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Kapitel 

C. M. Wieland's Werke.

Dritter Band.

Vorbericht.

Die bekannte Milesische Fabel von Amor und Psyche aus dem goldnen Esel des Apulejus, die schon in den frühesten Jahren unsers Dichters mit einem ganz eigenen Zauber auf seine Seele gewirkt hatte, bildete sich nach und nach in seiner Phantasie zu einem idealischen Traumgesicht einer Art von allegorischer Naturgeschichte der Seele, mit dessen Ausbildung er viele Jahre lang umging, ohne zu dieser besonderen feinen Stimmung des Gemüths und dieser äußeren Ruhe und Muße gelangen zu können, welche ihm zur Ausführung und wirklichen Darstellung des ihm vorschwebenden Ideals nothwendige Bedingungen zu seyn schienen. Die Idee dieser Psyche verfolgte ihn, so zu sagen, wie das Gespenst einer lieben Abgeschiedenen, das dem Geliebten mit offenen Armen entgegen schwebt, aber, sobald er es zu umfangen glaubt, zwischen seinen Armen in Liebe zerflossen ist. Vermuthlich lag es auch an den Hindernissen, welche die verschiedenen Lagen des Dichters in dem ganzen Zeitraume zwischen den Jahren 1758 und 75 der Ausarbeitung eines so zart gesponnenen psychologischen Feenmärchens entgegen setzten, daß er sogar über die Art der Einkleidung und den Hauptton, der durch das ganze Gemälde herrschen sollte, nie mit sich einig werden konnte.

Endlich brachte ihn ein zufälliges Zusammentreffen von Ideen auf den Einfall, diese Geschichte der Psyche, einer liebenswürdigen und zur feinsten Art von Schwärmerei aufgelegten Priesterin, von einem —Platonischen Liebhaber in einer Reihe schöner Sommernächte erzählen zu lassen. Glücklicherweise bot sich ihm hierzu die (aus Plutarch bekannte) zweite Aspasia an, die aus einer Geliebten des jüngern Cyrus, nach dem tragischen Tode dieses Prinzen, Oberpriesterin der Diana zu Ekbatana geworden war. Zum Erzähler machte er einen schönen jungen Magier aus Zoroasters Schule; und, da ihm diese Form der Erzählung unter allen andern, die sich nach und nach dargestellt hatten, die schicklichste zu seyn däuchte, um alle Zwecke zu vereinigen, die er bei diesem poetischen Werke beabsichtigte: so beschloß er, keine andere zu suchen, und machte sich an einigen heitern und geschäftfreien Tagen, die ihm im Jahre 1767 zu Theil wurden, an die Ausführung.Diese Spiele mit seiner Muse waren ihm in seiner damaligen Lage, im eigentlichen Verstande, curarum dulce lenimen; und, wenn es allgemein wahr wäre, daß verstohlner Weise erzeugte Kinder schöner und geistreicher wären als andre, so müßten seine in der Canzlei der Reichsstadt Biberach entstandenen Gedichte nicht geringe Vorzüge vor den übrigen haben.Aber das angefangene Werk war von einem zu großen Umfange, — die günstigen Stunden, die er dazu stehlen mußte, zu selten, — und, die Wahrheit zu sagen, das Gefühl der Geisteskraft, die zu dessen Ausführung erfordert

wurde, nicht stark und anhaltend genug, als daß er die Lust fortzufahren nicht ziemlich bald verloren hätte. Er vertröstete sich selbst mehrere Jahre durch auf gelegenere Zeiten; aber sie kamen nicht: andere Plane, andere Arbeiten bemächtigten sich seiner Einbildungskraft; ein Theil des Stoffes, woraus jenes Werk hätte gewebt werden sollen, wurde nach und nach im Idris, im Neuen Amadis und in den Grazien verarbeitet; aus einem andern Theil entstand die Erzählung "Aspasia" und von dem, was das erste, zweite, dritte und vierte Buch von Psyche ausgemacht haben sollte, erhielten sich bloß die Bruchstücke, welche theils in der Vorrede zur ersten Ausgabe der Musarion, theils als Anhang zur ersten Ausgabe der Grazien (1770), theils im Deutschen Mercur (Mai 1774) bereits abgedruckt worden sind und damals eine so günstige Aufnahme gefunden haben, daß sie hoffentlich des wenigen Raums, den sie in gegenwärtiger Sammlung einnehmen, auch jetzt nicht ganz unwürdig scheinen werden.

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