Vier Skaldengeschichten
Übertragen von Felix Niedner
Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1914
19. Kormaks Wiedersehen
mit Steingerd
Während sie fortwaren, war ein Wechsel in der Herrschaft eingetreten. Hakon war gefallen und Harald Grafeld (Graumantel) an seine Stelle getreten. Sie befreundeten sich mit dem Könige, und dieser nahm sie gern in seine Gefolgschaft. Sie fuhren mit dem Könige nach Irland und nahmen an seinen Schlachten teil. Einst als sie mit dem Könige ans Ufer gegangen waren, kam jenem eine große Schar Feinde entgegen, und da die Heere sich trafen, sprach Kormak die Weise:
Schauer mir, Landes Schirmherr, Schwerlich bringt solch Heerbann: Furcht nicht fühl' als Skalde vor dem Tod' ich, Kormak. Nach der tücht'gen Tochter Thorkels hoch im Norden Sinn' ich stets in Sehnsucht, Skardi: Ruhe ward nie 1 ! |
Thorgils sagte:"Du kannst niemals in Gefahr kommen, ohne an Steingerd zu denken" Kormak erwiderte:"Nein, ich kann sie nimmer vergessen."
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Dieser Kampf war gewaltig. König Harald gewann einen ruhmvollen Sieg. Seine Mannen nahmen die verfolgung der Geschlagenen auf. Die Brüder aber standen Schulter an Schulter , als neun Mann auf sie zustürzten. Sie fochten eine Weile. Kormak aber sprach die Weise:
Streithart wollen hurtig Helden, Mann, wir fällen! Neun Krieger heut nah'n der Neidischen Hel wir beide, Während die schöne schlanke Steingerd, die einst mein war, Schnöd' aufs schmucke Lager Steigt hin zu dem Feigling 1 ! |
Thorgils sprach: "Immer kommt es wieder auf Steingerd hinaus." Der Kampf endete so, daß die beiden Brüder siegten und die neun fielen. Sie ernteten dafür großes Lob vom König und überdies viele andere Ehren. Die Brüder waren stets mit dem König auf Heerfahrten. Da merkte Thorgils. daß Kormak immer nur wenig schlief und frug, woher das käme. Kormak sagte diese Weise:
Blauenden Meeres Brandung Braust. Auf steigen grausig Aus der Wasserwüste Wellen steil wie Felsen ! Schlimmer meinen Schlummer Steingerd macht als deinen: Noch mich Sehnsucht nie ließ Nach ihr beim Erwachen! |
"Und hiermit will ich dir erklären, Bruder, daß ich wieder nach Island zurückfahren werde." Thorgils versetzte: "Dort sind dir viele Fallen gelegt, Bruder, und ich weiß nicht, wie es ausläuft ." Da nun der König hörte, daß Kormak fortfahren wollte, rief er ihn zu sich und meinte. er handele unverständig. Er suchte ibn von der Fahrt zurückzuhalten, aber das half
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nichts. Er ging doch zu Schiff. Bei der Ausfahrt bekamen er und fein Bruder widriges Wetter. Eine Sturzsee bedrängte das Schiff, und die Raaen brachen. Da sprach Kormak die Weise:
Maßlos, wenn den Mistkarr'n Macht entzwei sein Pachisklav, Zinnmann schreckts schon: zitternd sagt' im Sturm er fraglos. Anderen Sinns im Sunde Sah man mich, da Raaen Heulender Sturm hieb: allen Helden darf ich's melden! |
Sie fuhren so auf das Meer und hatten viel unter dem Weiter zu leiden. Als einst wieder eine große Sturzsee kam und die Männer naß wurden, sprach Kormak die Weise:
Wogenflücht' gen Feigling, Find' ihn nie, den Tintein, — Machst an Freuden mich arm, Maid des Goldgeschmeides — Wo's gilt: Meerflut's groll'nder Gischt das Haupt umzischet: Müd' er kriesi in Mädchens Molliges Bett zur Wollust 1. |
Sie bauen eine sehr stürmische Fahrt und landeten endlich im Mittfjord. Sie warfen nahe dem Lande Anker. Da sahen sie, wie oben eine Frau ritt. Kormak erkannte Steingerd. Er ließ ein Boot aussetzen und ruderte zum Lande. Er ging schnell aus dem Boote und nahm sich ein Pferd. Dann ritt er Steingerd entgegen, und da sich beide trafen, sprang Kormak vom Rosse und half auch ihr vom Pferde. Er setzte sie neben sich auf den Boden nieder. Die Tiere gingen von ihnen, der Tag schwand, und das Dunkel brach herein. Steingerd sagte: " Es ist hohe Zeit nach unsern Rossen zu sehen." Kormak meinte, man würde nicht viel zu suchen brauchen. Da er aber umherspähte, konnte
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er die Pferde nirgends sehen. Sie hatten sich in ein Bachbett verirrt, nicht weit von der Stelle, wo sie saßen. Jetzt brach die Nacht völlig herein. Da stellten sie ihre Wanderung ein. Sie kamen einem kleinen Gehöft. Dort nahm man sie auf, und sie erhielten jede erwünschte Bewirtung. In der Nacht aber lagen sie, nur durch die niedre Bretterwand getrennt, in ihren Betten. Da sprach Kormak die Weise:
Schlimme Wand im Schlummer Scheidet, Goldes Maid, uns. Arg und widerwärtig Waltet Schicksal also: Daunen-Eilands Düne, Dürft' ich auf ihr schürfen: Stieg' ich ohne Schande, Steingerd, einst in dein Bett! |
"Es ist besser, wir kommen nicht zusammen," sagte Steingerd. Kormak sprach die Weise:
Goldschmucks Herrin, höre, Horntaus Schenkin, grausam Bangt im selben Saalbau Siech nach dir der Dichter: Dumpf war'n und gar dämlich, Dächt' ich, hier fünf Nächte. Mußt' im Bette missen Meine holde Steingerd 1. |
Steingerd sagte: "Das ist nun vorüber. Rühre nicht mehr daran." Kormak sprach da die Weise:
Schwimmen eh 'r sieht wie Saatkorn Steine man fjordeinwärts, Erde sinkt —ach wär' ich Einmal lieb doch Steingerd —,
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Hochgebirg, mächtiges, möcht' auf Meeresgrund sinken eh 'r selbst Als solch' wunderwonnig Weib aus Frauenleib kommt. |
Da rief Steingerd aus, sie wolle nicht, daß er sie durch solche Lieder ins Gerede bringe. Kormak aber sprach diese Weise:
Lange schon erschien mir Schönster Traum —ach höhnten Mich nicht meine Sinne, Maid des Goldgeschmeides —: Steingerds beller Schultern Schnee'ge Aste legten Eng sich Ögmunds Sohne Um den Hals zum Schlummer 'l |
Steingerd sagte: " Das wird nie geschehen, solange ich zu bestimmen habe. Du hast mich ein für allemal fahren lassen, und nun hast du keine Hoffnung mehr." So schliefen sie denn die Nacht. Aber am Morgen, als Kormak aufbrechen wollte, ging er zu Steingerd. Er zog seinen Ring vom Finger und wollte ihn ihr geben. Sie aber rief: "Böse Geister mögen dich und dein Gold holen." Kormak sprach da diese Weise: 62
Pechtag ! Schnee des Tiegels Taugt' in Steingerds Aug' nichts ! Gold —bin ist, was gilt's, mein Glück! —sie schnöd' zurückwies. Wünschte hin um Henker Hier den Ring so zierlich! Gar nicht sie begehrt mein Gut, die Frohgemute t |
So ritt Kormak fort und war sehr erbost auf Steingerd, aber noch mehr gegen Tintein. Er ritt heim nach Mel und blieb da den Winter. Seinen Kaufleuten verschaffte er nahe dem Schiffe Unterkunft.
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