Projektseite Volksmärchen Sagen Geschichten Etnologie Beriche © Arpa data
Textbreite
Schriftgröße
Kapitel 

DICHTEN UND DENKEN IM SUDAN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1925

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



Atlantis Bd_05-0004 Flip arpa

TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F.H. EHMCKE

MIT EINER KARTE UND EINER TAFEL

h) Edsu Jimada und Alaru Kubaru

Zur Zeit des Edsu Jimada heiratete ein Mann eine Frau. Die Frau ward schwanger. Die Frau ging in die Farm und gebar in der Farm ein Kind, ein Mädchen. Das Mädchen ward genannt Alaru Kubaru. Der Vater ließ in der Farm an der Stelle, da seine Frau seine Tochter geboren hatte, ein Gehöft bauen und das Gehöft von einer Mauer umgeben. In der Mauer war keine Tür, und wer heraus oder herein wollte, der mußte mit dem Pferde hinüberspringen. Hinter dieser Mauer wuchs das Mädchen Alaru Kubaru heran, ohne daß ein Mann es jemals zu Gesicht bekommen hatte. (Im weiteren Verfolg läßt die Legende die Idee der Unübersteigbarkeit und Durchgangslosigkeit der Umfassungsmauer fallen.)

Eines Tages ging ein Pferdejunge (doko; Haussa: dandoko; Joruba: aquaqueschi) des Königs Jimada vor das Tor der Stadt und schaute in den Farmen nach gutem Pferdefutter um. Er kam in die Nähe des Gehöftes, in dem Alaru Kubaru wohnte. Er kam an die Mauer, die das Gehöft umgab. Er schaute über die Mauer und er-



Atlantis Bd_05-221 Flip arpa

blickte Alaru Kubaru. Alaru Kubaru war herangewachsen. Alaru Kubaru war sehr schön (udje njassa-njassain; Haussa: detjau; Joruba: oda). Alaru Kubaru war so schön, wie kein Mädchen vorher.

Der Pferdebursche kam an die Mauer. Er sah über die Mauer. Er sah Alaru Kubaru. Er wandte sich um. Er lief in die Stadt zurück. Er lief zu Edsu Jimada. Der Pferdebursche sagte zu Edsu Jimada: "Ich kam in die Farm. Ich traf auf eine Mauer. Ich blickte über die Mauer. Ich sah ein Mädchen. Das Mädchen ist so schön, wie nie vorher ein Mädchen war." Edsu Jimada sagte: "Wir haben viele schöne Mädchen, die du nicht kennst!"Edsu Jimada sagte zu seinen Leuten: "Laßt hundert schöne Mädchen zusammenkommen." Die Mädchen kamen zusammen. Edsu Jimada fragte den Pferdeburschen: "Ist hier nicht ein Mädchen darunter, das so schön ist, wie Alaru Kubaru ist?" Der Pferdejunge betrachtete sie alle. Der Pferdejunge sagte: "Nein, es ist kein Mädchen darunter, das so schön ist wie Alaru Kubaru." Edsu Jimada sagte: "Wir haben viele schöne Frauen, die du nicht kennst." Edsu Jimada sagte zu seinen Leuten: "Laßt hundert schöne junge Frauen zusammenkommen!" Die hundert schönen jungen Frauen kamen zusammen. Edsu Jimada fragte den Pferdeburschen: "Ist hier nicht eine junge Frau darunter, die so schön ist wie Alaru Kubaru ?" Der Pferdejunge betrachtete sie alle. Der Pferdejunge sagte: "Nein, es ist keine Frau darunter, die so schön ist wie Alaru Kubaru."

Edsu Jimada rief seinen Mejaki (Kriegsobersten; Haussa: Maijaki; Joruba: Balogun). Edsu Jimada sagte zu dem Mejaki: "Mein Pferdejunge hat draußen in der Farm eine Mauer gefunden. Hinter der Mauer lebt Alaru Kubaru, ein Mädchen. Kein Mädchen und keine Frau in meiner Stadt ist so schön wie Alaru Kubaru. Hier hast du vierhunderttausend Kauri. Hier hast du Kleider. Hier hast du Bogen und Pfeil. Bringe das alles hinaus und gib es den Eltern der Alaru Kubaru. Sage den Eltern Alaru Kubarus, daß ich das Mädchen heiraten will. Bitte die Eltern, mir das Mädchen zur Frau zu geben." Der Mejaki sagte: "Es ist gut. Ich werde das erledigen."

Der Mejaki ritt mit hundert Reitern hinaus zu den Farmen. Er hatte alle Geschenke für die Eltern der Alaru Kubaru bei sich. Der Mejaki kam an die Mauer, hinter der Alaru Kubaru wohnte. Der Mejaki kam hinein. Er sah Alaru Kubaru. Als der Mejaki das Mädchen sah, vergaß er alles, was er bestellen sollte. Alaru Kubaru war schöner als irgendeine andere Frau, die der Mejaki kannte. Der Mejaki kehrte um und kam zu Edsu Jimada zurück. Er sagte zu Edsu



Atlantis Bd_05-222 Flip arpa

Jimada: "Alaru Kubaru ist so schön, daß ich alles auszurichten vergaß, was du mir bestellt hast. Sende einen andern Boten. Ich bin hierzu nicht tauglich."

Edsu Jimada ließ nun die alten angesehenen Leute zusammenkommen. Er gab ihnen die Geschenke, die der Mejaki wieder mitgebracht hatte, und sagte zu ihnen: "In den Farmen draußen steht eine Mauer. Hinter der Mauer lebt Alaru Kubaru, ein Mädchen. Kein Mädchen und keine Frau in meiner Stadt ist so schön wie Alaru Kubaru. Hier habt ihr viele Geschenke. Bringt sie hinaus und gebt sie den Eltern der Alaru Kubaru. Sagt den Eltern der Alaru Kubaru, daß ich das Mädchen heiraten will. Bittet die Eltern, mir das Mädchen zur Frau zu geben." Die alten angesehenen Leute sagten: "Es ist gut. Wir werden das erledigen!"

Die alten angesehenen Leute ritten hinaus zu den Farmen. Sie hatten alle Geschenke für die Eltern der Alaru Kubaru bei sich. Die alten angesehenen Leute kamen zu der Mauer, hinter der Alaru Kubaru wohnte. Die alten angesehenen Leute kamen herein. Alaru Kubaru wusch sich gerade das Gesicht. Die alten angesehenen Leute kamen dazu. Sie sahen es, sie fielen sogleich in Schlaf. Als sie wieder erwachten, war Alaru Kubaru weggegangen. Die alten angesehenen Leute kehrten zurück zu Edsu Jimada. Sie sagten zu Edsu Jimada: "Alaru Kubaru ist so schön, daß wir bei ihrem Anblick in Schlaf verfielen und nicht ausrichten konnten, was du uns befahlst. Sende andere Boten, wir sind hierzu nicht tauglich."

Edsu Jimada ließ nun alle vornehmen Leute seines Reiches zusammenkommen. Er übergab ihnen die Geschenke, die die alten angesehenen Männer wieder mitgebracht hatten, und sagte zu ihnen: "In den Farmen draußen steht eine Mauer. Hinter der Mauer lebt Alaru Kubaru, ein Mädchen. Kein Mädchen und keine Frau in meiner Stadt ist so schön wie Alaru Kubaru. Einige vergaßen bei ihrem Anblick alles, was sie hätten bestellen sollen. Andere verfallen bei ihrem Anblick in Schlaf. Hier habt ihr nun viele Geschenke. Ich werde mit euch hinausreiten. Gebt diese Geschenke den Eltern der Alaru Kubaru. Sagt den Eltern der Alaru Kubaru, daß ich das Mädchen heiraten will. Ich werde die Eltern bitten, mir das Mädchen zur Frau zu geben." Die vornehmen Leute sagten: "Wir werden dich alle gern begleiten."

Edsu Jimada und die vornehmen Leute ritten hinaus zu den Farmen. Sie hatten alle Geschenke für die Eltern der Alaru Kubaru bei sich. Edsu Jimada kam mit seinen Vornehmen an die Mauer, hinter



Atlantis Bd_05-223 Flip arpa

der Alaru Kubaru wohnte. Edsu Jimada kam mit seinen vornehmen Leuten zu ihr. Alaru Kubaru wusch sich gerade den Leib. Edsu Jimada und seine vornehmen Leute kamen dazu. Sie sahen Alaru Kubaru im Bade. Edsu Jimada fiel sogleich vom Pferde. Seine Vornehmen fielen sogleich vom Pferde. Sie lagen ohne Leben am Boden. Als Alaru Kubaru sich gewaschen hatte, kleidete sie sich an und ging fort. Edsu Jimada stand auf. Die Vornehmen standen auf. Sie stiegen auf die Pferde. Sie ritten heimwärts.

Sie kamen auf dem Wege zur Stadt an einer alten Frau vorbei. Die alte Frau sagte: "Edsu Jimada, wo kommst du her?"Edsu Jimadas Leute sagten: "Wozu sollen wir das dieser alten Frau erzählen?" Edsu Jimada sagte: "Nein, erzählt der alten Frau alles!" Die Leute Edsu Jimadas sagten zu der alten Frau: "In den Farmen steht eine Mauer. Hinter der Mauer lebt Alaru Kubaru. Alaru Kubaru ist schöner als alle Mädchen der Stadt. Edsu Jimada sandte den Mejaki mit Geschenken zu den Eltern der Alaru Kubaru, um das Mädchen für sich zur Frau zu erbitten. Als der Mejaki das Mädchen sah, vergaß er alles, was er bestellen sollte, und kam zurück. Edsu Jimada sandte alte angesehene Leute mit Geschenken zu den Eltern der Alaru Kubaru, um das Mädchen für sich zur Frau zu erbitten. Als die alten angesehenen Leute das Mädchen sahen, wusch es sich gerade das Gesicht. Da fielen alle in Schlaf und kamen nachher zurück, ohne etwas bestellt zu haben. Edsu Jimada ritt nun selbst mit uns, den Vornehmen, hinaus. Edsu Jimada kam dazu, als Alaru Kubaru sich badete. Edsu Jimada und alle andern fielen vom Pferde. Alle lagen leblos am Boden. Als Edsu Jimada und wir andern erwachten, war Alaru Kubaru fortgegangen. Jetzt reiten wir heim."

Die alte Frau sagte: "Ich werde es machen. Kehrt ihr in die Stadt zurück. Versteckt einige Reiter mit verbundenen Augen vor den Toren der Stadt." Edsu Jimada ritt mit den Vornehmen zur Stadt zurück. Die alte Frau ging in die Farm. Sie setzte sich vor der Mauer Alaru Kubarus hin und weinte. Alaru Kubaru kam und fragte die Alte: "Was ist dir? Weshalb weinst du?" Die alte Frau sagte: "Ich habe zu Hause ein krankes Kind. Das Kind hat nichts zu essen. Ich selbst bin krank. Ich gehe herum und suche Holz. Aber ich bin so schwach. Ich kann nicht gehen. Ich kann keine Holziast zusammensuchen. Ich kann sie nicht nach Hause tragen."Alaru Kubaru sagte: "Warte, ich will dir helfen." Alaru Kubaru ging in das Haus. Alaru Kubaru holte zweitausend Kauri. Sie holte ein Kleid. Sie brachte eine kleine Last Feuerholz. Sie brachte das der Alten. Sie schenkte



Atlantis Bd_05-224 Flip arpa

das der Alten. Die alte Frau sagte: "Ich danke dir! Ich danke dir! Ich danke dir!" Alaru Kubaru half der Alten die Last auf den Kopf nehmen. Die Alte weinte und sagte: "Stütze mich ein wenig, bis ich näher der Stadt bin."Alaru Kubaru tat es. Alaru Kubaru begleitete sie ein Stück; dann sagte sie: "Nun muß ich umkehren." Die Alte weinte und bat: "Komm noch ein wenig mit mir!" Alaru Kubaru ging noch ein wenig mit ihr. Sie kamen an die Stelle, an der die Reiter mit verbundenen Augen versteckt lagen. Alaru Kubaru ging mit der Alten vorbei. Die Reiter kamen heraus. Die Reiter nahmen Alaru Kubaru auf das Pferd und ritten mit ihr fort. Sie brachten Alaru Kubaru in das Frauengehöft Edsu Jimadas.

Nach drei Tagen heiratete Edsu Jimada Alaru Kubaru. Der Vater Alaru Kubarus wartete auf ihre Rückkehr. Alaru Kubaru kam nicht. Der Vater Alaru Kubarus sagte: "Erst war der Mejaki des Edsu Jimada hier. Dann waren die alten angesehenen Leute des Edsu Jimada hier. Dann war Edsu Jimada mit seinen vornehmen Leuten hier. Dann kam die alte Frau. Edsu Jimada hat meine Tochter Alaru Kubaru sicher rauben lassen und dann geheiratet. Edsu Jimada wird mit meiner Alaru Kubaru freundlich sein, sonst bleibt sie nicht bei ihm."

Edsu Jimada heiratete Alaru Kubaru. Er ließ ihr ein großes, schönes Haus bauen. Er schenkte ihr einen schönen Stuhl aus Gold. Er schenkte ihr ein Bett aus Gold (Gold: Nupe: djinalia; Haussa: djinalia; Joruba: okukwa). Edsu Jimada hatte einen Ring am Finger. Alaru Kubaru sagte eines Tages zu ihm: "Schenke mir den Ring!" Edsu Jimada sagte: "Den Ring kann ich dir nicht schenken."Edsu Jimada gab ihr nicht den Ring.

Eines Tages kam eine Frau in Edsu Jimadas Katamba. Die Frau sagte, sie wolle den Edsu Jimada allein sprechen. Er sprach mit der Frau. Die Frau sagte: "Zeige mir den Ring, den du am Finger hast." Edsu Jimada zog den Ring vom Finger und reichte ihn der Frau. Die Frau betrachtete den Ring. Die Frau sprach mit Edsu Jimada. Edsu Jimada vergaß den Ring. Edsu Jimada sprach mit der Frau. Die Frau ging. Sie nahm den Ring mit. Sie steckte den Ring an den Finger. — Alaru Kubaru sah die Frau. Sie sah den Ring, den Edsu Jimada ihr nicht hatte geben wollen, am Finger der andern Frau. Alaru Kubaru fragte Edsu Jimada: "Wo ist der Ring, den du mir nicht hast geben wollen?" Der König sagte: "Warte, ich werde ihn dir zeigen." Das war fünf Tage vor dem großen Sala (Nupe und Haussa: sola; Joruba: jurun).



Atlantis Bd_05-225 Flip arpa

Am großen Sala bestieg der König sein Pferd, um in die Moschee zu reiten. Alaru Kubaru bestieg ihr Pferd, um zur Moschee zu reiten. Alle vornehmen und angesehenen Leute stiegen zu Pferde und ritten zur Moschee hinaus zum großen Gebet.

Alaru Kubaru kniete vor der Moschee nieder. Sie scharrte Sand vor sich zusammen. Alaru Kubaru sprach. Alle Leute hörten Alaru Kubaru. Alaru Kubaru sagte zu Edsu Jimada: "Ich habe mit Edsu Jimada vor allen Leuten zu sprechen. Alle Leute sollen hören, was ich Edsu Jimada zu sagen habe. Edsu Jimada hat eine alte Frau geschickt, die lockte mich zur Stadt. Vor der Stadt hat Edsu Jimada Reiter mit verbundenen Augen aufgestellt. Die Reiter nahmen mich und brachten mich zu Edsu Jimada. Edsu Jimada hat mich mit Gewalt genommen. Ich bat Edsu Jimada um einen Ring. Edsu Jimada gab mir den Ring nicht. Jetzt trägt eine andere Frau den Ring. Ich bin jetzt fertig mit Edsu Jimada!" Alaru Kubaru verneigte sich und sagte: "Salem aleikum." Sie verneigte sich und sagte: "Salem aleikum." Sie verneigte sich und sagte: "Salem aleikum." Die Erde spaltete sich. Die Erde hatte eine große Öffnung vor Alaru Kubaru. Alaru Kubaru ging in die Erde.

Edsu Jimada brachte dem obersten Mauern achthunderttausend Kauri und sagte: "Sieh, ob du Alaru Kubaru zurückgewinnen kannst!" Der Priester warf sich auf den Boden, berührte mit der Stirn den Boden und betete: "Alla-(ru)-kubar-(u)! Alla-(ru)-kubar-(u)! Alla-(ru)-kubar-(u) !" Aber Alaru Kubaru kam nicht wieder. Seitdem beten die Islamiten immer in dieser Weise und beginnen so auch ihr Gebet.


Copyright: arpa, 2015.

Der Text wurde aus der Märchen-, Geschichten- und Ethnien-Datenback von arpa exportiert. Diese Datenbank wurde dank Sponsoren ermöglicht. Es würde uns freuen, wenn wir mit Ihrer Hilfe weitere Dokumente hinzufügen können.
Auch bitten wir Sie um weitere Anregungen in Bezug auf Erweiterungen und Verbesserungen.
Im voraus Dank für die Mithilfe. Spenden können Sie unter In eigener Sache

Ihr arpa team: www.arpa.ch Kontakt