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Kapitel 

C. M. Wieland's Werke.

Sechster Band.

Zweites Kapitel.

Erste Jugend der Danae, bis zu ihrer Bekanntschaft mit dem Alcibiades.

Meine Abkunft ist niedrig, und diejenigen, die mir das Leben gaben, kannten nie was Gemächlichkeit, Ueberfluß und Ansehen ist. Meine erste Erziehung war diesen Umständen gemäß: die Natur mußte alles thun. Und in der That —es wäre Undank es nicht bekennen zu wollen — sie hatte so viel für die kleine Myris (so nannte man mich damals) gethan, daß es vielleicht am besten war, ihr alles zu überlassen. Die kleine Myris hatte eine Figur, von der man sich große Hoffnungen machte; und schon damals, wenn sie unter andern Kindern

ihres Alters im Reihen hüpfte, pflegte man sie die Grazie zu nennen: die kleine Myris hatte auch ein Herz; aber darum bekümmerte sich niemand. Ihre Mutter war eine Flötenspielerin. Sie mochte vielleicht den Entwurf ihres eigenen Glückes auf die Gaben, die sich in dem jungen Mädchen entwickelten, gegründet haben: denn ihr einziges Bemühen war, sie von ihrem siebenten oder achten Jahre an zur Bestimmung einer dem öffentlichen Vergnügen gewidmeten Person zu bilden. Alle meine kleinen Fähigkeiten wurden angebaut, so gut als es die Umstände zuließen, und so weit als meiner Mutter eigene, vermuthlich sehr eingeschränkte, Geschicklichkeit reichte. Man fand, daß ich in der Musik und im Tanzen den Unterricht und das Beispiel, so sie mir geben konnte, bald überholte. Nun bildete ich mich selbst, so gut ich konnte; denn ich fand etwas in mir — ohne zu wissen oder mich zu bekümmern was es war — das mich weder mit dem, was ich um mich her sah, noch mit mir selbst und mit dem Beifall, den ich erhielt, zufrieden seyn ließ. Die Natur hatte die Idee des Schönen in meine Seele gezeichnet; noch sah ich sie bloß durch einen Nebel; aber auch das Wenige, was ich davon erblickte, that seine Wirkung.Ein Umstand, der bei diesem allem zur Ehre meiner guten Mutter gereicht, ist zu wichtig, als daß ich ihn vorbeigehen könnte. Wenn sie, wie ich schon bemerkte, nichts that, um mein Herz zu bilden, so that sie doch auch wenig oder nichts, um es zu verderben. Sie schien (so viel ich mich ihrer erinnern kann) über diesen Punkt ohne alle Sorgen. Die ihrigen gingen bloß auf die körperliche Hälfte meiner Person; auf die Erhaltung meiner feinen Haut und schönen Gesichtsfarbe, auf die

Entwicklung aller der Reizungen, die sie an mir zu sehen glaubte, und in welche sie um so viel verliebter war, je weniger sie selbst jemals Ansprüche von dieser Seite zu machen gehabt hatte. Sie that sich viel auf eine Menge kleiner kosmetischer Geheimnisse zu gut, in deren ausschließendem Besitz sie zu seyn versicherte; und ich bin gewiß, daß die junge Myris die nachmals so sehr gepriesene Schönheit ihrer Hand und ihres Fußes, und das was man die Eleganz ihrer Leibesgestalt nannte, der außerordentlichen Sorgfalt der guten Frau zu danken hatte.Unter den Hausgöttern, an welche sie mich meine Andacht richten lehrte, war eine Venus, die von den Grazien geschmückt wird, der vornehmste Gegenstand ihrer eigenen. Sie bat diese Göttinnen für ihre Tochter um Schönheit und um die Gabe zu gefallen. Nach ihrer Meinung war das Beste, was sie mir von den Unsterblichen erbitten konnte, in diese beiden Eigenschaften eingeschlossen; wenigstens that sie alles was sie konnte, um diese Meinung in mir zu erwecken.Diese Venus und diese Grazien, die ich alle Morgen mit frischen Rosen oder Myrtenzweigen bekränzen mußte, waren das Werk eines sehr mittelmäßigen Bildschnitzers, und nichts weniger als geschickt, die Idee göttlicher Vollkommenheit in einer jungen Seele zu entzünden. Diese Betrachtung entstand oft in der jungen Myris, wenn sie sich selbst mit diesen Bildern verglich, und war allemal von dem Wunsche begleitet, die Göttin der Schönheit und ihre Gespielen in ihrer wahren Gestalt zu sehen. Diesem Wunsche folgten oft Bestrebungen der Einbildungskraft, ein ihrer würdigeres Bild in sich selbst zu erschaffen; und diese Bestrebungen schienen zuweilen von den

Göttinnen begünstiget zu werden. Ein Zufall machte ihr einst aus dem Munde eines Sängers von Theben Pindars erhabnen Gesang auf die Grazien bekannt. Ein himmlischer Lichtstrahl schien ihr, da sie ihn hörte, in ihre Seele zu fallen. Ihr war als würde ein dichter Schleier vor ihren Augen weggezogen, und nun sah sie "diese Grazien, von welchen alles Angenehme und Liebliche zu den Sterblichen ausgießt; unter deren Einfluß der Weise, der Tugendhafte, der Held und der Liebhaber des Schönen sich bildet; diese himmlischen Grazien, ohne welche die Götter selbst keine Freuden kennen, und durch deren Hände alles geht was im Himmel geschieht; sie, die, neben dem Pythischen Apollo thronend, nie aufhören die unvergängliche Majestät des Olympischen Vaters anzubeten." Von diesem Augenblick an blieb das göttliche Bild meiner Seele eingedrückt. Ich konnte mir selbst nicht entwickeln, was ich dabei fühlte; aber ich schwor den Grazien einen heiligen Schwur, sie in allem meinem Thun zu meinen Führerinnen zu erwählen. Wie du siehest, Agathon, hatte die junge Myris einen feinen Ansatz zu eben dieser schönen Schwärmerei, welche in den Hallen und Lorberhainen von Delphi deiner Seele die erste Bildung gab. Die Umstände machten den ganzen Unterschied. Zu Delphi erzogen, würde sie eine Psyche geworden seyn.Ich hatte nun ungefähr dreizehn Jahre, als meine Mutter sich entschloß, mich zu einer alten Vatersschwester nach Athen zu bringen, dem einzigen Ort in der Welt, wo, ihrer Meinung nach, Talente, Jugend und Schönheit die Ungerechtigkeiten des Glucks verbessern konnten. Dort hoffte sie die Früchte einer Erziehung einzuernten, durch welche sie sich das größte

Verdienst um mich gemacht zu haben glaubte. Aber das Schicksal gönnte ihr diese Freude nicht. Sie starb, und ich ging nun in den Schutz eines Bruders über, der, um sich der Sorge für mich zu entledigen, nichts Angelegner's hatte, als den Wunsch unsrer sterbenden Mutter in Ansehung meiner zu erfüllen.Ich kam also nach Athen, das nun den Namen der Hauptstadt von Griechenland behaupten konnte, nachdem es von Perikles zum Sitze der Musen und der Künste erhoben worden war. Die Anverwandte, zu der man mich brachte, schien über das Vermächtniß, das ihr meine Mutter in meiner kleinen Person gemacht hatte, sehr erfreut zu seyn. Sie baute die nämlichen Hoffnungen auf meine Gaben, und gab sich alle mögliche Mühe, mich zu unterrichten, wie ich's anfangen musse, um sie zu meinem Glücke anzuwenden. Witz und eine gewisse Feinheit der Sitten, des Geschmacks und der Sprache sind in Athen sogar den niedrigsten Classen des Volkes eigen. Meine neue Pflegemutter, wiewohl sie nur eine Kräuterhändlerin war, gab mir Lehren, welche einer in den Geheimnissen der schlauesten Koketterie eingeweihten Schülerin der Aspasia nicht unwürdig gewesen wären. Aber ein mir selbst unbekanntes innerliches Widerstreben machte mich ungelehrig fur ihren Unterricht. Mein Herz schien mir zu sagen, daß ich für einen edlern Zweck gemacht sey; aber wenn ich es weiter fragte, verstummte es. Die Profession einer Tänzerin, welche ich zu treiben genöthigt war, wurde mir verhaßt, so sehr ich die Kunst an sich selbst liebte; allein dieser Widerwille nahm unvermerkt ab, je mehr der Anblick so vieler mir ganz neuer Gegenstände, und die

unmerkliche Ansteckung mit dem Geiste des Leichtsinns und der Ueppigkeit, der das Volk zu Athen beherrschte, ihren Einfluß auf mich äußerten. Die Unschuld, die ich aus meiner armen väterlichen Hütte mitgebracht hatte, lief nun immer größere Gefahr, so wie die Unwissenheit sich verlor, von der sie ihre Sicherheit zog. Eine schöne Wohnung, ein prächtiger Putz, ein glänzendes Gefolge, eine niedliche Tafel, Gemälde, Bildsäulen, Persische Tapeten und Ruhebetten, und tausend andre Bedürfnisse der Gemächlichkeit und der Wollust, fingen an Reiz für meine Einbildungskraft zu bekommen, und mir ihre Entbehrung zur Qual zu machen; und nun gab es Augenblicke, wo das Verlangen nach einer in meinem Wahne so beneidenswerthen Glückseligleit mich zu allem bereitwillig zu machen schien, was ein Mittel dazu werden konnte.Die alte Krobyle war, zu meinem Unglück, die Person nicht, die mich richtiger denken lehren konnte. Ihre eigenen Begriffe von Glückseligkeit erstreckten sich nicht über den Kreis der gröbern Sinnlichkeit, und sie ließ sich gar nicht einfallen, daß, außer der Armuth und Dürftigkeit, etwas schändlich sey. Sie unterhielt mich also in einem Taumel, von dem sie selbst große Vortheile zu ziehen hoffte. Der gute Erfolg meiner ersten Versuche in der pantomimischen Tanzkunst machte unsre beiderseitige Bethörung vollkommen. Das gedankenlose Mädchen sog mit wollüstigen Zügen das Vergnügen eines Beifalls ein, der sie hätte demüthigen sollen; und die geldgierige Alte berechnete Tag und Nacht die Schätze, die sie mit meiner Gestalt und mit meinem Talent gewinnen könnte. Ungewohnt sich jemals im Besitz einer größern Summe als einer Hand voll

Obolen zu sehen, verwandelte sich beim Anblick eben so vieler Drachmen alles um sie her in Gold und Silber. Unsre Lebensart wurde sofort nach unsern Hoffnungen eingerichtet.Aber ein kleiner Zufall, den, so gewöhnlich er auch war, die äußerste Unerfahrenheit der jungen Myris sie nicht hatte voraussehen lassen, warf sie gar bald wieder so weit als jemals von dem Ziele ihrer Wünsche zurück. Sie liebte zwar die Freude, und mochte gern gefallen und bewundert werden, aber wollte sich von der vornehmen Jugend in den Häusern, wohin sie ihre Kunst auszuüben berufen wurde, nicht so begegnen lassen, wie man jungen Nymphen von ihrem Range zu begegnen pflegt. Ein gewisser Stolz empörte sich in ihrem kleinen Herzen, der allen unbesonnenen Wünschen ihrer jugendlichen Eitelkeit das Gegengewicht hielt. Die Jünglinge aus dem Stamme der Theseen und Alkmäonen fanden lächerlich, daß eine kleine Tänzerin sich durch ihre Lebhaftigkeiten beleidiget finden sollte; und die kleine Tänzerin fühlte eine Seele in sich erwachen, die den Gedanken, diesen Heldensöhnen zum Spielwerk zu dienen, unerträglich fand.Die wirthschaftliche Krobyle wollte über eine so unzeitige Spitzfindigkeit von Sinnen kommen; aber Myris dachte an das Gelübde, das sie den Grazien geschworen hatte, und blieb unbeweglich. Nicht als ob sie nicht bereits zu fühlen angefangen hätte, daß ihr Herz seine eigenen Bedürfnisse habe: die kleinen halb verschwiegenen Geständnisse, die es ihr that, gaben ihr immer mehr Licht über diesen Punkt. Sie fühlte Fähigkeiten in sich, welche entwickelt zu werden strebten, und einen Schatz von Zärtlichkeit, womit sie nichts anzufangen wußte.

Ihre Seele verlor sich in den Träumen einer angenehmen Schwermuth; sie gab ihren Wünschen Gestalten, und versuchte, sich Gegenstände in sich selbst zu bilden, in deren Anschauen sie ein Vergnügen fände, das die verhaßten Eindrücke derjenigen, wovon sie sich umgeben sah, auslöschen möchte. Aber alle diese Bestrebungen dienten nur dazu, ihr das Gefühl ihres gegenwärtigen Zustandes unerträglich zu machen. Ihre Umstände paßten nicht zu ihren Gesinnungen; sie stellten sie in ein falsches Licht; alles was die Göttin der Schönheit und die Grazien für sie gethan hatten, verlor seinen Werth dadurch; und wie konnte sie hoffen, daß Amor den Verlust ersetzen würde? Wie konnte ein Geschöpf, das seinen Unterhalt damit verdienen mußte, die Reichen zu Athen bei ihren Gastmählern durch üppige Tänze zu vergnügen, sich träumen lassen, jemals der Gegenstand einer zärtlichen Leidenschaft zu werden? Die arme Myris ermüdete sich vergebens mit Nachsinnen, wie sie es anfangen könnte, ihrem Schicksal, dessen Schwere sie täglich schmerzlicher fühlte, eine andre Gestalt zu geben: indessen bestärkte sie sich doch in dem Entschlusse, nicht mehr bei den Gastmählern der Athener zu tanzen.Die alte Krobyle, die ihre Rechnung gar nicht dabei fand, erschöpfte ihre ganze Beredsamkeit, sie auf andre Gedanken zu bringen; und da das eigensinnige Mädchen unbeweglich blieb, erklärte sie ihr endlich mit dürren Worten, daß sie entweder gefälliger seyn, oder selbst für ihren Unterhalt sorgen müßte. Die Unglückliche hatte, da es Ernst wurde, nicht Muth genug sich zum Spinnrocken zu entschließen. Sie bequemte sich also endlich, wiewohl mit Widerwillen, dem Antrage des Malers

Aglaophon Gehör zu geben, dem sie zum Modell für den Alcibiades bestellten Hebe dienen sollte.Der Maler schien mit seinem Modell außerordentlich zufrieden zu seyn. Ich weiß nicht wie er es machte, aber seine Hebe wurde so schön, daß die junge Myris in Gefahr kam, gleich dem Narcissus der Dichter, in ihr eigenes Ebenbild verliebt zu werden.Alcibiades gerieth (wie er ihr in der Folge glauben machen wollte) beim Anblick dieses Gemäldes außer sich. Er wollte wissen, wer die Sterbliche sey, die dem Maler die Grundzüge zu einem so schönen Ideal geliehen habe. Aglaophon versicherte, daß es ein bloßes Geschöpf seiner Einbildungskraft sey. In der That hatte er eine besondere Absicht bei diesem Vorgeben, denn es war ihm mit seiner Hebe ergangen, wie dem Pygmalion mit seiner Bildsäule; und wiewohl die Statue, für die er brannte, schon beseelt war, so fand er dennoch, daß es ihm vielleicht nicht weniger Mühe kosten würde, sie für ihn zu beseelen; und um so viel weniger war er geneigt, sie den Augen eines Alcibiades auszusetzen.Inzwischen bestellte dieser eine Danae bei ihm, welche das Seitenstück der Hebe werden sollte, und Myris mußte sich abermal gefallen lassen, das Urbild dazu abzugeben. Ihre durch den glücklichen Erfolg des ersten Versuchs gereizte Eitelkeit — eine jugendliche Thorheit, die ich nicht damit entschuldigen will, daß sie in ihren Umständen natürlich war — half ihr über die Bedenklichkeiten weg, die sie dabei zu überwinden hatte. Auch war sie noch weit entfernt, die ganze

Stärke der Rolle, die sie übernahm, zu kennen. Gegen den Künstler, dessen Augen verdächtig zu werden anfingen, schützte sie die Gegenwart der alten Krobyle, welche so ziemlich die Miene eines Drachen hatte, der zum Hüter eines bezauberten Schatzes bestellt ist; und überdieß hatte Aglaophon schwören müssen, so lange die Versuchung dauern würde, lauter Auge zu seyn. Demungeachtet setzte es einen großen Streit ab, da die neue Danae sich zu einem Wurf des Gewandes bequemen sollte, der dem Maler einen zu großen Vortheil über sie einzuräumen schien. Aglaophon führte zu seinem Behuf an, daß er für den Alcibiades malen müsse; für einen Kenner, der ihm nicht verzeihen würde, wenn er die Vollkommenheit seines Stücks Bedenklichkeiten aufopfern wollte, die er sich die Freiheit nahm übertrieben zu finden. Die Alte, die des Preises halben bereits mit ihm überein gekommen, und wenig geneigt war, der seinem Denkungsart ihrer Untergebenen zu schonen, unterstützte ihn mit ihrem ganzen Ansehen. Gleichwohl würde vielleicht alles dieß nicht hinreichend gewesen seyn, wenn nicht ein Gedanke, der aus dem eigenen Busen der jungen Myris aufstieg, ihren Eigensinn überwältigt hätte. Die kindische Thörin besorgte, der Künstler — denn für sie war Aglaophon sonst nichts — möchte ihre Weigerung einem Mißtrauen in sich selbst beimessen, dessen sie sich nicht schuldig wußte. Sie überredete sich, daß es undankbar wäre, der Natur nicht Ehre machen zu wollen, und willigte also endlich ein, weil sie doch einmal Danae seyn sollte, es ganz zu seyn. Gleichwohl behauptete Alcibiades (der ohne des Malers Vorwissen einen verstohlnen Zuschauer bei dieser Scene abgab), daß sie mehr einer

Grazie die mit einem Amor spielt, als derjenigen, welche sie hätte vorstellen sollen, gleich gesehen habe.Dieser von der Raserei der Sinnlichkeit und der Ruhmsucht in gleichem Grade beherrschte junge Mann hatte sich bei seinem Maler ein kleines Cabinet bloß zu dem Ende verfertigen lassen, um, so oft es ihm einfiel, die Modelle desselben heimlich in Augenschein zu nehmen, und sich darunter was ihm beliebte auszulesen. Eben darum hatte Aglaophon vorgegeben, daß er seine Hebe ohne Modell verfertigt habe. Aber Alcibiades war ein zu feiner Kenner um sich hintergehen zu lassen. Er glaubte in dieser Hebe Reize zu sehen, welche man nur von der Natur abstehlen könne; und bloß, um sich seine Vermuthungen wahr zu machen, bestellte er eine Danae. Der Eindruck, den das Modell derselben auf ihn machte, war zu stark, als daß ein verzärtelter Günstling der Natur und des Glücks, der nicht wußte was das wäre eine Begierde aufzuopfern, sich durch irgend eine Bedenklichkeit hätte zurückhalten lassen sollen, sichtbar zu werden, und den bestürzten Maler mitten in seinen Beschauungen zu unterbrechen. — "Du kannst deine Pinsel nur auswaschen, Freund Aglaophon, sagte er zu ihm; deine Danae — würde zwar etwas sehr Schönes, aber doch — keine Danae werden. Ueberlaß mir die Sorge, das reizende Modell erst dazu zu bilden! Sobald es Zeit seyn wird, will ich dich rufen lassen; dann sollst du malen! wenn du anders bei ihrem Anblick fähig bleiben wirst, einen Pinsel in der Hand zu halten."Die Verwirrung der jungen Myris bei einer so unerwarteten Erscheinung würde noch schwerer zu malen seyn als

das, was Alcibiades zu einer vollkommnen Danae an ihr vermißte. Sie selbst hätte sich, in den ersten Augenblicken, von dem Tumult von Regungen, der ihr Herz bestürmte, keine Rechenschaft geben können. Aber endlich drang das Gefühl des Uebermuths in dem Betragen des jungen Herrn mit ihrer eigenen Erniedrigung allen andern vor, und das gekränkte Mädchen brach in Thränen aus. Alcibiades war nicht zärtlich genug, davon gerührt zu werden, aber zu höflich, um sie nicht durch eine plötzliche Aenderung seines Bezeigens wieder zu beruhigen. Niemals besaß ein Sterblicher eine größere Leichtigkeit von einem Ton in einen andern überzugehen, und, ohne sich darauf vorbereitet zu haben, die widersprechendsten Rollen zu spielen. Er entschuldigte seine Dazwischenkunft mit einer so feinen Art, sagte der kleinen Myris so verbindliche Sachen, und sagte sie mit einem so gutherzigen Ton und offnen Gesicht, daß es ihr unmöglich war ungehalten auf ihn zu bleiben. Was sie am meisten mit ihm aussöhnte, war, daß er ihr nun mit einer Achtung begegnete, welche kaum größer hätte seyn können, wenn sie ihm an Stande gleich gewesen wäre. Von einem Manne, der an Adel der Geburt und persönlichen Eigenschaften in Griechenland nichts über sich sah, den seine Reichthümer in den Stand setzten den Aufwand eines Fürsten zu machen, und dem das von ihm bezauberte Athen, ohne es selbst recht zu merken, die Vorrechte eines unumschränkten Gebieters einräumte, war ein solches Bezeigen wirklich mehr, als die Eitelkeit eines jungen Geschöpfes, wie die arme Myris war, ertragen konnte. Sie vergab ihm nicht nur bei sich selbst; das unerfahrne Mädchen sah ihn sogar mit

Blicken an, welche, wiewohl sie nur Dankbarkeit ausbrücken sollten, Feuer genug hatten, um von dem zuversichtlichsten Manne der je gewesen ist für etwas noch Schmeichelhafteres aufgenommen zu werden. Sie verdient Aspasien bekannt zu werden, sagte er, indem er sich mit einer ihm eigenen reizenden Lebhaftigkeit zu Aglaophon und Krobyle wandte. Aber — Myris nennt sie sich, sagt ihr? Welch ein Name für so viel Reizungen! Von nun an soll sie Danae heißen! Noch diesen Abend soll Aspasia ihre neue Freundin unter diesem Namen kennen lernen! — Ein Wort, gute Mutter! — Und nun nahm er die Alte auf die Seite, sprach mit ihr, drückte ihr vertraulich die Hand, flog zurück, küßte die meinige, und verschwand.

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