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DIE ERZÄHLUNGEN AUS DEN TAUSEND UND EIN NÄCHTEN

VOLLSTÄNDIGE DEUTSCHE AUSGABE IN SECHS BANDEN

ZUM ERSTEN MAL NACH DEM ARABISCHEN URTEXT DER CALCUTTAER AUSGABE AUS DEM JAHRE 1839

ÜBERTRAGEN VON ENNO LITTMANN

BAND 3

IM INSEL-VERLAG


DIE GESCHICHTE VON DEM EDELMUT DES BARMEKIDEN DSCHA'FAR GEGEN DEN BOHNENVERKÄUFER

Als Harûn er-Raschid den Barmekiden Dscha'far hatte ans Kreuz schlagen lassen', befahl er zugleich, daß jeder, der ihn beweine oder um ihn klage, gekreuzigt werden solle; deshalb ließ das Volk davon ab. Nun war da aber ein Beduine, der in einer fernen Steppe wohnte und der in jedem Jahre mit einem Lobgedichte zu dem besagten Barmekiden Dscha'far zu kommen pflegte; der pflegte ihm tausend Dinare als Belohnung für



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sein Gedicht zu geben, und jener kehrte mit dem Gelde heim und verwendete es für den Unterhalt der Seinen bis zum Ende des Jahres. So begab es sich, daß der Beduine wie gewöhnlich mit seinem Lobgedichte kam; aber als er eintraf, erfuhr er, daß Dscha'far gekreuzigt sei. Da zog er zu der Stätte, wo der Minister am Kreuze hing, und ließ sein Kamel niederknien; er weinte bitterlich und trug in tiefer Trauer das Lobgedicht vor. Dann legte er sich zum Schlafe nieder; und im Traume sah er den Barmekiden Dscha'far, der zu ihm sprach: ,Fürwahr, du hast dich abgemüht, um zu uns zu kommen, und findest uns nun so, wie du es siehst. Doch begib dich nach Basra, frage dort nach einem Manne namens Soundso. einem der Kaufleute von Basra, und sprich zu ihm: ,Dscha'far, der Barmekide, läßt dir den Gruß entbieten und läßt dir sagen, du möchtest mir tausend Dinare geben - beim Zeichen der Bohne!' Nachdem der Araber aus seinem Schlafe erwacht war, begab er sich nach Basra und fragte nach jenem Kaufmann. Als er ihn gefunden und ihm berichtet hatte, was Dscha'far ihm im Traum gesagt hatte, da weinte der Kaufmann bitterlich, und es schien fast, als ob er aus dieser Welt scheiden wolle. Dann erwies er dem Beduinen große Ehre, ließ ihn neben sich sitzen und nahm ilm freundlich in sein Haus auf; so blieb der Mann drei Tage als geehrter Gast bei ihm. Als er dann aufbrechen wollte, gab der Kaufmann ihm tausend und fünfhundert Dinare, indem er sprach: ,Die tausend Dinare sind es, die für dich befohlen sind; die fünfhundert aber sind ein Geschenk von mir für dich. Und in jedem Jahre sollst du tausend Dinare erhalten.' Wie der Beduine sich zum Gehen wandte, sprach er zu dem Kaufmann: ,üm Allahs willen, erzähle mir die Geschichte mit der Bohne, auf daß ich weiß, was sie zu bedeuten hat!' Jener erzählte darauf: ,Ich war zuerst ein armer Teufel und zog mit



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heißen Bohnen in den Straßen von Baghdad umher; die verkaufte ich, um mir so meinen Lebensunterhalt zu verdienen. So ging ich auch einmal an einem kalten Regentage aus, ohne genug auf dem Leibe zu haben, um mich vor der Kälte zu schützen; bald schüttelte ich mich, weil mich so heftig fror, bald fiel ich in eine Regenlache, und ich befand mich in einem erbärmlichen Zustande, der die Haut erschauern macht. An jenem Tage saß Dscha'far gerade in einem Söller, von dem aus man die Straße überblicken konnte, und seine Vertrauten und Odalisken waren bei ihm. Da fiel sein Blick auf mich: er hatte Mitleid mit meinem Zustande und schickte einen seiner Diener zu mir, der mich mitnahm und zu ihm hineinführte. Als er mich erblickte, sprach er zu mir: ,Verkauf alles, was du an Bohnen bei dir hast, an meine Gesellschaft hier!' Ich begann also die Bohnen mit einem Maße. das ich bei mir hatte, auszumessen, und jeder, der ein Maß Bohnen erhielt, füllte es wieder mit Gold, so lange, bis mein Vorrat erschöpft und mein Korb ganz leer war. Dann sammelte ich das Gold, das mir beschert war; doch Dscha'far sprach zu mir: ,Hast du noch Bohnen übrig behalten?' ,Ich weiß es nicht', gab ich zur Antwort und suchte im Korbe nach; da fand ich in ihm nur noch eine einzige Bohne. Die nahm Dscha'far mir aus der Hand, spaltete sie in ihre beiden Hälften, behielt die eine Hälfte für sich und gab die andere einer seiner Odalisken mit den Worten: ,üm wieviel willst du diese halbe Bohne kaufen?' Sie antwortete: ,üm doppelt soviel wie all dies Gold zusammen.' Da wurde ich ganz irr an mir selber, und ich sagte mir: ,Das ist ja unmöglich!' Während ich noch so erstaunt dastand, gab die Odaliske einer ihrer Sklavinnen Befehl, und die brachte das Doppelte von dem gesammelten Golde. Nun hub Dscha'far wieder an: ,Und ich kaufe die halbe Bohne, die ich behalten habe, um



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den doppelten Betrag des gesamten Goldes!' Dann fuhr er zu mir fort: .Nimm den Preis für deine Bohnen hin!' indem er einem seiner Diener befahl, all das Gold zusammenzunehmen und in meinen Korb zu tun. Ich nahm es hin und ging fort. Dann begab ich mich nach Basta, trieb Handel mit dem Gelde, das ich nun besaß, und Allah gewährte mir reichen Verdienst -Ihm sei Lob und Dank! Wenn ich dir also von dem, was ich durch Dscha'fars Güte erhalten habe, in jedem Jahre tausend Dinare gebe, so habe ich dadurch nicht den geringsten Verlust. Du aber denke an den hohen Edelmut Dscha'fars und daran, daß ihm, wie im Leben, so auch im Tode Preis gebührt - Allah der Erhabene hab ihn selig!'

Und ferner erzählt man


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