Odalisken seiner Favoritin zu machen geruht hatte, leistete mehr als er davon erwartete. Anstatt ihn einzuschläfern, gelang es einer von diesen jungen Nymphen, seine schlafsüchtige Einbildungskraft zu erwecken, und ihm eine Art von einem Mittelding zwischen Leidenschaft und Geschmack einzuflößen, wovon Anfang, Mittel und Ende, nach der Berechnung des Philosophen Danischmend, drei Tage, einundzwanzig Stunden und sechszehn Minuten dauerte.Wenn die kürzesten Narrheiten die besten sind, so muß man zur Ehre dieses Sultans sagen, daß er in diesem Stücke nicht unwürdig war, ein Muster aller Herren seines Standes, welche nicht selbst Muster sind, zu seyn. Doch, um seiner

Weisheit nicht zu viel zu schmeicheln, — die Wahrheit von der Sache war, daß die kleine Sängerin weder genug Geist, noch der Sultan Begierden genug hatte, seinem Geschmack für sie eine längere Dauer zu geben. Er fand sich also nach wenigen Tagen geneigt, die Versammlungen seiner kleinen Akademie, welche durch diese Abwechselung von Zeitvertreib unterbrochen worden war, wieder zu erneuern; und die Erzählung der Geschichte des Königs Azor wurde, auf seinen Befehl, von der gefälligen Nurmahal folgendermaßen fortgesetzt.Wenn der Sultan Azor eine Handlung von ächter königlicher Großmuth zu thun glaubte, indem er seinen Feinden gerade in dem Augenblicke wo sich das Glück für seine Waffen zu entscheiden anfing, nicht nur Friede, sondern noch eine von seinen besten Provinzen dazu schenkte: so kann man doch nicht in Abrede seyn, daß die Begierde, seiner geliebten Alabanda (einer Eroberung, die ihn für den Verlust von zwanzig Provinzen schadlos gehalten hätte) desto ungestörter zu genießen, die wahre wiewohl geheime Triebfeder seiner Großmuth war. Wenigstens bewies der Gebrauch, den man von einem so theuer erkauften Frieden machte, daß die Vortheile seines Volkes schwerlich dabei in Betrachtung gezogen worden waren. Denn man dachte weder daran, das Reich auf künftige Fälle in bessere Verfassung zu setzen, noch die Provinzen wieder herzustellen, die durch den König entvölkert und verwüstet worden waren. Azor theilte die Geschäfte der Regierung unter einige Geschöpfe der schönen Alabanda, welche ihn beredeten, daß er selbst regiere, indem er von dieser Zaubrerin und ihren Mitschuldigen unumschränkt regiert wurde. Prächtige Feste und

immer abwechselnde Lustbarkeiten, über deren Erfindung sich alle witzigen Köpfe von Scheschian elendiglich erschöpften, verschlangen unermeßliche Summen, wovon der zehnte Theil hinlänglich gewesen wäre, die zerstörten Städte wieder aufzubauen, und jedes traurige Denkmal der Verwüstung in den Gegenden, welche der Schauplatz des Krieges gewesen waren, auszulöschen. Zehntausend in die äußerste Noth heruntergebrachte Familien hatten durch die Unkosten einer einzigen Geburtsfeier wieder glücklich gemacht, und in eine dem gemeinen Wesen nützliche Thätigkeit gesetzt werden können: aber weil sich niemand fand, der dem Sultan einen solchen Vorschlag gethan hätte, — weil die schöne Alabanda weit über die Schwachheit erhaben war, irgend einen neuen Triumph ihrer gränzenlosen Eitelkeit dem Mitleiden oder der Wollust Gutes zu thun aufzuopfern — wie hätte Azor, bei aller seiner natürlichen Gutherzigkeit, auf einen solchen Gedanken verfallen sollen? — Er, der keinen Begriff von dem innern Zustande seines Reiches, keine Fertigkeit über irgend etwas als über die unmittelbaren Gegenstände seines Vergnügens zu denken, und am allerwenigsten den mindesten anschauenden Begriff von dem Elend hatte, welchem abzuhelfen sein großer Beruf war! Er hätte in einer unkennbaren Verkleidung, allein, oder nur von einem oder zwei rechtschaffenen Männern begleitet, sich von den prächtigen Straßen, die zu seinen Lustschlössern führten, entfernen, und in die entlegeneren Theile seines Reichs, in die Hütten der Landleute oder unter die Trümmer kleiner Städte, deren blühender Stand in muthloses Elend verwandelt war, sich hineinwagen müssen, um die Unglücklichen kennen zu

lernen, die nach seiner Hülfe seufzeten. Wie unendlich viel Gutes würde eine einzige solche Reise seinen Völkern gethan haben! Aber — —Mirza, sagte Schach-Gebal in einem plötzlichen Anstoß von empfindsamer Laune zu seinem Günstlinge, vergiß nicht, dich morgen früh mit Pferden für mich, dich selbst und Danischmenden an der westlichen Pforte des Gartens bereit zu halten. Wir müssen eine solche Lustreise mit einander machen. Aber mit euerm Leben sollt ihr mir alle drei für das Geheimniß stehen! Weiter, Nurmabal!Sire, der gute Sultan Azor ließ sich nichts von einer solchen Luftreise träumen, wie diejenige, wozu Ihre Majestät sich mit einem so rühmlichen Feuer entschlossen haben. Wenn er reisete, so geschah es in Begleitung seines ganzen Hofstaats, und mit einem Pomp, der das Bild eines triumphirenden Heerzuges eines Weltbezwingers darstellte. Der Aufwand einer einzigen solchen Reise verzehrte die jährlichen Einkünfte einer ganzen Provinz: und da eine verderbliche alte Gewohnheit die Landleute nöthigte, die Kamele, Pferde, und Wagen unentgeltlich herzugeben, welche das Gepäcke des Königs und seines Gefolgs fortzuschaffen erfordert wurden, so that dieser einzige Umstand den Gegenden, durch welche der Zug ging, einen beinahe eben so empfindlichen Schaden als ein feindlicher Ueberfall. Im übrigen vergaßen die immer wachsamen Günstlinge des Sultans und seiner Gebieterin nicht, dafür zu sorgen, daß die königlichen Augen nirgends durch den Anblick des Mangels, der Nacktheit und des Elends beleidigt werden möchten. Die Mirzas, durch deren Gebiete

die Reise ging, stellten, um sich dem Hofe gefällig zu machen, lange zuvor Zurüstungen an, ihren Oberherrn auf eine glänzende Art zu empfangen, oder ihn im Vorübergehen mit dem Anblick ländlicher Feste und Scenen von Fröhlichkeit zu ergötzen, welche dem guten Fürsten die betrügliche Freude machten, die geringsten seiner Unterthanen für glücklich zu halten.Bald fange ich an Mitleiden mit euerm Azor zu haben, sagte Schach-Gebal. Ein König muß ein Gott seyn, oder er muß betrogen werden, wenn alle seine Leute die Abrede mit einander genommen haben, ihn zu betrügen.Bei allem diesem, fuhr Nurmahal fort, hatte Scheschian, im Ganzen berachtet, mehr als jemals das Ansehen eines in seiner vollen Blüthe stehenden Reiches. Die Natur hatte seine meisten Provinzen mit ihren reichsten Gaben überschüttet. Fleiß und Handlung belebten die größern Städte, und die Künste stiegen zum Gipfel der Vollkommenheit hinan. Alabanda trat nicht bloß in die Fußstapfen der schönen Lili; sie war zu stolz eine bloße Nachahmerin zu seyn, sie wollte die Ehre haben zu erschaffen.Da sie gewohnt war den Sultan auf die Jagd zu begleiten, so geschah es einsmals, daß sie sich mit ihm in eine von diesen wilden Gegenden verirrte, welche die Natur so gänzlich verwahrloset hat, daß nichts als der magische Stab einer Fee mächtig genug scheint, sie zur Schönheit umzubilden. Welch eine Gegend, rief Alabanda mit einer Art von Entzücken aus, um einen Gedanken darin auszuführen, der die Regierung meines Sultans auf ewig glänzend und

unnachahmlich machen würde! Welch eine Gegend, um sie zu einem Sitze der Liebesgötter, zu einem Inbegriff aller Bezauberungen der Sinne und der Einbildung umzuschaffen! — Azor sah die Zaubrerin Alabanda mit Erstaunen an: aber er war selbst zu sehr ein Freund des Wunderbaren; und wenn er es auch weniger gewesen wäre, so liebte er die schöne Alabanda viel zu zärtlich, um ihre angenehmen Gedanken durch Einwürfe zu unterbrechen. Er überließ ihr also die Ausführung eines Einfalls, der an Ausschweifung vielleicht niemals seinesgleichen gehabt hat. In wenigen Tagen war sie mit ihrem Entwurfe fertig, und itzt wurden Millionen Hände aufgeboten ihn auszuführen. Seit den Zeiten der stolzen Könige von Ninive und Memphis hatte man kein ähnliches Werk unternehmen gesehen. Doch was waren die Aegyptischen Pyramiden, oder die Mauern des alten Babylon gegen die Schöpfungen der Göttin Alabanda? Gebirge wurden geebnet; unersteigliche Felsen hier gesprengt, dort zu Palästen, kleinen Tempeln, Grotten und reizenden Einsiedeleien, oder zu großen stufenweise sich erhebenden Terrassen ausgehauen, und in Gärten, Alleen, Blumenstücke und Lustwäldchen verwandelt. Entlegene Flüsse wurden in diese aus dem Nichts hervorgehende Zauberwelt geleitet, und durch erstaunliche Wasserkünste gezwungen, die Gärten und Haine, welche Alabanda in die Luft gepflanzt hatte, mit springenden Brunnen und Wasserfällen, unter tausendfachen Gestalten und Verwandlungen, zu beleben. Mitten unter allen diesen mannichfaltigen Schöpfungen erhob sich ein wahrer Feenpalast; Marmor, Jaspis und Porphyr waren die geringsten

Materien, woraus er zusammengesetzt war, und alle Manufacturer von Indien, Sina und Japan wurden zu seiner Ausschmückung erschöpft. Die Gärten, die ihn umgaben, prangten mit den schönsten Gewächsen des ganzen Erdbodens, welche mit so guter Ordnung ausgetheilt waren, daß man mit jeder höhern Terrasse, die man bestieg, sich in ein anderes Klima versetzt glaubte. Die schönsten und seltensten Vögel aller Welttheile bewohnten diesen wundervollen Ort, den sie mit ihren mannichfaltigen Stimmen und mit natürlichen oder gelernten Gesängen belebten. Und in der Mitte einer unzähligen Menge kleiner Lustwälder, über welche dieses Zauberschloß herrschte, beherbergte ein künstlicher Ocean alle Arten von Wassergeschöpfen; ein großer See, dessen über Marmor rollende Wellen man oft mit einer Flotte von kleinen vergoldeten Schiffen bedeckt sah, welche an Zierlichkeit und schimmernder Ausschmückung dasjenige zurückließen, worin Kleopatra den Herrn der einen Hälfte der Welt zum ersten male bezauberte. Die Beschreibung, welche Alabanda von den Wundern dieses nach ihrem Namen genannten Ortes verfertigen ließ, machte etliche große Bände aus, und die billigste Berechnung alles dessen, was diese Wunder gekostet hatten, überstieg zweimal die jährlichen Einkünfte des ganzen Scheschianischen Reiches, welches in der That eine ungeheure Summe war. Unzählige Fremde wurden durch die Neugier herbeigezogen, sie zu sehen; aber der Vortheil, den das Land von ihnen zog, war nur ein geringer Ersatz des vielfältigen Schadens, den es durch die Ausschweifungen der schönen Alabanda erlitten hatte. Eine unendliche Menge von Landleuten

waren dem Feldbau entrissen worden, um als Tagelöhner an der Beschleunigung eines Werkes zu arbeiten, welches ihr ungeduldiger Stolz unter ihren Blicken wachsen sehen wollte. Einige Provinzen befanden sich dadurch in Unordnung und Mangel versetzt; der Preis der Lebensmittel stieg übermäßig; der öffentliche Schatz war erschöpft, die Einnahme des folgenden Jahres beträchtlich vermindert, und das Reich mit einer ungeheuren Schuld beladen, wovon der größte Theil fremde Länder bereicherte; weil der eckle Geschmack der launenhaften Alabanda nichts Einheimisches schön genug fand, ungeachtet alle Künste in Scheschian blüheten.Zum Unglück für die Nation war diese Favoritin kaum mit Ausführung eines solchen Werkes fertig, als ihre unerschöpfliche Einbildungskraft schon über der Idee eines andern brütete, welches durch die gränzenlose Gefälligkeit ihres Liebhabers eben so schnell und mit eben so wenig Rücksicht auf die Umstände des Staats zur Wirklichkeit gebracht wurde. Schon im zweiten Sommer, den sie mit dem Könige zu Alabanda zubrachte, bemerkte sie, daß die Gebäude zu weitläufig, die Gärten zu verworren und überladen, und mit Einem Worte das Ganze eine Art von Carricatur sey, wo die Natur von der Kunst verschlungen werde, und das ermüdete Auge in einer unübersehbaren Mannichfaltigkeit sich verliere. Dieser weisen Beobachtung zufolge wurde in einer der anmuthigsten Gegenden des ganzen Reichs ein andrer Lustsitz angelegt, in dessen kleinerem Umfange die schöne Alabanda, mit Hülfe einiger poetischen Köpfe des Hofes, bemüht war, die Natur, über alle mühsamen Bestrebungen der Kunst triumphiren zu

lassen. Die Natur zeigte sich da mit allen ihren eigenthümlichen Reizungen, in dem leichten Gewand einer Nymphe, oder in der reizenden Unordnung einer Schönen, die von ihrem Liebhaber überrascht zu werden hofft. Man konnte sich wirklich keinen angenehmern Ort träumen lassen; aber es kostete so viel, der schönen Natur diesen Sieg über ihre Nebenbuhlerin zu verschaffen, daß man sich genöthigt sah einen Vorwand zu ersinnen, um die Unterthanen mit einer neuen Steuer zu belegen. Auf solche Weise wurde Scheschian nach und nach mit den herrlichsten Denkmälern der üppigen Erfindamkeit dieser Favoritin angefüllt. Die Unternehmer dieser Werke und einige Künstler, welche weniger wegen ihres vorzüglichen Talents als durch Empfehlungen und Hofränke angestellt wurden, fanden unstreitig ihre Rechnung dabei. Etliche Poeten, die um den zehnten Theil der Einkünfte eines Hofküchenschreibers gedungen waren, über alles, was der Hof that oder gethan haben wollte, Oden zu machen, posaunten und leyerten von Wundern und goldenen Zeiten. Aber die Provinzen sanken zusehends in einen kläglichen Stand von Entkräftung und Verfall herab, und die Nation hatte sehr große Hoffnung, in kurzem einem Virtuosen zu gleichen, der, durch einen kleinen Verstoß gegen die Rechenkunst, in einem sehr zierlichen neu gebauten Palast, mitten unter einer herrlichen Sammlung von Gemälden, Statuen und Alterthümern — verhungert.Nurmahal hielt bei diesem Absatz ein wenig ein, weil sie gewahr wurde, daß der Sultan in Gedanken vertieft schien: als dieser sich auf einmal mit einer auffahrenden Bewegung

an Danischmenden wandte. Glaubst du nicht, Danischmend, fragte ihn Schach-Gebal, daß die Sultanen, meine Mitbrüder, sehr vieles, was sie thun, unterlagen würden, wenn sie einen Freund hätten, der ehrlich genug wäre, ihnen die Wahrheit zu sagen?Vielleicht, antwortete Danischmend mit einem kaum merklichen Achselzucken. — Vielleicht auch nicht, — murmelte er hinten nach.Und warum nicht? fragte der Sultan.Sire, sagte der Philosoph, wollen Ihre Majestät schlechterdings, daß ich Ihnen die Wahrheit sagen soll?Das bedurfte, nach der Anmerkung die ich eben machte, keiner Frage, sprach der Sultan."So sage ich, daß wenigstens Drei gegen Eins zu wetten ist, daß die meisten Sultane weder mehr noch weniger thun würden als ihnen beliebt, wenn sie gleich den Confucius oder Zoroaster selbst zum Freunde hätten. Denn, —gesetzt, zum Exempel, der König Azor hätte einen solchen Freund gehabt, so wäre es allezeit darauf angekommen, ob dieser den rechten Augenblick zu seiner Vorstellung gewählt hätte. Denn der geringste Umstand, ein kleiner Nebel, es sey nun in der Luft oder im Gehirne Seiner Hoheit, oder eine kleine Blähung in dem Magen Seiner Hoheit, ein kurzer Wortstreit, den Sie kurz zuvor mit Ihrer Maitresse gehabt, ein Traum oder sonst eine Kleinigkeit, die Ihren Schlummer beunruhigte, die schlimme Laune Ihres Affen, oder die Unpäßlichkeit eines Ihrer großen Hunde, — ein einziger von tausend Umständen

von dieser Wichtigkeit wäre hinlänglich gewesen, die Wirkung der besten Vorstellung zu vernichten. Doch, gesetzt der Freund hätte den günstigen Augenblick ergriffen: wie leicht konnte es ihm, bei aller Redlichkeit seiner Absicht, in dem entscheidenden Moment an der Geschicklichkeit, oder an dem Glücke fehlen, seiner Vorstellung die rechte Wendung zu geben! Wie leicht hätte ein einziges Wort, das ihm entschlüpft wäre, alles wieder verderben können, was zwanzig glückliche Vorstellungen gut gemacht hatten! Und dennoch, setzen wir abermal, es sey ihm gelungen den verlangten Eindruck auf seinen Herrn zu machen: wie bald wär' es geschehen gewesen, daß dieser Eindruck. eine Viertelstunde darauf, durch eine Gegenvorstellung eines andern wohlmeinenden Dieners, — oder durch einen einzigen Blick, im Nothfalle durch ein einziges kleines erkünsteltes Thränchen einer geliebten Alabanda, wieder ausgelöscht worden wäre! — Ich stelle mir z. B. vor, die schöne Alabanda träte gerade zur nämlichen Zeit in das Cabinet ihres Sultans, da der vorbesagte Freund es verlassen hätte; der Freund, dem wir Muth und Eifer genug leihen wollen, gegen irgend eine neue kostbare Grille, wovon die Phantasie der schönen Favoritin kürzlich entbunden worden, im Namen des gemeinen Besten Vorstellungen zu thun.Ich komme (sagt sie mit einem Ausdruck von Vergnügen, der über ihr ganzes Gesicht einen glänzenden Reiz verbreitet), ich komme Ihrer Majestät einige Zeichnungen vorzulegen, und zu vernehmen, welche davon Ihren Beifall hat, um zum Modell des neuen Amphitheaters, wovon wir neulich sprachen, genommen zu werden."

Lassen Sie sehen, Madame, sagt der Sultan mit einem Frost, den er ihr und sich selbst gern verbergen möchte."Sie sind wirklich alle schön; aber wie finden Sie diese? Ich gestehe, daß ich sie vorziehen würde, wenn ich zu wählen hätte. Man kann nichts Größeres, nichts Prächtigeres denken. Die Ausführung würde der Zeiten Ihrer Majestät würdig seyn, welche durch so viele unnachahmliche Werke ein Wunder des spätesten Weltalters bleiben werden."Aber, meine liebste Sultanin —(Hier heftete Alabanda einen aufmerksamen Blick, vermischt mit einem kleinen Zusatz von Erstaunen, auf den Sultan).Ich habe Mühe —"Was fehlt Ihnen, mein liebster Sultan? Sie sehen nicht völlig so aufgeheitert aus als Sie mich diesen Morgen verließen."Ich kann es nicht von mir erhalten, Ihnen meine Ungeneigtheit zu etwas, das Ihnen Vergnügen macht, zu erkennen zu geben; und doch —"Ich verstehe Sie nicht, Sire: erklären Sie sich. Kann ich unglücklich genug seyn etwas zu wünschen, das Ihnen unangenehm ist?"Ungütige Alabanda: : würde ich wohl einen Augenblick anstehen, die ganze Welt zu Ihren Füßen zu legen, wenn ich Herr davon wäre?"Vergeben Sie meiner Zärtlichkeit den Anfang eines schüchternen Zweifels," ruft die Dame mit einer liebkosenden Stimme, und mit einem von diesen Zauberblicken, deren Wirkung ein Liebhaber in allen Atomen seines Wesens fühlt,

— indem sie ihre schönen Hände sanft auf seine Schultern drückt.Der Sultan — wir wollen ihn, mit Ihrer Majestät Erlaubniß, so tapfer seyn lassen als nur immer möglich ist — machte eine Bewegung, als ob er sich ihren Liebkosungen, aus einem Gefühl sie nicht zu verdienen, entziehen wolle, sieht sie unschlüssig an, und arbeitet mit einiger Verlegenheit endlich ein zweites Aber heraus —"Aber, meine Schönste, wie viel meinen Sie wird die Ausführung dieses Entwurfs kosten?"Eine Kleinigkeit, Sire; zwei oder höchstens drei Millionen Unzen Silbers."Man versichert mich, daß die Ausführung des geringsten Plans ungleich höher zu stehen kommen würde; und ich gestehe Ihnen, daß verschiedene dringende Bedürfnisse meiner Provinzen — —"Dringende Bedürfnisse? — ruft die Dame in einem traurigen und erstaunten Tone. Ist's möglich, daß jemand so übelgesinnt seyn kann, die Ruhe meines geliebten Sultans mit so ungetreuen Berichten zu vergiften? Alle Provinzen Ihres großen Reichs sind glücklich, und haben keinen andern Wunsch als ewig von dem besten der Könige beherrschet zu bleiben. Und gesetzt der Staat hätte außerordentliche Bedürfnisse; können Sie zweifeln, daß Ihre Schatzkammer nicht reich genug sey, sie zu bestreiten, ohne daß man vonnöthen habe, an einer kleinen Summe zu sparen, die zum Vergnügen Ihrer Majestät und zur Verschönerung der Hauptstadt Ihres Reichs angewendet werden soll?"Aber, — liebste Alabanda, wie viel Tausend könnte ich

mit dieser Kleinigkeit, wenn Sie ja etliche Millionen eine Kleinigkeit nennen wollen, glücklich machen?"Vergeben Sie mir, liebster Sultan — aber ich kann mich kaum von meinem Erstaunen erholen. Es gibt, wie ich sehe, Leute, die sich kein Bedenken machen Ihre Gütigkeit zu mißbrauchen. Wer kann Ihnen gesagt haben, daß ein König Millionen verschenken müsse, um müßige Bettler oder bettelhafte Müßiggänger glücklich zu machen? Doch ich merke wohl was unter der Decke liegt: nicht die Unkosten, nur die Verwendung derselben ist gewissen Leuten anstößig. Es mag seyn! Wir wollen das Amphitheater fahren lassen. Ein schönes Stift für ein paar hundert blaue Bonzen — —"Wir wollen gar nicht bauen, Alabanda!"Ich bin sehr unglücklich heute nichts sagen zu können, das den Beifall Ihrer Majestät zu erhalten würdig wäre."Wie reizbar Sie sind, Alabanda!"Nicht reizbar, aber gerührt, da mir auf einmal ein trauriges Licht aufgeht. Ach! Azor, wozu diese Verstellung? wozu diese Umschweife? Warum entdecken Sie mir nicht lieber auf einmal mein ganzes Unglück?"Sie setzen mich in Erstaunen, Alabanda: wo nehmen Sie diese Einfälle her, meine Schönste?"Wie kalt! Wär' es Ihnen möglich so wenig bei der Angst, die Sie in meinen Augen lesen, zu empfinden, wenn meine Besorgnisse nicht allzuwohl gegründet waren? Ach Azor! —" (Hier läßt sie sich in eine trostlose Lage auf den Sofa fallen) "Ach! ich bin das elendeste unter allen Geschöpfen! Ich habe Ihr Herz verloren. Eine andre glücklichere —" Hier verliert

sie ihre Stimme, Thränen rollen aus ihren schmachtenden Augen, ihr schöner Busen athmet schwer und pocht mit verdoppelten Schlägen. Der bestürzte, gerührte, allzuschwache Azor vergißt auf einmal alle Vorstellungen und Berechnungen seines Freundes; er sieht nichts als seine Alabanda in Thränen. Er eili mit ausgebreiteten Armen auf sie zu. Welche Vorstellungen, welche Berechnungen sollten gegen diese Blicke, diese Thränen, diesen Busen aushalten können? Er wirft sich zu ihren Füßen, sagt und thut alles, was ein schwärmender Liebhaber sagen und thun kann, um eine zweifelnde Geliebte zu beruhigen. Nun sind nicht nur sechs, sechshundert Millionen sind itzt eine Kleinigkeit in seinen Augen — Kurz, die angenehmste Aussöhnung erfolgt (nach keiner längern Weigerung, als die Dame nöthig glaubt um den Werth davon zu erhöhen) auf diesen kleinen Sturm: Alabanda befestiget sich in dem Herzen des zärtlichen Sultans; das Amphitheater wird gebaut, und der arme Freund (nach einer eben so langen Weigerung auf Seiten seines königlichen Freundes) wie billig aufgeopfert, um die Thränen zu rächen, welche durch seine Schuld die schönsten Augen der Welt trübe gemacht haben."Was sagen Sie zu diesem neuen Talent unsers Freundes Danischmend? fragte Schach-Gebal die schöne Nurmahal mit einem angenommenen Erstaunen. —In der That, erwiederte sie, er hat keine unfeine Gabe, Komödien aus dem Stegreife zu spielen; und wenn mir erlaubt wäre einen Vorschlag zu thun, so wär' es, ihn anstatt zum Oberaufseher über die Derwischen, zum Oberaufseher über die Schauspiele in Dely zu machen.

Es kann beides sehr wohl mit einander gehen, erwiederte der Sultan: man muß die Talente des Mannes nicht unbenützt lassen; er mag es sich selbst beimessen, wenn man viel von ihm fordert. Aber im ganzen Ernste, Danischmend, die Erzählung von den Ausschweifungen, wozu die Prinzessin Alabanda euern armen Azor verleitete, hat mich auf einen Gedanken gebracht, der, wie ich hoffe, den Beifall deiner Philosophie erhalten wird. Mir fiel ein, daß ich meinen Unterthanen ein beträchtliches Geschenk machen könnte, wenn ich drei oder vier meiner entbehrlichsten Lustschlösser niederreißen, und die ungeheuern Gärten, Lustwälder und Jagdbezirke, die dazu gehören, zum Anbauen unter sie austheilen ließe.Sire, sagte Danischmend mit lachenden Augen (denn er hatte, bei aller seiner Philosophie zu viel Lebensart, um dem Trieb zum Lachen, der ihn anwandelte, freien Lauf zu lassen), der bloße Gedanke, würde dem Herzen Ihrer Majestät unendlich viel Ehre machen, wenn er auch unausgeführt bliebe; welches —Nein, nein, fiel ihm der Sultan ins Wort, das soll er nicht! Er soll ausgeführt werden; ; denn was nützt ein Gedanke, der eine bloße Speculation bleibt? Ich bekümmere mich wenig darum, ob er mir viel oder wenig Ehre macht: aber ich liebe meine Unterthanen; ich stelle mir die Freude vor, die ich einigen tausend Haushaltungen dadurch machen könnte, und, ich bekenne euch meine Schwachheit aufrichtig, ich kann dieser Vorstellung nicht widerstehen.Liebenswürdige Schwachheit, rief die schöne Nurmahal,

indem sie eine von den Händen Seiner Majestät an ihre Tippen drückte.Die Frage ist nur, fuhr der Sultan fort, welche von den vielen, aus denen ich wählen kann, aufgeopfert werden sollen? In der That ist keines, das nicht seine eigenen Schönheiten hat. — Doch, das werden wir heute nicht ausmachen. Gute Nacht, meine Kinder! —Danischmend, die erste Komödie, die in meiner Gegenwart aufgeführt wird, soll von deiner Erfindung seyn!Der junge Mirza, welcher den Auftrag hatte, sich morgen mit Anbruch des Tages bereit zu halten, um den Sultan auf seiner geheimen Reise zu begleiten, brachte diese Nacht bei einer kleinen Maitresse zu, die er in einem sehr artigen kleinen Hause in einer von den Vorstädten von Dely unterhielt. Hier wurde ihm die Zeit so kurz, daß er erst einzuschlafen anfing, als er wieder hätte erwachen sollen. Kurz, er vergaß den Auftrag des Sultans so gänzlich, als ob niemals die Rede davon gewesen wäre; und es war glücklich für ihn, daß sich der Sultan eben so wenig daran erinnerte. In der That pflegte Se. Hoheit so viele Einfälle dieser Art zu haben, daß es lächerlich gewesen wäre, Ernst daraus machen zu wollen. Gleichwohl würde der letzte Einfall, mit dem er einschlief, Folgen gehabt haben, wenn Schach-Gebal mit sich selbst und mit seinen geheimen Rathgebern hätte einig werden können, auf welche von seinen Lustschlössern das Verdammungsurtheil fallen sollte. Man sprach so lange von der Sache, bis man endlich nichts mehr zu sagen hatte, und da hörte man auf davon zu sprechen. Alles blieb wie zuvor; Schach-Gebal hatte

nichtsdestoweniger das Vergnügen, seinem Herzen mit der großmüthigen Freigebigkeit Ehre zu machen, die er in Gedanken ausgeübt hatte.

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