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C. M. Wielands Werke.

Sechsundzwanzigster Band.

Fünfter Gesang.

Unterdeß hielt mit ermüdetem Arm Gadates den Helden
Siegesbegierig auch auf. Im ersten Sturme des Treffens
Hatt' er den Anschlag gefaßt, mit seinen Mengen die Perser
Um und um einzuschließen. Die Söhne des Nils, die Hyrkaner,
Und die Kadusier sollten mit ihm die schönste der Thaten
Rühmlich versuchen, den Krieg mit Einem Streiche zu enden.
Aber der Göttliche spähte von fern des Assyrischen Führers
Stolzen Entwurf: und ruhig und schnell, wie Götter im Stillen
Wirkend den nahen Erfolg der menschlichen Schlüsse zernichten
Kommt er dem Sichern zuvor. Er schickt mit Armeniens Rossen
Seinen Tigranes, die feindlichen Flügel zu trennen: er selber
Eilet indeß mit den Persern, dem trägern Gegner die Flanke
Abzugewinnen. Es fleugt der Persische Phalanx. Der Panzer
Und der Schwerter Gewicht und die Last des ehernen Schildes

Hält die Geübten nicht auf. Denn dreht er mit mächtigem Schwunge Plötzlich sich um, und dehnt im bestürzten Antlitz der Feinde Seine Linien aus. Erbittert, die Hoffnung des Sieges Sich entrissen zu sehn, verdoppelt der kühne Gadates Seinen Eifer. Sein Muth, sein Beispiel, sein feuriger Zuruf Hemmt den Schrecken, der schon die ersten Reihen verwirrte, Auch dich, Sarkan, ergreift die Gewalt der Siegesbegierde, Ob sich dein Herz gleich sträubt, für deinen Tyrannen zu kämpfen. Muthig stellst du dein Heer, die wohl gewachs'nen Hyrkaner, Söhne der freien Natur, dem ersten Angriff entgegen. Schnell, mit flüchtigem Schritt und unerschrockenen Blicken, Nahen die Perser, die Brust mit dem runden Schilde bedeckt In der Rechten das Schwert, zu blutigen Werken gezücket. Aber noch ruhn, so befahl es der Held, die tödtlichen Waffen In der dräuenden Faust. Auf einmal ergießt sich ein Regen Schwirrender Pfeile den Männern entgegen. Doch immer geschlossen Stürmen sie fort, und lachen der leichten Wunden. Itzt schauet, Cyrus, dein mächtiger Ruf! Sogleich in schrecklichem Anlauf Stürzt sich der Phalanx, die dichten Schilde zusammen gedränget, In die Hyrkaner. So rauscht aus heulenden Wolken ein Sturmwind Auf den Tannenwald zu, und wirft die krachenden Stämme Reihenweis' nieder. Itzt hätte die Flucht und der Taumel des Schreckens

Schnell, wie in einem entzündeten Haine die wallende Flamme Durch die Gesträuche sich wälzt, die Söhne des Ochus ergriffen, Hätte nicht Sarkan der weichenden Schaar und dem folgenden Sieger Mitten im wilden Gedränge sich selbst entgegen geworfen. Wüthend, vor seiner Stirn Hyrkantens edelste Blüthe Unter dem Persischen Schwert ungerochen fallen zu sehen, Nennt er, die Seelen der Brüder zu rächen, mit wallenden Zügeln Unter den Feind. Sein einzelner Arm, von der feurigen Seele Wie mit Allmacht geschwellt, hält ganze Schaaren zurücke. Rastlos blitzt sein Schwert auf ihre Häupter herunter, Schlag auf Schlag. Schon liegen Peucest und der trotzige Smerdis Blutend im Staub; bald fallen Argast und Atys und Zedar, Würdige Brüder, die blühenden Söhne des grauen Argantes; Jeder, indem er voll Edelmuth sich dem Bruder zum Schilde Vorwirft, der eignen Gefahr und der strömenden Wunden vergessend! Um sie wird der untröstbare Greis die silbernen Haare Raufen, und jeden Morgen und jeden traurigen Abend Einsam mit jammernden Thränen den leeren Aschenkrug netzen.

Aber itzt naht sich dem kühnen Hyrkaner ein stärkerer Gegner,
Arasambes, der schönste nach Cyrus von Persiens Söhnen,
Und von Cyrus geliebt. Ihm hatten die Grazien alle,
Als ihn die Mutter gebar, gelächelt, die schönste der Musen
Selbst die nektarne Brust ihm unter Lorbern gereichet.

Früh entflog Arasambes den leichten Freuden der Jugend, Weisheit im Schooß der Natur, und in den Thaten der Helden Dich, o göttliche Tugend, zu suchen. Oft hörten die Haine Und der entzückte Hirt, und das rosenwangige Mädchen, Unten im blumigen Thal bei ihren Schafen gelagert, Wenn er vom Gipfel des Felsen, im morgenröthlichen Schimmer, Seinen erhabnen Gesang aus silbernen Saiten beseelte. Mit den sanftern Künsten der keuschen Musen verband er Jede kriegrische Tugend. Ihm pflegte Cyrus zu rufen, Wenn die Zeit den Behenden, den Klugen, den Tapfern verlangte. Dieser war's, der sich den siegenden Arm des Hyrkaners Aufzuhalten getraut'. In silbernen spiegelnden Waffen Tritt er ihm kühn entgegen. Sie schauen schweigend einander Mit Bewunderung an, und jeder wünscht sich den Gegner Lieber zum Freund. Doch fordert die Pflicht itzt andre Gedanken Hartes Geschick! Die Tugend, die ihren verschwisterten Seelen Liebe gebeut, befeuert sie selbst zu feindlichen Thaten. Ungesäumt rüsten sie sich, den edeln Kampf zu beginnen. Jeder umfaßt den Schild, und hebt zu tödtlichen Streichen Hoch den schimmernden Stahl. So laufen sie gegen einander Unter der Kämpfenden Fuß ertönt die Erde, die Schilde Stoßen zusammen, die mächtigen Hiebe durchkreuzen sich klappernd, Prallen vom Schilde zurück, und glitschen am schlüpfrigen Helme

Fruchtlos herab. Dir, Sarkan, gelingt's, den Persischen Jüngling, Da er zu feurig dich preßt, zuerst an der wächsernen Schulter Leicht zu verwunden. Erhitzt vom Anblick des sprudelnden Blutes Das vom Arme herab ihm rieselt, rafft Arasambes Jede zerstreute Kraft zu Einem Streiche zusammen, Den er dem Haupt des Hyrkaners bestimmt. Doch, Sarkan, dein Schutzgeist Wacht, zur Seite dir schwebend, den mördrischen Schlag zu verhindern Eh' noch das Persische Schwert den Helm des Hyrkaners berühret, Wirft sich, für beider Leben besorgt, ein Haufen von Streitern Zwischen die Helden. Sie zürnen umsonst, die Wellen des Krieges Reißen sie stürmisch hinweg, und öffnen dem Muthe der Kämpfer Andre Scenen zum Sieg. Dort, wo der göttliche Perser Mit Gadates noch ringt, enthüllt sich die blutigste. Sarkan Eilet dahin, den Bedrängten zu Hülfe. Die Tapfern verschwenden Fruchtlos ihr Blut, das besser die Sache der Freiheit zu schützen Angewandt wäre; sie toben umsonst dem Helden entgegen, Den der Himmel beschützt, für den die Unsterblichen streiten! Alles weicht der unsichtbaren Macht. Sein furchtbares Schwert blitz Tod und Verderben umher. — Doch, Muse, ziehe den Vorhang

Ueber die blutigen Thaten! Verhülle den Todesengel, Dessen rächender Arm die strenge Gerechtigkeit führet. Oder bezwingt dich der Reiz, den Unerschrocknen zu sehen, Wie er mit ruhigem Blick die Blitze des Donnerers schleudert, Wie er, mitten im Sturm, des Heeres Bewegungen lenket, Alles umschaut und alles besorgt und alles beseelet: Göttin, so laß den Augen, die voll entzückter Bewundrung Deinen Liebling beschau'n, mitleidige Thränen entfallen; Thränen, daß den Gerechten, den liebenden Bruder der Menschen, Wider sein Herz die eiserne Noth zum Würgen gezwungen!

Doch nicht dann nur allein, wenn sein wohlthätiges Lächeln
Wonne den Völkern verheißt, auch wenn er zürnet und tödtet,
Ist er des Ewigen Bild. Dich selbst, o Vater der Wesen,
Geber der Freude, die sich aus deiner unendlichen Fülle
Durch die Welten umher zu allen Erschaffnen ergießet,
Dich selbst nöthigt die Wuth der Störer deiner Gesetze,
Wenn sie das Zögern der Strafe zu neuen Empörungen anreizt,
Oftmals von der entheiligten Erde dein Antlitz zu wenden.
Dann erblasset der Tag, dann beben die Pfeiler der Erde
Und die Inseln des Meers, dann schwellen die siedenden Wogen
Ueber die Ufer empor, die berstenden Felsen zerschmelzen,
Flammend thut sich der Acheron auf und sündige Städte
Taumeln mit ihren Bewohnern hinab. Die goldnen Paläste,
Wo mit der Wollust der Geiz und die unersättliche Raubsucht
Wohnten, die marmornen Tempel, wo vor vergötterten Lastern
Seiner Priester ein schwärmendes Volk im Staube sich wälzte,
Stürzen krachend herab. Das Heulen der Todesangst winselt
Aus den Ruinen herauf. Umsonst, der zürnende Himmel

Höret sie nicht! Vergeblich entfliehn die nackenden Schaaren, Bleichen Gespenstern gleich, dem tausendfältigen Tode, Der sie von allen Seiten umstürmt, in wüthenden Flammen Lodert, in Wassern braus't, und aus den Wolken herabstürzt.

Schon wich alles dem Persischen Sieger. Die Schaaren von Babel
Waren zertrennt, und deckten in blutigen Schichten den Boden:
Als das Geschrei vom Tode des Königs gegen die Seite,
Wo Gadates noch stritt, sich wälzte. Die schreckende Nachricht
Eilet von Mund zu Mund, verkündigt den Sieger Araspes,
Und des Tyrannen Fall, und die Niederlage der Baktrer.
Plötzlich entsinkt den Männern der Muth; das Schicksal des Königs
Und der Hälfte des Heers verkündigt ihnen ihr eignes.
Alle fliehen. Vergebens bemüht sich Gadates, mit Ordnung
Sie zurücke zu ziehn; die taumelnde taube Bestürzung
Höret den Führer nicht mehr. Auf blutbezeichneten Wegen
Fliehn sie, zerstreut, wie der Zufall es treibt, zum bebenden Lager.
Aber nicht minder vom Sieg, als jene vom Schrecken beflügelt
Setzt Teribazus den Fliehenden nach. Armeniens Rosse,
Leicht geschenkelt wie die, die, von Frühlingswinden empfangen,
Thraciens lüftige Höhn mit ihrem Wiehern erfüllen,
Rennen wetteifernd den Medischen vor. Selbst Persiens Söhne
Folgen dem reißenden Schwall, wiewohl des Panzers und Schildes

Eherne Last sie hemmt. Nur Cyrus bleibet noch einsam Auf dem Schauplatz des Todes zurück. Mit trauernden Blicken Sieht er sich um und seufzt, und stille Thränen, von Engeln Aufgefasset, entschleichen den braunen Wangen des Siegers. Schauernd, mit bleicher Stirn, von der der Heldenschweiß träufelt, Steht er und schaut umher, vergißt des Sieges und jammert In sich selber verhüllt. Itzt wollten in heiligem Zorne Seine Lippen sich öffnen, dem Ungerechten zu fluchen, Dessen versöhnendes Blut itzt mit dem Blute der Opfer Seines unseligen Stolzes sich mischte. Doch faßt' er sich plötzlich Wieder, und schwieg, und sah mit tiefen Blicken gen Himmel Und mit gefaltetem Arm. — "O Vater der Götter und Menschen, Schaue herab! — O laß die bessern tröstenden Tage Eilen, die Wiederbringer der Ruh' und der friedsamen Ordnung Ganz dem heil'gen Geschäfte, die Menschen glücklich zu machen, Ganz dem Frieden geweiht! — — Aber noch sind sie fern. Dein unerforschliches Schicksal Fordert noch Blut. Noch ruft der Tugenden schwerste, der Pflichten Strengste mich auf." — So denkt er, und steht in traurigem Tiefsinn Und in Wehmuth versenkt. Ihm schwebt sein himmlischer Führer Ungesehen zur Seiten, und haucht balsamische Lüfte Um sein Antlitz, und Ruh' und belohnende Freuden der Tugend

Tief ins besänftigte Herz. Der Held erhebt itzt sein Auge Wieder, dann senkt es sich auf die edeln Leichen der Perser, Die um ihn her, von Wunden erschöpft, die muthigen Seelen Ausgehaucht hatten. Bewundrung und sanfte Trauer vermischt sich Glänzend im thränenden Blick. Wie sind, so ruft er, die Helden, Ach! wie sind sie gefallen, die würdigen Schützer der Freiheit! Doch ich klage nicht euch! Ihr fielet edel, mit Wunden Für die gerechte Sache geschmückt. Den schönsten der Tode Gab euch das Schicksal zu sterben: itzt öffnet die Wohnung der Götter Sich im Triumph den Söhnen der Tugend, unsterbliche Feste Mit den Geistern zu feiern, die auch durch göttliche Thaten, Würdig des Danks der Erde, des Himmels würdig sich machten. Nein! ich klage nicht euch! Für dich, mein Vaterland, fließen Meine Thränen. Du hast die würdigsten deiner Söhne, Deine Beschirmer, verloren. Verzeiht, glorwürdige Schatten, Daß wir den Jubel, die Freuden des Siegs, die glänzenden Früchte Euers wohlthätigen Todes, mit menschlichen Thränen beflecken! Hier auf diesem geheiligten Boden, hier, wo ihr geblutet, Soll den Wolken entgegengethürmt ein marmornes Denkmal, Ringsum mit goldnen Waffen behangen, der dankbaren Nachwelt Ihre Retter erzählen! So oft die Sonne zurückkommt, Soll ein festlicher Tag mit Spielen der kriegrischen Jugend, Euerm Gedächtniß geweiht, die späten bewundernden Enkel

Reizen, die Bahn der Ehre in euern Tritten zu laufen! Also sprach er und blieb in ernsten Betrachtungen stehen. Unterdeß wälzt sich die Flucht, und das laute Jauchzen der Sieger Bis zum Lager. Zu Tausenden stehn die Assyrischen Mütter Auf dem thürmenden Wall, und werfen ängstliche Blicke Ueber die Ebnen, woher aus neblichter Ferne des Streites Gräßliches Antlitz sie schreckt. Ein kriegrisches wildes Getümmel Schlägt ihr lauschendes Ohr: wie wenn aus felsigen Wüsten Mit dem Sausen des Sturms und dem Schalle des fallenden Waldstroms, Der, von zerborstenen Wolken geschwellt, sich über die Felsen, Stürzet, des Donners Gebrüll im Ohre des Wandrers sich mischet. Aber itzt wächs't das Getös', und kommt den Bebenden näher. Unglückselige! welch ein Gesicht enthüllt sich auf einmal Euern Augen! Das Feld von Fliehenden wimmelnd, die Schaaren Alle zerstreut, der Boden bedeckt von Assyrischen Schilden! Wüthend raufen sie sich den Schmuck der goldenen Locken, Heulen und schlagen die schuldlose Brust. Ein schwärmender Schrecken Faßt sie, die Furcht ersetzt den Mangel der Stärke, und schwellet In der Verzweiflung mit männlicher Wuth die weiblichen Busen. Zitternd, mit nacktem Fuß und offnen fliegenden Haaren, Drängt die wehrlose Schaar sich aus den Thoren des Lagers, Unter die Fliehenden. Zürnender Spott und bittre Verweise

Schallen, aus jedem Mund, und blitzen im wüthenden Auge. Suchet ihr hier den Feind, Unmännliche? Kehret ihr also Im Triumphe zurück? Soll euch die wallende Länge Unsrer Schleier dem dräuenden Antlitz des Siegers verbergen? Oder sollen wir, daß ihr indeß gemächlicher fliehet, Unsern Busen für euch den feindlichen Pfeilen entblößen?

Solche Reden entstürzten den scharfen weiblichen Lippen.
Scham und vermischter Zorn entflammet die Männer, sie stehen
Unentschlossen: doch bald vollendet die flehende Thräne,
Was der strenge Verweis nicht auszurichten vermochte;
Denn itzt werfen sich sich zu den Füßen der Männer und weinen,
Schlingen um ihre Kniee die wächsernen Arme, und schauen
Gegen sie auf mit flehendem Blick. Beim Tage voll Schmerzen,
Der ihn gebar, beschwöret den Sohn die jammernde Mutter,
Sie vor der Schmach der Bande zu schützen. Mit zärtlichem Wüthen
Reißt die Gattin ihr Kind von der Brust, den wimmernden Erstling
Ihrer Umarmungen, streckt es verstummend dem Vater entgegen,
Und durchbohrt ihm sein Herz mit unaussprechlichen Blicken.
Nicht vergeblich! Die Muthlosen fühlen die Allmacht der Schönheit
Und der Natur, die Zaubergewalt des holden Geschlechtes,
Das die Anmuth allein statt aller Waffen empfangen,
Feige zu Helden erhitzt, und Helden durch Thränen entwaffnet.
Was dein Beispiel, dein Muth, was deine beredenden Künste
Nicht vermochten, Gadates, das wirkt die weinende Schönheit.

Haufenweis' sammeln sie sich, und füllen die Pforten des Lagers Und den gethürmten Wall, den Feind zu erwarten entschlossen.

Sarkan allein, von andern geheimen Gedanken getrieben,
Hatte sich unter der Flucht mit seinen Hyrkanern von ihnen
Abgesondert, und wich, stets fechtend, mit langsamen Schritten
Gegen das nahe Gebirge zurück. Die übrigen alle,
Deren das Schwert geschont, verschloß das schirmende Lager.
Aber dem Persischen Muth und deinem Schicksal, o Cyrus,
Thürmten sich Alpen selbst nicht unersteiglich entgegen.
Sengte gleich Libyscher Sand die brennenden Sohlen, verwehrten
Reißende Ströme den Weg und schneebeiadne Gebirge;
Nichts, nichts hemmt der Siegenden Lauf, sie lachen der Arbeit
Und der bekannten Gefahr, und schämen sich leichter Triumphe.
Tausend der kühnsten von Persiens Söhnen, mit Cyrus erzogen,
Jünglinge, denen der Name der Furcht leer tönender Schall war,
Hatten sich an die Stirne des wartenden Heeres gedränget,
Ungeduldig, bis Cyrus, den Sturm zu erlauben, sich zeigte.
Cyrus erschien. Schon neigte die Sonne den Wagen nach Westen.
Als er dem Heere sich zeigt'. Ein lautes Frohlocken der Männer
Holt siegprangend ihn ein. Nur Eine Arbeit noch, ruft er
Ihnen entgegen, so ist der Siege schönster vollendet.
Diese Wälle verbergen uns nur die Belohnung des Sieges.
Haben wir nicht die keuchenden Feinde, wie schüchterne Rehe,
Daß uns keiner entrinn', hierher zusammengetrieben?

Laßt den Erschrocknen nicht Zeit, sich aus der Betäubung zu sammeln. Eilet, ersteiget den Wall, ergötzt mein begleitendes Auge Durch den Anblick wetteifernder Thaten! — So spornt er mit Worten Voll Vertrauens die Willigen an. Die goldne Trompete Hallt den Befehl umher; die wilden kriegrischen Seelen Hüpfen in jedem Busen empor, indem der bekannte Siegweissagende Schall die horchenden Ohren bezaubert. Reihenweis' rücken sie gegen den Wall; ein Sturmdach von Schilden Schlägt die Pfeile zurück, die aus den hölzernen Thürmen Ueber sie regnen. Dann klettern die kühnsten von Persiens Jugend, Auf das eherne Dach von ihren Freunden gehoben, Muthig den neigenden Hügel hinauf. Der Zuruf der Brüder Feu'rt die Wetteifernden an. In wenigen Augenblicken Ist im bestürzten Antlitz des Feindes das Bollwerk erstiegen. Seellos, der letzten Hoffnung beraubt, der flehenden Weiber Und des gegebenen Worts uneingedenk, fliehn die Assyrer Taumelnd zurück, und lassen dem würdigern Sieger die Beute. Schon durchbricht er die Thore des Lagers, schon fallen die Baktrer, Die sie beschützen, von Speeren durchbohrt. Wie Wogen des Meeres Durch den zerborstnen Damm sich über die Felder ergießen, Strömen die Sieger hinein, indem die flüchtigen Schaaren Uebereinander gewälzt, aus der westlichen Pforte sich drängen.

Schamvoll und unentschlossen entweicht auch Gadates, und fluchet

Seinem Gestirn, das ihn zu Babylons Sklaven verdammte. Soll er entfliehn, um sich her die irrenden Flüchtlinge sammeln, Und mit dem Rest des zertrümmerten Heers sich unter die Mauern Babylons ziehn, den Staub vor dem neuen Beherrscher zu küssen, Den aus dem innern Palast der Tod Neriglissors zum Thron ruft? Soll er ein neues Heer, von den Persern geschlachtet zu werden, Aus den entvölkerten Ländern erzwingen, damit dem Tyrannen Wüsten doch übrig bleiben, die seinen Scepter erkennen? Oder soll er, vom Beispiel des Glücks und der Götter entschuldigt, Sich fur Cyrus erklären? Das letzte räth ihm die Klugheit, Jenes befiehlt die herrschende Ehre! Auf einmal entschlossen, Drängt er sich aus der Verwirrung der Flucht zum benachbarten Walde, Wo, von den wachsenden Schatten begünstigt, die flüchtigen Haufen Sicherheit suchen. Ihm gönnt der ruhebedürftige Sieger, Sich zu verstärken, die Stunden der Dämmrung. Hier sammeln in kurzem Sich Myriaden um ihn. Sein hohes königlich's Ansehn, Und sein verwegener Geist, der stolz dem Unglück entgegen Kämpft und mitten im Sturm sich über den Wellen emporhält, Macht ihn in ihren Augen zum Gott. Sie schwören ihm Treue!

Also zieht er, verhüllt in mitternächtliches Dunkel,
Babylons Gegenden zu. Verheerung und flammende Hütten

Zeichnen des Fliehenden Weg. Den Lauf des Siegers zu hemmen, Setzt er ihm Wüsten entgegen. Er eilt, vom folgenden Feinde Nicht erreicht, und wächs't, indem er verwüstend sich fortwälzt, Bis er am vierten Tage die Ufer des Tigris ereilet.