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Kapitel 

ERZÄHLUNGEN AUS DEM WESTSUDAN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1922

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F.H. EHMCKE

MIT DREI TAFELN

84. Kameradschaft

Nkere (die Grille) hat 12 Eigenschaften. 1. Nkere bohrt Löcher wie ein Stachelschwein (?). 2. Nkere beißt wie ein Hund. 3. Nkere schlägt mit den Beinen. 4. Nkere stößt mit zwei Hörnern wie ein Ochse. 5. Nkere hat einen Schwanz wie ein Pferd. 6. Nkere springt wie Tong (Heuschrecke). 7. Nkere fliegt wie die Vögel.



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Nkere läuft wie eine Ratte, um in ihr Loch zu kommen. 9. Nkere singt schön wie das Spiel der Gitarre. 10. Nkere ist fett wie ein Hammel. 11. Nkere ist trocken wie ein Stück Holz. 12. Nkere kratzt im Winter die Erde als Erdorakel.

Außerdem ist aber Nkere ein sehr kluges Tier.

Nkereni, Tutu Dangala (die Holzschlange mit leicht zu verletzendem Schwanzende), Uarra-ni-nkalla (nkalla =gefleckt) und Uarraba machten Kameradschaft und beschlossen, ein Bugu, d. h. langes Strohhaus, zu bauen. Als sie damit fertig waren, sagten sie: "So, nun soll jeder einzeln seine Geheimnisse und Wünsche sagen."

Uarraba sagte: "Ich liebe es nicht, daß man mir direkt in die Augen sieht. Wenn man mit mir spricht, soll man die Augen zu Boden schlagen." Uarra-ni-nkalla sagte: "Ich liebe es nicht, wenn mich einer mit Erde bewirft und mir mein schönes Kleid beschmutzt." Tutu Dangala sagte: "Wenn einer keine Matte hat, so mag er sich ruhig auf mich legen, aber er darf meinen Schwanz nicht berühren. Wenn einer keinen Stuhl hat, mag er getrost sich auf meinen Kopf setzen, aber er darf meinen Schwanz nicht berühren." Nkereni sagte: "Ich aber liebe es nicht, daß man mich mißachtet, weil ich ein kleines Tier bin."

Darauf beschlossen die Tiere, daß Uarra-ni-nkalla im Hintergrund, an der Rückseite des Hauses, schlafen sollte, so daß es ausgeschlossen sei, daß einer Schmutz auf seinen Rock werfe. Uarraba sollte neben den beiden liegen, damit er vor den Blicken der anderen sicher sei. Tutu Dangala sollte am Eingange liegen und den Schwanz zur Türe herausstecken, damit er vor den Tritten der anderen ja sicher sei. Das verabredeten die großen Tiere untereinander.

Nkereni sagte: "Und ich? Wo soll ich schlafen?" Die anderen antworteten: "Ach, du bist so klein, daß du nicht einmal einen Strohhalm aufheben kannst. Du brauchst nicht in dem Hause unter uns zu schlafen; mach', daß du fortkommst!" Nkereni sagte: "Ich habe euch eben gesagt, daß ich es nicht liebe, wenn man mich verachtet, weil ich kein großes, sondern nur ein kleines Tier bin. Glaubt nicht, daß solcher Anfang für euch gut ist." Als Nkereni das gesagt hatte, jagten die anderen Tiere die kleine Nkereni fort.

Nkereni ging in der Nacht um das Haus herum und machte an der Hinterwand, da, wo Uarra-ni-nkalla schlief, ein Loch, das unter der Wand hindurchführte. Dann warf Nkereni Erde auf das Kleid



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des Uarra-ni-nkalla. Am anderen Morgen erwachte Uarra-ninkalla und sah, daß sein Kleid beschmutzt war. Zornig stand er auf und schritt auf Uarraba zu. Er fragte Uarraba: "Habe ich dir nicht gestern gesagt, daß ich es nicht liebe, wenn ich mit Sand beworfen werde oder wenn mir jemand mein Kleid beschmutzt?" Uarraba sagte: "Und habe ich dir nicht gesagt, daß ich es nicht leiden mag, wenn mir einer, wie du jetzt, in die Augen sieht? Habe ich nicht gesagt, daß man zur Erde blicken soll, wenn man mich anredet?" Darauf begannen beide sich zu balgen. Im Streite rollten sie zur Tür und fielen auf den Schwanz der Tutu Dangala. Tutu Dangala sagte: "Habe ich nicht gesagt, daß man mir nicht den Schwanz berühren soll ?" Damit biß Tutu Dangala Uarraba. Im Schmerze biß Uarraba erst Uarra-ni-nkalla und dann die Tutu Dangala tot. Dann aber starb er selbst, denn jeder, der von der Tutu Dangala gebissen ist, muß sterben.

Nkereni kam herein und sagte: "Seht ihr, wenn man mit jemand Kameradschaft macht, soll man nicht darauf sehen, ob der Jemand klein ist. Nun seid ihr großen Tiere alle tot, und das ganze Haus gehört mir allein."


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