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C. M. Wielands Werke.

Sechsundzwanzigster Band.

Vierter Gesang.

Nenne mir itzt, Xenophontische Muse, die Menge der Völker,
Mannichfaltig an Sprach' und Gestalt, an Sitten und Waffen,
Die, aus entlegnen Zonen der Erde vom herrschenden Winke
Babels gerufen, sich neben einander zu sehen erstaunten:
Nenne sie, melde die Sitten der Männer, dann gib sie, o Göttin,
Ihrem Schicksal! — Erhöht auf dem elfenbeinernen Wagen
Sitzt der Tyrann, die bunten unzählbaren Schaaren zu schauen,
Wie sie vor seinem Aug' in sklavischer Stille vorbeiziehn.
Aus den beblümten Gefilden, durch die der Tigris sich wälzet,
Kamen zuerst die Assyrer. Ein leichter beflügelter Wurfspieß
Schimmert in jeder schwingenden Hand, ein stählerner Köcher
Tönt auf der Schulter, ein farbiger Schild beschützet die Linke.
Einst ein mächtiges Volk, das seine gefürchteten Waffen
Bis zum Ganges oft trug; itzt kaum die Schatten von ihren
Kriegrischen Ahnen, die einst mit Ninus die Hälfte der Erde
Unter Trophäen verbargen. — Die Schaaren, die Babylon sandte,
Folgen, von Intaphernes geführt. In den Künsten des Krieges

Fremdlinge, besser geübt am frohen Trinkfest zu siegen, Und im Mäandrischen Tanz das weibliche Lob zu erringen. Jeder regiert ein Parthisches Roß, mit Purpur bedecket Und mit starrendem Gold; auf jedem vergoldeten Helme, Der die gekräuselten Locken, von Salben triefend, umfasset, Schwimmt ein purpurner Busch; ein Rock von Aegyptischem Byssus, Bunt mit der malenden Nadel gestickt, umflattert leicht wallend Ihre Schultern: so ziehn sie, auf ihre weit schimmernde Rüstung Weibisch eitel, daher, und zeigen den Feinden die Beute.

Leicht, mit dem runden Schild und der schwachen Lanze bewaffnet,
Ziehen die Syrer, ein schüchternes Volk, zu Künsten des Friedens
Von der Natur bestimmt. Sie wohnen in Libanons Schatten,
In den bezauberten Hainen von Daphne und unter den Rosen
Von Damaskus; in Gegenden, wo der Herbst mit dem Lenzen
Brüderlich herrscht. Dort glänzen die Blumen in höherem Schmelze,
Ewig grünen die Hügel von Myrten, dort kühlen nur Weste
Säuselnd die üppige Luft, und hauchen die Seele der Wollust
Durch die Natur in Menschen und Thiere. — Zu ihnen gesellen
Sich die Araber, geübt den eisernen Wagen zu lenken,
Oder vom Rücken des schnellen Kamels den Bogen zu spannen,
Oder ums Haupt die Schleuder zu schwingen. Sie wohnen in Zelten,
Weit durch Wüsten zerstreut, wo keine Quelle durch Blumen
Rieselt, in felsigen Klippen, die, unzugangbar, den Nachbarn
Ihre Räuber verbergen. — Mit ihnen strömen die Horden,
Welche die blühende Küste des Persischen Meeres bewohnen;

Mild, wie ihr Himmel, verbreiten sie sich an den Myrrhengebirgen Und den umduftenden Hainen von Saba, durch lachende Fluren; Friedsame Hirten, im Schooß der Natur zur Einfalt erzogen, Ungebildet, gesetzlos und fremd in den Künsten des Witzes, Hatte sie Neriglissor dem ländlichen Frieden entzogen, Daß sie den Persischen Speer mit ihrem Blute befleckten.

Fern von den Ufern des {Ochus,} der unter Gewölben von Eichen
Dunkel entfließt, wo Schwärme von Bienen den Nektar ergießen,
Den sie dem Frühling entwandt, aus überfließenden Auen,
Wo die Natur verschwendrisch dem Fleiße der Menschen zuvoreilt,
Kam die Hyrkanische Schaar, unwillig den ruhigen Hütten
Ihrer Väter entrissen. Noch blitzt in den Augen der Männer
Dunkler verschwiegner Grimm, der neuen Knechtschaft gehässig,
Welche sie Neriglissor gelehrt. Der muthige Sarkan
Führt sie, der letzte Sprößling des alten vergötterten Stammes
Ihrer Fürsten. Tief naget der Schmerz an der Seele des Jünglings,
Die sich empört, die Fesseln des Ueberwinders zu tragen;
Traurig geht er mit Wangen voll Scham und sinkenden Blicken,
Aber sein männliches Herz pocht Rache. — {Kadusiens} Söhne
Kommen mit ihm aus den kalten Gebirgen des grauen Niphates,
Wo die rohe Natur die unverzärtelten Leiber
Nerviger bildet, und stark und freiheitathmend die Seelen.
Dennoch gelang's dem Bezwinger der Völker, sie, gleich den Hyrkanern,
Dienstbar zu machen: er würgte die edlere Hälfte des Volkes,

Daß er die andre beherrschte. Die Herzen durch Liebe zu fesseln Unbesorgt, hielt sich der Thor des Leibes Meister. Der Ausgang Strafte die Thorheit. — Dann ziehen die Baktrischen Haufen, in Felle Fleckiger Tiger gehüllt, die Zähne und Klauen vergoldet. Frei geboren verließen die Wilden den fruchtbaren Boden, Den der Jaxart bespült, wo die fetten Auen vergebens Ihre Bewohner zum Bauen einladen. Nach skythischer Sitte Nährt sie der Raub und die Jagd, unkundig der sanfteren Künste, Welche das Leben zugleich mit den Sitten der Menschen verschönern.

Ihnen rauschen die rauhen Gandarer, der Dadiker Schaaren
Und die Korasmier nach; unbändige Skythische Horden,
Alle geübt mit sennigem Arme die eiserne Keule
Mächtig zu schwingen, gewohnt in der tiefen Wüste den Löwen
Oder den Pardel zu suchen, und unter der zottigen Beute
Ihre Brust zu verbergen. Sie lockt die räubrische Mordlust
Und der Gewinn von fern aus ihren Gebirgen, den Fahnen
Neriglissors zu folgen. — Die Myriaden Aegyptens
Kommen nunmehr, von den Ufern des Nils, dem Lande der Wunder.
Itzt noch betrachtet mit heiligem Schauer der Fremde die alten
Unvergänglichen Werke, und glaubt in der ersten Entzückung
Werke der Götter zu sehn. Lang' füllte der Ruhm von Aegypten
Alle Zonen der Erde. Freigebig verpflanzt' es den Reichthum
Seiner Künste in Gräciens Boden; der Weise von {Kreta}
Holt' im Tempel der Sonne das Urbild der heil'gen Gesetze,

Die ihm das Richteramt im Reiche der Schatten erwarben. Lang' war Aegypten die Mutter der Helden, der Musen und Künste Sängerin. Aber nicht länger! Ihr Glück verschwand mit der Einfalt Ihrer Sitten. Die Lorbern der Ahnen, in besseren Zeiten Mit Sesostris erkämpft, verdorrten am werthlosen Haupte Ueppiger Enkel. Unfähig, ihr väterlich Erbe zu schätzen, Schmiegten sie sich ins Joch der Könige Babels. Itzt fordert Neriglissor, zum Dienst des menschenfeindlichen Stolzes, Ihren unmächtigen Arm. Zwar ziehn sie in stählerner Rüstung Schimmernd einher, mit Speeren und langen Schilden beladen Aber die Seele, die einst in ihren würdigen Vätern Wallte, begeistert nicht mehr die ausgearteten Söhne.

Endlich erscheinen, von Crösus gesandt, die Lydischen Schaaren,
Zart von Gefühl, mit feinem Geschmack in den Künsten des Witzes
Und der Wollust begabt. Sie verließen den üppigen {Tmolus,}
Wo der reiche Paktol durch Traubengeländer sich schlängelt,
Und den Kayster, von Schwanen bewohnt, und die reizenden Ufer,
Welche die goldene Welle des sanften Hermus benetzet.
Ihnen folget ein buntes Gemeng Asiatischer Völker,
Alle dem Lydier zinsbar; unzählbare nackte Barbaren,
Einzig die Flucht zu vergrößern geschickt. Die Muse verschmähet
Ihre unrühmlichen Namen. — Die Cappadocischen Haufen
Machen den Schluß des gewaltigen Zugs; vom waldigen Taurus

Bis zum {Euxin} verstreut, ein Volk von knechtischer Seele, Blinde Verehrer des Throns, vom unbedingten Gehorsam Unter die Würde des Menschen hinab erniedrigt; zu blöde, Nur an weisen Monarchen der Gottheit Bild zu erkennen. Aribeus, der zinsbaren Fürsten des Lydiers einer, Führt sie, ein thörichter Jüngling, im Schooße der Weiber gebildet, Und von Schmeichlern beherrscht. Gewöhnt, die Größe der Fürsten Nach dem Schimmer zu messen, womit sie den Pöbel betäuben, Aefft er mit eitelm Bemühn der Pracht des {Sardischen} Königs Lächerlich nach, und schämt sich, an Glanz und üppigem Aufwand Uebertroffen zu seyn. Der kriegrische Klang der Trompete Weckte den Ueppigen auf. Er hüllt die duftenden Locken In den goldenen Helm, vertraut dem schuppigen Panzer Seine verzärtelte Brust, und eilt, die Rennbahn der Ehre Mit den Assyrern zu laufen. Schon träumt er glänzende Siege, Neue Kronen und Macht und Unabhängigkeit schmeicheln Seinem weibischen Stolz, schon zieht er, zu früh, im Triumphe; Aber sein Dämon lacht der unprophetischen Träume.

Solch ein Gewimmel von Menschen, und Völkerschaften und Waffen,
Füllt' unabsehbar verbreitet die Ebnen zwischen Arbela
Und dem Gebirg'. Ein ungeheurer gigantischer Körper,
Ungeschmeidig in jeder Bewegung, aus wilden Barbaren,
Ueppigen Völkern, unwilligen Sklaven und friedsamen Hirten
Unharmonisch zusammengefügt; ein Pöbel in Waffen!
Keiner Ordnung gehorsam, in jeder kriegrischen Uebung
Ungeübt, wußten sie nicht, mit rascher Wendung in Haufen

Sich zu vertheilen, dann schnell sich wieder zusammen zu fügen, Nicht mit der Macht von tausend vereinigten Armen wirken, Nicht den erwarteten Blick des Führers schnell zu vollziehen; Itzt, wie ein Schwarm von Bienen, sich dicht zusammen zu schmiegen, Itzt mit langsamem Tact, und itzt mit geflügelten Schritten Sich zu bewegen, doch stets als ob die Menge von Leibern Eine Seele nur rege. Wie ungleich dem Persischen Phalanx, Cyrus, von dir in den Künsten geübt, mit welchen der Römer Später die Erde bezwang! — Welch ein fanatischer Unsinn, Welche Furien spornten die Feigen zum Streite mit Helden? Eines Einzigen Stolz. Ihn zu besänftigen fallen Alle die Opfer! O blinde, der Zukunft unwissende Seelen! Dich, Tyrann, dich treibt dein Verhängniß! Die Furien reißen Dich unsichtbar dahin, wo deine Strafe dir wartet. Zwar, sie werden auch fallen, die jetzt in dummer Betäubung Ihren Erretter verkennen, nicht für ihr väterlich Erbe, Nicht für Freiheit, für Ketten und Elend ihr Leben verschwenden; Aber dein strömendes Blut wird ihre Schatten versöhnen!

Nunmehr hatte Gadates mit schwerer Bemühung die Völker
Angeordnet, drei Heere von unabsehbarer Länge —
Erst die flüchtigen Schaaren des leicht bewaffneten Fußvolks,
Alle mit Reitern vermengt; dann mit den Hyrkanern die Baktrer
Und die Assyrer, bedeckt von hundert gesichelten Wagen,
Jeder mit Streitern belastet. Die Myriaden Aegyptens
Stehen in schwerer Rüstung zuletzt. Von stolzer Entzückung

Schwillt der Tyrann, indem er herab von der schimmernden Höhe Seines Wagens die Längen des dreifachen Heeres umschauet; Zahlreich genug, so denkt er, zwei Erden in Flammen zu setzen. Muthvoll wirft er alsdann auf die ferne Schlachtordnung des Cyrus Einen spottenden Blick. Sie naht sich, kleiner zu scheinen, Dicht ins Gevierte zusammen gedrängt. Die Assyrer erblicken Frecher den unbeträchtlichen Feind, und wagen es wieder, Seiner zu spotten. Die Blöden, die kürzlich der Name des Helden Halb entseelte, athmen itzt wieder mit freieren Zügen, Beben nicht mehr, und lachen nun selbst, vom Auge getäuschet, Ihrer vergeblichen Furcht. Indeß durchreitet Gadates Muthig, mit heiterm entschloss'nem Gesicht, die Längen der Reihen, Gibt den Führern Befehl, und erhitzt die Streiter zum Siege.

Nunmehr kommen die Perser dem wartenden Feinde so nahe,
Daß nur dreimal der Raum, den ein Pfeil vom Bogen durcheilet,
Beide Heere noch trennt. Schnell hemmt die Stimme des Cyrus
Ihren harmonischen Schritt. Sie stehn. Ein heiliges Schweigen
Bindet das lauschende Heer, des Göttlichen Rede zu hören:
Itzt, ihr Männer, erhebet den Muth! Itzt denkt mit Entzückung
Euer väterlich Land! Itzt ruft die liebende Gattin,
Und das stammelnde Kind, und den alten würdigen Vater,
Alle vor eure Stirn! Für sie, ihr Brüder, für alles,

Was die Natur uns theurer als selbst das Leben gemacht hat, Stehen wir hier, von der Tugend gesandt, den schönsten der Siege Uns zu ersiegen; wo nicht, den schönsten der Tode zu sterben. Und was sollten wir scheu'n? Wem schlägt im männlichen Busen Tugend und Ehre, der nicht viel lieber rühmlich zu sterben, Als in Fesseln ein schändliches Leben zu schleppen, erwähle? Goldne Freiheit, du bestes Geschenk der allmächtigen Güte, Inbegriff aller Freuden des Lebens, du Vorrecht der Menschen Und der Götter, dir sollte der Mensch unedel entsagen? Sollte mit dir, mit dem Recht an jede irdische Wonne, Seinem erhabneren Recht an Ewigkeiten, entsagen? Frei geboren, im Schooß der strengen Tugend erzogen, Nur der Vernunft zu gehorchen gelehrt und den Trieben der Menschheit, Nur zu den sanften Banden der Lieb' und Treue gewöhnet, Sollten wir unsern Nacken vor einem Wüthenden beugen, Der ein Säugling einst war, dem sterbliches Blut in den Adern Rinnet, der athmet wie wir? In Fesseln sollten wir zusehn, Wie er trotzig das Erbe von unsern Vätern verwüstet, Unsre Weiber entehrt, und unsre Söhne zu Hütern Seiner Sklavinnen stümmelt? — Wir sollten's sehen und leben? O der bloße Gedank' empört die Menschheit! O lieber Laßt uns sterben, den Tod durch Heldenthaten verdienen, Und ein unbefleckt Leben aus tausend Wunden ergießen! Heil euch, Brüder! ich seh' die große Entschließung in euern Funkelnden Augen! — Doch wisset, nicht uns, den Häuptern der Feinde

Schwebt ihr Verhängniß bevor. Der Sieg ist unser; wir gehen Unserm Triumph entgegen. So hat im nächtlichen Traume Mich der Unsterblichen einer belehrt. — Ja, himmlische Mächte, Ihr, ihr schützet die Tugend! Mit euerm still wirkenden Beistand Ist sie allmächtig wie ihr! Wir folgen euch, heilige Führer, Die ihr, dem sterblichen Auge verhüllt, mit schirmenden Flügeln Ueber uns schwebt! Ihr führt uns den Weg des Sieges; wir folgen.

Also rief er. Die Engel, die stets den Helden umschweben,
Tragen den Schall der mächtigen Worte auf säuselnden Schwingen
Durch die Reihen des Heers. Der Geist des göttlichen Führers
Fasset die Männer, er schwellt mit unbezwingbarer Stärke
Jeden gewaltigen Arm, mit triumphirender Hoffnung
Jede Seele. Nun winkt der Feldherr. Die Schaaren verstehen,
Unterrichtet, den Wink. Schnell, wie ein feuriger Blick fleugt,
Dehnt vorm Auge des Feinds der dicht geschlossene Phalanx
Schrecklich sich aus. So verbreitet, mit Donner und Untergang schwanger,
Eine Wolke, die kaum in der Ferne der Wandrer bemerkte,
Plötzlich herbei von Stürmen gewälzt, am schauernden Himmel
Ihre schreckliche Nacht. Entnervt von bangem Entsetzen
Sehn die Assyrer den Haufen, der ihren betrogenen Augen
Kaum so verächtlich erschien, durchs weite Gefilde verbreitet;

Glänzende Schaaren von ehernen Kriegern, und Haufen von Reitern Zwischen den Schaaren. Ein Wald von hohen Chaldäischen Speeren Deckt die Stirne des Heers, Armeniens feurigste Jugend Jeden enthüllten Flügel. Sie stehn in kriegrischer Schönheit, Majestätisch im Antlitz des Feindes. So stehet ein Kämpfer Auf dem Olympischen Sand, und sucht, mit Augen voll Feuers, Einen, der kühn genug sey, mit ihm die Kräfte zu messen; Einsam steht er, und zeigt im Triumph die fleischigen Schultern Und den sennigen Arm; ihn sieht mit Entsetzen und Wunder Schauernd die Menge. So standen die Perser, so sahn mit Entsetzen Babylons Sklaven sie an. Auf einmal entsinkt den Verzagten Jede Hoffnung des Siegs; sie rollen die dämmernden Augen Schüchtern umher, und ziehen den Fuß zum Fliehen zurücke. Ungesäumt fliegt der Persische Held an die Spitze der Schaaren Denen Tigranes befiehlt. Wo sind die Tapfern? so ruft er, Folget mir, Brüder! er ruft's, und spornt sein wieherndes Schlachtroß Gegen den Feind. Ihm folgen die Schaaren. Der Zuruf des Helden Schallet von Munde zu Munde. Wo sind die Tapfern? so rufet Einer dem andern. Die leicht bewaffneten Mengen der Feinde Warten den Anfall nicht aus. Sie fliehn in furchtsamem Taumel,

Werfen die Waffen zurück, und flattern wie Stoppeln im Sturme Ueber das Feld, und Todesangst spornt der Schüchternen Füße.

Unterdeß eilen mit hurtigem Lauf die Chaldäischen Reihen,
Dicht geschlossen, die Speere gefällt, den Raum zu erfüllen,
Welchen die Flucht geöffnet. Ergrimmt, die Araber und Syrer
Fliehen zu sehn, befiehlt der Tyrann, die gesichelten Wagen
Gegen den Feind zu treiben. Er winkt. Mit blitzendem Donner
Stürzen sie über die Ebnen daher. Die rauhen Chaldäer
Trotzen dem kommenden Tod, vom eisernen dreifachen Walle
Ihrer Speere beschützt. In undurchdringbarer Ordnung
Stehen sie, jeder ein Held. Die Führer der tödtenden Wagen
Setzen's, und ziehn mit bebender Hand die wallenden Zügel
Aengstlich zurück. Zu spät; die flammenschnaubenden Rosse
Stürzen unbändig dahin. Doch lassen die Söhne Chaldäa's
Ruhig sie nahen; dann dringen sie schnell mir lautem Gejauchze
Unter sie ein, und stoßen zugleich mit eiserner Stärke
Jeder den stämmigen Speer in die Brust der wüthenden Rosse.
Reihenweis' stürzen sie nieder, und schnauben, fürchterlich wiehernd,
Ströme von dampfendem Blut; verwundet bäumen sich andre
Ungestüm auf, entschütteln die Führer den taumelnden Wagen,
Stampfen und wiehern und drehn sich im Kreis. Hier sinken die Streiter
Zwischen den Rädern hinab, die von geschliffenen Eisen
Um und um starren. Dort liegen vom stampfenden Hufe der Rosse

Andre gequetscht, und Wagen und Roß und zappelnde Glieder Wälzen sich über einander. Das Heulen der wilden Verzweiflung Spaltet die Luft. Nichts schreckt die erhitzten Sieger. Sie stürmen In das Getümmel, und fühlen im Feuer der blutigen Arbeit Ihre Wunden nicht eher, bis endlich den kraftlosen Armen Plötzlich die Waffen entsinken. Nicht wenige fallen. Ihr Anblick Spornt die Brüder, und schärft die Siegesbegierde mit Rache. Unwiderstehlich dringen sie ein. Die blutenden Rosse Wenden sich um, und rennen gesetzlos, der Führer beraubet, Mitten ins Heer der Assyrer zurück. Verwirrung und Schrecken Zeichnen die Spur der tödtenden Räder. Die feindlichen Haufen Trennen sich, zittern und fliehn. Die Baktrischen Legionen Stehen allein, und trotzen dem Stoß des Medischen Flügels, Den Texibazus führt. Indeß verbreitet die Flucht sich Bis zum Herzen des Heers, wo von Satrapen und Edeln Neriglissor umringt, umsonst Befehle versendet, Denen die Furcht zu gehorchen verbeut. Von der Höhe des Wagens Sieht er das wilde Getümmel, das Würgen, den feurigen Sieger Und die schimpfliche Flucht. Itzt fühlt er, zum erstenmal schamroth, Daß er ein Sterblicher ist. Die Gefahr, die Schande bezwingen Seinen monarchischen Stolz. Er springt vom Wagen, und wirft sich

Unter die Fliehenden, bittet, verspricht und dräuet und schmeichelt. Er, der kürzlich sich über das Loos der Menschheit erhaben Wähnte, der Stolze, sieht itzt sein Diadem und sein Leben In der Gewalt des niedrigsten Pöbels. Von ihnen verlassen, Ist er ein nackender Flüchtling, wie einer aus ihnen; sie sind es, Die der Verächter der Götter um seine Rettung itzt anfleht; Glücklich, hätten Worte, die fürstlichen Lippen entfließen, Magische Kräfte, den bebenden Sklaven zum Helden zu zaubern. Aber umsonst verschwendet er itzt die beredenden Künste, Goldne Versprechen umsonst, die taube Todesangst stopfet Ihre Ohren. Die Tugend allein, die Tochter der Freiheit, Zeugt den heroischen Sinn; entadelte knechtische Seelen Streben umsonst dem Leib zu gebieten. Nur wenige Haufen Sammeln sich hinter dem Heer von zehnmal tausend Trabanten, Welches den König umgibt. Verzweifelnd und grimmiger Wuth voll Kehrt er zurück, und tritt, entschlossen dem Schicksal zu trotzen, Vor die Stirne des schimmernden Phalanx. In goldenen Waffen Stehen die Krieger, und blenden das Auge der Söhne Chaldäa's, Die im Triumphe sich nahn. Ein schwacher Funke von Ehre Glimmt in den Sklaven auf, für ihren König ihr Leben Muthig zu wagen; doch unter der Pracht des schuppigen Panzers Klopft das schüchterne Herz. Pharnuch (er zittert allein nicht) Glänzt in der ersten Reih', und spornt sie mit feurigen Worten

Mächtig zum Streit. Mit lautem Geschrei und klappernden Schilden Fallen sie auf die Chaldäer. So stürmen die rasenden Wellen, Wenn der Südwind das Meer aus seinen Tiefen emporwühlt, Gegen den Felsen, der hoch am unbewegten Gestade Ihren Empörungen trotzt. Nicht unbewegter an Muthe Beut der Chaldäer die männliche Brust den feindlichen Lanzen Unerschreckt dar. Von neuem entflammt sich der Streit; die Trompete Weckt die kriegrische Wuth, das Schwirren der fliegenden Lanzen Und der Schwerter Getön, die blitzend einander durchkreuzen, Mischt sich dem Klang des schmetternden Erzes. Der Boden erzittert Unter dem wilden Tumult. Orontes, das Haupt der Chaldäer, Sinket zuerst, von dir, verwegner Pharnuchus, durchbohret. Prahlerisch setzt der Sieger den Fuß auf den blutigen Nacken Seines Erschlagnen, und ruft: ihr sehet es, Krieger, sie sind nicht Unverwundbar, sie fallen wie wir vom tödtlichen Eisen! Traut es euch selbst nur zu, sie überwinden zu können, Und der Triumph ist unser. So ruft er, und wirft sich von neuem Mitten, unter den Feind. Von seinem Beispiel ergriffen Strömen die Schaaren ihm nach, und doppeln die blutigen Streiche Auf die Chaldäer. Nicht ungerochen fallen die Tapfern, Ganz von Wunden durchbohrt, auf Hügel von feindlichen Leichen.

Jeder entfliehende Geist geht in den Busen der Brüder Ueber, und waffnet die rächenden Arme mit doppelter Stärke. Niemals strahltest du, Sonn', auf kühnere Thaten! Die Liebe, Rühmlich zu sterben, ergriff die kleine Schaar der Chaldäer. Dreimal stürzten sie sich, mit den Schilden zusammengeschlossen, In die Assyrer, und warfen die dichtesten Reihen zu Boden; Dreimal flohen die Feinde. Doch, unerschöpflich an Menge, Setzt Neriglissor stets dem Muthe der keuchenden Sieger Frische Streiter entgegen. Itzt wären sie, müde vom Siegen Und von Wunden erschöpft, dem Schwall der Menge gewichen, Hätte nicht Cyrus von fern die Gefahr der Helden erblicket. Eilends schickt er Araspes mit tausend Medischen Rossen Ihnen zu Hülfe; ihm folgen, geführt vom kühnen Pharnaces, Tausend bepanzerte Perser, mit Schild und Säbel bewaffnet. Schnell, wie der azurnen Luft ein himmlischer Engel zum Schutze Eines Gerechten entsinkt, erscheint Araspes. Ein lautes Siegesgeschrei, der Name des göttlichen Cyrus, verkündigt Ihn den Bedrängten von fern. Heil euch, ihr Helden, so ruft er Ihnen entgegen, ihr habt die Ehre der Tugend behauptet! Ruhet itzt aus! Mich sendet vom rechten Flügel des Heeres, Wo Gadates nur schwach die Gewalt des Siegers noch aufhält, Cyrus, daß ich, erhitzt von euerm strahlenden Beispiel, Was ihr begannet, vollende. So spricht er, und wirft sich voll Feuer In die Assyrer. Der erste, der unter den Streichen des Jünglings

Fiel, indem er zu rasch ins wilde Getümmel sich wagte, War Mexodach, ein Bruder des Königs; ihm folgten im Tode Datis und Irabates, und du, der Jünglinge schönster, Die sich dem schmeichelnden Arme der Töchter Babels entwanden Auch du fielest, Belesis, und deine blumigen Wangen Schützten dich nicht; du sinkst, und befleckst mit blutigem Staube Deinen entpurpurten Mund und die myrrhenduftenden Locken.

Rings um Araspes gedrängt, von edler Eifersucht brennend,
Würgen die Meder. Es fallen die Feinde, wie unter der Sense
Seufzendes Gras. Die Perser, die Intaphernes herbeiführt,
Trennen mit Macht die Reihen des Feinds. Auch stehen Chaldäa's
Söhne nicht müßig; noch wallet ihr Muth, noch schwingen sie dräuend
Ihre bluttriefenden Speer', und glühen, den Sieg zu vollenden.
Alle stürmen vereint, vom Geiste des Cyrus gespornet,
Auf den Assyrischen Phalanx. Er weicht, die schimmernden Reihen
Werden zersprengt, der Sieger verdoppelt die rastlosen Streiche.
Dunkel umnebelt ihr Auge, die Furcht des Todes verschlinget
Alle Gedanken, sie wenden in dummer Betäubung den Rücken.
Taub den Bitten der Führer, dem donnernden Ruf des Tyrannen
Taub, entfliehn sie, und werfen die goldnen Waffen weit von sich.
Einsam steht Neriglissor: nur seine getreuesten Sklaven
Kämpfen noch um ihn her. Mit jedem Augenblick schmelzen

Etliche weg. Itzt fühlt er sein Loos. Der Engel des Todes Schwingt das flammende Schwert um seine Scheitel. Verzweifelnd Stürzt der Tyrann, an der Stirne der Wenigen die ihm getreu sind, Unter die Meder. Sein Schwert, mit siebenfältiger Stärke Von der Verzweiflung geführt, verschafft dem Sterbenden Rache. Aber indem er den Arm auf deine Stirne gezückt hält, Kühner Araspes, durchbohrt zum Tode beflügelt ein Wurfpfeil, Von der geübten Faust des tapfern Pharnaces geschwungen, Seine vergebens umpanzerte Brust. Blutathmend entsinkt er Seinem Wagen, der Boden erklingt von der goldenen Rüstung. Heulend entfliehn die Sklaven, die ihn noch einzeln umgaben, Da sie den Fallenden sehn. Er liegt verlassen im Staube, Dreimal rafft er sich auf und öffnet die sterbenden Augen; Dreimal sinkt er zurück. Die Nacht des Todes umhüllet Seinen erlöschenden Blick, die Quellen des Lebens versiegen, Und mit Seufzen entflieht die zürnende Seele dem Leibe.

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