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Kapitel 

SPIELMANNS GESCHICHTEN DER SAHEL

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1921

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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MIT EINER KARTE DER SAHARA UND

EINER BILDERTAFEL / TITEL- UND

EINBANDZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE

6. König Djennewerre

Djennewerre war ein Fulbe aus dem Dorfe Laedu Wakambi, das im Seengebiete gelegen ist. Eines Tages begann Djennewerre den Krieg. Er war siegreich, rückte bis Djenne vor und eroberte Djenne. Djennewerre war in Djenne fünf Jahre lang König.

Eines Tages verkündete der König Djennewerre in seiner Stadt: "Bis jetzt waren alle Songoi schlecht, aber jetzt sind sie meine Untertanen, und da sollen sie eine außerordentliche Sache ausführen. Ich will einen großen Palast haben, und um den zu bauen, sollt ihr mir alles herbringen. Sämtliche Weiber sollen in ihrer Vagina das Wasser herbeibringen, und die Männer sollen mit ihrem Penis den Lehm anrühren, der gut gemengt sei, so daß man daraus Ziegelsteine formen kann." Darauf sandte er nach der Stadt Dia, dann nach der Sorokoortschaft Laudu (in der heute noch die zauberkräftigsten Soroko wohnen sollen) und nach Konza die Botschaft: "Wollt ihr gutwillig in meine Dienste treten und ein großes Werk als meine Untertanen verrichten?"

Die Songoi von Djenne sandten aber heimlich an die Einwohner von Laudu, Konza und Dia die Botschaft: "Tut das ja nicht, denn die Hilfe an dem großen Werke besteht darin, daß eure Weiber in ihrer Scheide Wasser zum Lehmrühren herbeibringen und daß die Männer mit ihrem Gliede das Lehmanrühren ausführen sollen. Das ist es, was dieser Diko Djennewerre will." Als die Leute von Dia, Laudu und Konza das hörten, antworteten sie auf die Botschaft Djennewerres: "Wir haben keine Lust, uns dir unterzuordnen."

Darauf begann der Diko Djennewerre den Krieg gegen Dia, Laudu und Konza. Und er eroberte alle drei Ortschaften. Er ließ alle Einwohner dieser Städte nach Djenne kommen und sagte:



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"Jetzt sollt ihr zusammen mit den Songoi von Djenne arbeiten. Ihr Weiber sollt nun in eurer Scheide Wasser herbeibringen. Ihr Männer sollt mit eurem Gliede den Lehm rühren, damit er gut gemengt sei und man nachher die Ziegelsteine daraus formen kann." Darauf gingen die geängsteten Männer zu einem Marabut und sagten ihm: "Dieser König Djennewerre verlangt von uns so schlechte Sachen. Kannst du nichts dagegen tun?" Der Marabut sagte: "Ich will heute abend beten und Gott bitten, daß er das Häßliche verhindere. Wenn die Macht meiner Koranverse stärker ist als der Zauber (Toru) Djennewerres, so könnt ihr sicher sein, daß das, was der Diko will, nicht geschieht." Die Männer gingen. Der Marabut aber betete am Abend und las viele Koranverse.

Am anderen Morgen rief König Djennewerre die Häupter der Unterworfenen zusammen und sagte zu ihnen: "Gestern abend merkte ich, daß ein Marabut von seinen Papieren vielerlei gegen mich gelesen hat. Ich aber habe ein Toru in meinem Hause, das ist stärker als euer Marabut. Nun frage ich euch zum letzten Male: Wollt ihr meinen Willen erfüllen, oder wollt ihr das nicht?" Die Männer befiel bei diesen Worten ein großer Schreck, und sie sagten "Wir wollen nichts gegen dich unternehmen, sondern wollen die Arbeit übernehmen, die du von uns und unseren Frauen verlangst. Wir bitten dich aber, nimm lieber eine Abgabe an Pferden." König Djennewerre sagte: "Ich will keine Pferde, ich will, daß euere Weiber das Wasser in ihrer Scheide bringen und daß ihr mit eueren Gliedern den Lehm rührt." Die Leute sagten: "Wir bitten dich, nimm lieber eine Abgabe an Sklaven." König Djennewerre sagte: "Ich will keine Sklaven, ich will, daß euere Weiber das Wasser in ihrer Scheide bringen und daß ihr mit eueren Gliedern den Lehm rührt." Die Leute sagten: "Wir bitten dich, nimm lieber eine Abgabe an Gold." König Djennewerre sagte: "Ich will kein Gold - ich will, daß euere Weiber das Wasser in ihren Scheiden bringen und daß ihr mit eueren Gliedern den Lehm rührt. Wollt ihr nun, oder wollt ihr nicht?" Die Leute sagten: "So müssen wir es denn tun."

Dann ward der große Platz zum Lehmrühren und Hausbau vorbereitet und der Lehm ausgeschüttet. Alle Weiber und Männer standen zur Arbeit bereit da. Der König stand in der Mitte. Da brauste ein Windstoß über den Platz. Alles hielt die Arme vor die Augen, damit der Staub sie nicht fülle. Als die Leute den Arm wieder herabnahmen und um sich sahen, war König Djennewerre



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aus ihrer Mitte verschwunden. Man suchte den König. Man fand den König nicht. Man suchte fünf Tage lang. Dann fand man ein Stück Papier, auf dem stand: "König Djennewerre ist von Allah fortgenommen. Er ist nicht mehr."


Copyright: arpa, 2015.

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