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Kapitel 

C. M. Wieland's Werke.

Vierter Band.

Zweites Capitel.

Veränderung der Scene.

Danae besaß durch die Freigebigkeit des Prinzen Cyrus, außer dem Hause welches sie zu Smyrna bewohnte, ein Landgut in der anmuthigsten Gegend außerhalb der Stadt, wo sie von Zeit zu Zeit einige dem Vergnügen geweihte Tage zuzubringen pflegte. Hierher mußte sich Agathon begeben, um von seinem neuen Amte Besitz zu nehmen, und dasjenige zu veranstalten, was zum Empfang seiner Gebieterin nöthig war, welche sich vorgenommen hatte, den Rest der schönen Jahreszeit auf dem Lande zu genießen.Wir widerstehen der Versuchung eine Beschreibung von diesem Landgute zu machen, um dem Leser das Vergnügen zu lassen, sich dasselbe so wohl angelegt, so prächtig und so angenehm vorzustellen als er selbst will. Alles was wir davon sagen wollen ist, daß diejenigen, deren Einbildungskraft einiger Unterstützung nöthig hat, den sechzehnten Gesang des befreiten Jerusalems lesen müßten, um sich eine Vorstellung von dem Orte zu machen, den sich diese Griechische Armide zum Schauplatz der Siege auswählte, die sie über unsern Helden zu erhalten

hoffte. Sie fand nicht für gut, oder konnte es nicht über sich selbst erhalten, ihn lange auf ihre Ankunft warten zu lassen: und sie war kaum angelangt, als sie ihn zu sich rufen ließ, und ihn durch folgende Anrede in eine angenehme Bestürzung setzte: die Bekanntschaft, die wir vor einigen Tagen mit einander gemacht haben, wäre, auch ohne die Nachrichten die mir Hippias von dir gegeben, schon genug gewesen, mich zu überzeugen, daß du für den Stand nicht geboren bist, in den dich ein widriger Zufall gesetzt hat. Die Gerechtigkeit, die ich Personen von Verdiensten widerfahren zu lassen fähig bin, gab mir das Verlangen ein, dich aus einem Verhältnisse gegen Hippias zu setzen, welches dir die Verschiedenheit deiner Denkungsart von der seinigen in die Länge beschwerlich gemacht haben würde. Er hatte die Gefälligkeit, dich mir als eine Person vorzuschlagen, die sich schickte die Stelle eines Aufsehers in meinem Hause zu vertreten. Ich nahm sein Erbieten an, um das Vergnügen zu haben den Gebrauch davon zu machen, den ich deinen Verdiensten und meiner Denkungsart schuldig bin. Du bist frei, Kallias, und vollkommen Herr zu thun was du für gut befindest. Kann die Freundschaft, die ich dir anbiete, dich bewegen bei mir zu bleiben, so wird der Name eines Amtes, von dessen Pflichten ich dich völlig freispreche, wenigstens dazu dienen, der Welt eine begreifliche Ursache zu geben, warum du in meinem Hause bist. Wo nicht, so soll das Vergnügen, womit ich zu Beförderung der Entwürfe, die du wegen deines künftigen Lebens machen kannst, die Hand bieten werde, dich von der Lauterkeit der Bewegungsgründe überzeugen, welche mich so gegen dich zu handeln angetrieben haben."

Die edle und ungezwungene Anmuth, womit dieses gesprochen wurde, vollendete die Wirkung, die eine so großmüthige Erklärung auf den empfindungsvollen Agathon machen mußte. Was für eine Art zu denken! Was für eine Seele! — Konnt' er weniger thun, als sich zu ihren Füßen werfen, um in Ausdrücken, deren Verwirrung ihre ganze Beredsamkeit ausmachte, der Bewunderung und der Dankbarkeit den Lauf zu lassen, deren Uebermaß seine Brust zu zersprengen drohte? — Keine Danksagungen, Kallias, unterbrach ihn die großmüthige Danae; was ich gethan habe, ist nicht mehr, als ich einem jeden andern, der deine Verdienste hätte, eben so wohl schuldig zu seyn glaubte. — Ich habe keine Ausdrücke für das was ich empfinde, anbetungswürdige Danae, rief der entzückte Agathon: ich nehme dein Geschenk an, um das Vergnügen zu genießen dein freiwilliger Sklave zu seyn; eine Ehre, gegen welche ich die Krone des Königs von Persien verschmähen würde. Ja schönste Danae, seitdem ich dich gesehen habe, kenne ich kein größeres Glück als dich zu sehen; und wenn alles, was ich in deinem Dienste thun kann, fähig wäre, dich von der unaussprechlichen Empfindung, die ich von deinem Werthe habe, zu überzeugen, — würdig wäre mit einem zufriednen Blicke von dir belohnt zu werden, — o Danae! wer würde dann so glücklich seyn als ich? — Laß uns, sagte die bescheidne Nymphe, ein Gespräch enden, das die allzu große Dankbarkeit deines Herzens auf einen zu hohen Ton gestimmt hat. Ich habe dir gesagt, auf was für einem Fuß du hier seyn wirst. Ich sehe dich als einen Freund meines Hauses an, dessen Gegenwart mir Vergnügen macht, dessen Werth ich doch schätze, und

dessen Dienste mir in meinen Angelegenheiten desto nützlicher seyn können, da sie freiwillige und die Frucht einer uneigennützigen Freundschaft seyn werden.Mit diesen Worten verließ sie den dankbaren Agathon, — in dessen Erklärung einige vielleicht Schwurst und Unsinn, oder wenigstens zu viel Feuer und Entzückung gefunden haben werden. Allein sie werden sich zu erinnern belieben, daß Agathon weder in einer so gelassenen Gemüthsverfassung war wie sie, noch alles wußte, was sie durch unsere Verrätherei von der schönen Danae erfahren haben. Wir wissen freilich was wir ungefähr von ihr denken sollen; allein in seinen Augen war sie eine Göttin, und, zu ihren Füßen liegend, konnte er, zumal bei der Verbindlichkeit die er ihr hatte, natürlicher Weise diese Danae nicht mit der philosophischen Gleichgültigkeit ansehen, womit wir andern — sie nicht sehen.Agathon war nun also ein Hausgenosse der schönen Danae, und entfaltete mit jedem Tage neue Verdienste, die ihn dieses Glückes würdig zeigten, und die seine geringe Achtung für den Hippias ihn verhindert hatte in dessen Hause sehen zu lassen. Da, nebst den besondern Ergötzungen des Landlebens, diese feinere Art von Belustigungen, an denen der Witz und die Musen den meisten Antheil haben, die hauptsächlichste Beschäftigung war, wozu man die Zeit in diesem angenehmen Aufenthalt anwandte: so hatte er Gelegenheit genug, seine Talente von dieser Seite schimmern zu lassen. Seine bezauberte Phantasie gab ihm so viel Erfindungen an die Hand, daß er keine andre Mühe hatte als diejenigen auszuwählen, die er am geschicktesten glaubte, seine Gebieterin und die kleine

Gesellschaft von vertrauten Freunden, die sich bei ihr einfanden, zu ergötzen. So weit war es schon mit demjenigen gekommen, der vor wenigen Tagen es für eine geringschätzige Bestimmung hielt, in der Person eines unschuldigen Vorlesers die Ionischen Ohren zu bezaubern.In der That können wir länger nicht verbergen, daß diese unbeschreibliche Empfindung (wie er dasjenige nannte was ihm die schöne Danae eingeflößt hatte), dieses ich weiß nicht was, welches wir (so wenig er es auch gestanden hätte) ganz ungescheuet Liebe nennen wollen, in dem Laufe von wenigen Tagen so sehr gewachsen war, daß einem jeden andern als einem Agathon die Augen über den wahren Zustand seines Herzens hätten aufgehen müssen. Und ungeachtet wir besorgen müssen, daß die Umständlichkeit unserer Erzählung bei diesem Theile seiner Geschichte den ernsthaftern unter unsern Lesern langweilig vorkommen werde: so können wir uns doch nicht entbrechen, von dem Wie? und Warum? dieser schnellen Veränderung genauere Rechenschaft zu geben. Alle Achtung, die wir den besagten ernsthaften Lesern schuldig sind, kann und darf uns nicht verhindern, als etwas Mögliches anzunehmen, daß diese Geschichte vielleicht künftig einem jungen noch nicht ganz ausgebrüteten Agathon in die Hände fallen könnte, der aus einer genauern Beschreibung der Veränderungen, welche die Göttin Danae nach und nach in dem Herzen und der Denkungsart unsers Helden hervorgebracht, sich gewisse Beobachtungen und Cautelen ziehen könnte, von welchen er guten Gebrauch zu machen Gelegenheit bekommen möchte. Wir glauben also, wenn wir, diesem zukünftigen Agathon zu

Gefallen, uns die Mühe nehmen, der Leidenschaft unsers Helden, von der Quelle an, in ihrem wiewohl noch geheimen Laufe nachzugehen, desto eher entschuldiget zu seyn, da es allen übrigen, die mit diesen Anekdoten nichts zu machen wissen, frei steht, das folgende Kapitel zu überschlagen.

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