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Fünf Geschichten aus dem Westlichen Nordland


Mit einer Übersichtskarte


Übertr. von W. H. Vogt u. Frank Fischer

Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1914


10. Finnbogi fährt aus und leidet Schiffbruch. Bard in Halogaland nimmt ihn auf

In diesem selben Sommer kam ein Schiff vom Ozean herein . Der Herr des Schiffes hieß Bard und war aus Vik gebürtig. Das Schiff kam an Land bei Schiffsstrand 1. Der Schiffsherr Hard ging nach Lautersee und nahm Quartier bei dem Goden Thorgeir. Es war nr Zeit, als in Norwegen Jarl Hakon regierte und seine Macht und sein Ansehen am größten war. Den Winter über war Bard im Hause Thorgeirs. Dort war auch Finnbogi stets, denn das verhältnis zwischen beiden war das beste.

Im Frühjahr sagte Finnbogi zu seinem Oheim Thorgeir; er wolle im Sommer mit dem Kapitän Bard hinausfahren. Thorgeir antwortete: "Wenn mir auch erwünscht ist, daß du bleibst, wird es doch nichts nützen, dir abzuraten, denn es wird dir so bestimmt sein. Ich glaube, du wirst das von deinen Verwandten mitbekommen haben, daß sie immer sehr beneidet und an



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gefeindet worden sind. Dafür wirst du auch überall der angesehenste Mann sein."

Sie ritten darauf nach Strand und trugen Asbjörn dies vor. Er erklärte; daß er wohl gerne sähe, wenn Finnbogi daheim bei ihm bliebe; — " da er aber ein Recht bat, über sein Leben zu verfügen, will ich hier wie sonst mich seiner Entscheidung anschließen ." Sie verschafften ihm nun Fahrgelegenheit bei dem Schiffsherrn Bard er kaufte das Schiff zur Hälfte. Als sie fertig waren, schafften Asbjörn und Thorgeir alles, was Finnbogi besaß, auf das Schiff. viel Geld hatte er nicht. Sie trennten sich mit großer Freundschaft.

Sie lichteten die Anker und stachen in See. Als sie etliche Tage gesegelt waren, ließ der Fahrwind nach; sie verloren den Kurs und wußten nicht; wo sie waren. Darauf setzten die Herbststürme ein, und die See geriet in Bewegung. Mit einem Male warf es sie ans Land, und es war spät am Tage. Sie sahen nichts als Klippen und gewaltige Brandungsstrudel, von denen es in den Felsen dröhnte. Weil das Unwetter scharf landwärts blies, trieb das Schiff dort an und brach in Stücke. Alle kamen da um, nur Finnbogi rettete sich ans Land mit seinen Waffen und seinem Schlafsack. Da war ein kleiner Strandstreifen vor den Klippen, und außer Fels und Klippen sah er nichts. Er ging an den Klippen entlang, solange bis die sich teilten und ein Bach zur See stürzte. Dort spähte er die Schroffen aufwärts, und bei seiner Gewandtheit arbeitete er sich in die Höhe. Da war es schon tief in der Nacht. Es blies und fror, daß seine Kleider an ihm erstarrten. Gewaltiger Schnee lag umher. Er warf seinen Schlafsack auf den Rücken und klomm auf das Land empor.

Als er eine Zeit gegangen war, spürte er Feuerrauch. Und gleich darnach kam er an ein Gehöft. Es war ein großer und reicher Hof. Er legte den Schlafsack hin und ging an die Tür. Er konnte hören, daß viele Leute darin waren. Die faßen am Feuer. Er klopfte an die Tür. Jemand nahm das Wort und sagte, einer der Hausleute solle zur Tür gehen. Die antworteten, das kümmere sie nicht, wenn es auch jede Nacht so klopfe. Finnbogi schlug zum andern Mal an die Tür und diesmal lauter. Jener forderte



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sie auf, die Tür zu öffnen. Sie antworteten, das täten sie nicht, und wenn die Unholde jede Nacht da pochten. Da schlug er zum dritten Male an die Tür und so stark, daß alle zusammenfuhren. Der Bauer sprang auf und sagte, sie wären nicht wenig unfreundlich, daß sie nicht an die Tür gehen wollten, wenn Leute anklopften; — " wer hier draußen ist, den wird es gewiß besser dünken, drinnen zu sein bei diesem Wetter." Er nahm dann eine Axt in die Hand und ging zur Tür. Er begrüßte den Gast und fragte nach seinem Namen. Der nannte sich Finnbogi, sein Vater sei Asbjörn, und er sei aus Island. Der Bauer fragte, wann er hier ans Land gekommen wäre. Finnbogi erwiderte: "Jetzt am Abend!" "Du mußt es mit der Landung schwer gehabt haben,"sagte der Bauer. Finnbogi sagte, er sei mit dem Schiff gescheitert; —"alle Menschen und alle Habe ist untergegangen. Ich allein habe das Land erreicht. Aber wohin bin ich eigentlich geraten:" Der Bauer antwortete: "Ihr seid hier an der norwegischen Rüste ganz im Norden in Halogaland gelandet. Der Hof hier heißt Grünheide 1. Da fragte Finnbogi, wie denn der Bauer heiße. Er erwiderte: "Ich heiße Bard." "Bist du hier der Vorsteher in Halogaland:" Er bejahte es und fragte: "Wie alt bist du, Finnbogi " "Ich bin eben sechzehn Jahre alt." Da meinte der Bauer: "So hab ich noch keinen Sechzehnjährigen gesehen. Du wirst wohl noch in anderm glücklich beanlagt sein als in Größe und Ansehnlichkeit . Ist dein Vater Isländer" "Nein," sagte Finnbogi" er ist hier aus Halogaland gebürtig." Da sagte der Bauer: "Bist du denn der Sohn von Asbjörn Gunnbjörnsson Stürzebalken:" Gewiß!" sagte er. Der Bauer antwortete: "An den Ohren erkenne ich den Wolf. Da ist mein Rat, du kommst herein und bleibst hier zur Nacht." Finnbogi tat so.

Man nahm ihm die Waffen und die Kleider ab und gab ihm trockene. Alle Leute waren freundlich zu ihm. Am Margen war Bard früh auf den Beinen und weckte Finnbogi: Augenscheinlich ist da Schiffsgut angetrieben." Finnbogi erhob sich, und sie gingen an den Strand. Es war, wie Bard erwartet hatte: ein sehr großer Teil der Ladung war angespült. Bard



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ließ alles heimschaffen und so darauf achten, als wäre es sein eigenes Gut. Es war eine stattliche Menge Habe.

Bard bot Finnbogi an, so lange als er wolle bei ihm zu bleiben. So blieb er den Winter über. Er wurde gut verpflegt und nichts ging ihm ab; Bard sorgte auf das beste für ihn. Es waren viele Männer dort zusammen, und es gab viel Unterhaltung. Finnbogi war freigebig mit seinem Gut, und er hatte es auch dazu. Er war ja Schiffseigner gewesen, und auch das vermögen seiner Mannschaft war ihm nach damaligem Gesetz angefallen.


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