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Kapitel 

Die Geschichte von den Leuten aus dem Lachswassertal


Mit zwei Beilagen Übertragen von Rudolf meißner

verlegt bei Lugen Diederichs in Jena 1913


13. Höskuld kehrt nach Island zurück. Olaf Pfau wird geboren. Melkorka gibt sich zu erkennen

Darauf nahm der König Höskuld mit aller Freundlichkeit auf und bat ihn, auf sein Schiff zu kommen — "und bleib bei uns, so lange du in Norwegen dich aufhalten willst."Höskuld antwortete:"Habt Dank für Eure Einladung, aber ich habe nun in diesem Sommer vieles zu besorgen; der Umstand besonders, daß ich die Absicht hatte, mir Bauholz zu verschaffen, ist die Ursache gewesen, daß ich so lange gezögert habe, Euch aufzusuchen." Der König bat ihn. nach der Wik zu segeln. Höskuld verweilte beim Könige eine Zeitlang . Der König verschaffte ihm Bauholz und ließ damit sein Schiff befrachten. Da sprach der König zu Höskuld: Nicht will ich dich hier länger bei uns aufhalten, als es dein Wunsch ist; aber ich fürchte, der Ersatz wird uns schwer werden, wenn dein Platz leer ist." Dann begleitete der König Höskuld ans Schiff und sagte: "Als Ehrenmann habe ich dich



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erprobt; ich glaube fast, daß du zum letztenmal aus Norwegen segelst, solange ich hier Herr bin." Der König zog einen Goldring vom Arm, der eine Mark wog, und gab ihn Höskuld, und ein Schwert gab er ihm als zweites Kleinod, das auf eine halbe Mark Goldes zu stehen kam. Höskuld dankte dem Könige für die Gaben und für alle die Ehre, die er ihm erwiesen hatte. Dann ging Höskuld an Bord und segelte ab. Sie hatten guten Wind und erreichten das Land an der Südküste; sie segelten dann westwärts an Reykjanes und weiter an Snaefellsnes vorüber und hinein in den Breidifjord, Höskuld landete in der Mündung des Lachswassers; er ließ die Ladung aus dem Schiff tragen und das Schiff nördlich des Lachswassers an Land ziehen, und errichtete dort einen Schuppen darüber, und man siebt da noch die Grundmauern, wo er den Schuppen bauen ließ. Er schlug dort Zeltbuden auf, darnach heißt die Gegend Budental. Dann ließ Höskuld das Bauholz nach Haus schaffen; das ging leicht, da der Weg nicht lang war. Darauf ritt Höskuld nach Hause mit einigen Leuten und wurde gut empfangen, wie zu erwarten war; das Gut war in der Zwischenzeit wohl verwaltet worden. Jorunn fragte, wer die Frau in seinem Gefolge sei. Höskuld antwortete: "Du wirst glauben, ich wolle dich mit meiner Antwort zum besten haben: ich weiß ihren Namen nicht." Jorunn sprach: "Zweierlei ist möglich, entweder lügt das Gerücht, das nur zugetragen wurde, oder du hast noch mehr mit ihr gesprochen, als sie nur nach dem Namen gefragt." Höskuld sagte, er wolle das nicht bestreiten und erzählte ihr alles wahrheitsgemäß; er bat auch um gute Behandlung für diese Frau und sagte, es sei sein Wunsch, daß sie sich im Hause aufhalten dürfe. Jorunn sprach: "Ich werde nicht Streit anfangen mit deiner Mätresse, die du dir von Norwegen mitgebracht hast, wenn sie auch Schwierigkeiten im Haus machen sollte; unter diesen Umständen kann es mir nur recht sein, daß sie taub und stumm ist." —Höskuld schlief jede Nacht bei seiner Hausfrau, seitdem er heimgekehrt war, und gab sich mit der Fremden wenig ab. Jedermann mußte ihr adliges Wesen bemerken und ebenso, daß sie durchaus nicht ohne Verstand war.



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Ende des Winters gebar Höskulds Nebenfrau einen Knaben. Höskuld wurde herbeigerufen, und man zeigte ihm das Kind. Ihm wie den andern schien es, daß man niemals ein schöneres und adligeres Kind gesehen hätte. Höskuld wurde gefragt, wie der Knabe heißen sollte. Er befahl, den Knaben Olaf zu nennen; kurz vorher war nämlich sein Mutterbruder Olaf Feilan gestorben. Olaf war ein ganz ungewöhnlich prächtiges Kind, und Höskuld schenkte dem Knaben seine ganze Zuneigung.

Im Sommer darauf sagte Jorunn, daß die Mätresse irgend eine Arbeit übernehmen oder sonst den Hof verlassen müsse. Höskuld bestimmte, daß sie den Ehegatten aufwarten und im übrigen ihren Knaben besorgen sollte. Und als der Knabe zwei Jahre alt war, konnte er vollständig sprechen und lief allein herum wie ein Kind von vier Jahren.

Eines Morgens geschah es, daß Höskuld ausging, um seinen Hof zu besichtigen. Das Wetter war gut, die Sonne schien und war schon etwas gestiegen; er hörte menschliche Stimmen. Er ging nach der Seite, wo ein Bach an dem Abhang der Hofwiese entlang lief; dari sah er zwei Gestalten und erkannte sie; es waren sein Sohn Olaf und seine Mutter; er wußte nun auf einmal, daß sie nicht stumm war; deim sie redete da eisig mit dem Kinde. Höskuld trat darauf zu ihnen und Sagte sie nach ihrem Namen, er sagte, es könne ihr nun nichts mehr helfen, sich noch länger zu verstellen.

Sie sagte, es solle auch nicht mehr geschehen; sie setzten sich zusammen nieder am Wiesenabhang. Dann sprach sie: "Willst du meinen Namen erfahren, so heiße ich Melkorka." Höskuld bat sie, ihm mehr von ihrem Herkommen zu sagen. Sie antwortete: "Myrkjartan heißt mein Vater; er in Königin Irland; von dort kam ich, als ich fünfzehn Jahr alt war, in Kriegsgefangenschaft. Höskuld sagte, sie habe allzulange eine so gute Abkunft verschwiegen. Dann ging Höskuld ins Haus und erzählte Jorunn dad Unerwartete, das ihm begegnet war. Jorunn sagte, man wisse ja nicht, ob sie die Wahrheit sage; sie selbst habe kein Interesse für solch fremdartiges Volk Damit brachen sie das Gespräch ab. Jorunn behandelte sie seitdem keineswegs freundlicher, Höskuld aber gab sich nun öfters mit ihr ab.



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Kurze Zeit darauf, als Jorunn einmal schlafen ging, zog ihr Melkorka Schuh und Strümpfe aus und legte alles auf der Diele zusammen. Jorunn nahm die Strümpfe und schlug sie ihr um die Ohren. Melkorka wurde zornig und versetzte ihr einen Faustschlag auf die Nase, daß das Blut heraus sprang, Höskuld kam dazu und trennte sie. Darauf ließ er Melkorka fortziehen und gab ihr eine Wohnstätte oben im Lachswassertal; Melkorkastadir hieß die seitdem — nun ist dort Wüstung —sie lag südlich des Lachswassers. Dort richtete sich Melkorka ihr Haus ein; Höskuld gab ihr dazu alles, was man brauchte; ihr Sohn Olaf zog mit ihr dorthin. Bald sah man an Olaf, als er aufwuchs, daß er über andre Männer hervorragen werde an Schönheit und Ritterlichkeit.


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