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Kapitel 

Die Geschichte von dem starken Grettir dem Geächteten


Übertragen von Paul Herrmann


Mit 8 Ansichten und einer Karte

Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1913


48. Grettir rächt den Tod seines Bruders Ätti

Eines Tages, da gut Wetter war, ritt Grettir westwärts über die Höhen nach Thoroddsstadir. Er kam zur Mittagszeit



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dort an und klopfte an die Tür. Einige Frauen kamen hinaus und grüßten ihn. Sie kannten ihn nicht. Er fragte nach Thorbjörn. Sie sagten, er wäre draußen auf den Wiesen, um Heu zu binden, und mit ihm sein sechzehnjähriger Sohn Arnor. Thorbjörn war ein arbeitsamer Mann und fast nie ohne Beschäftigung. Als Grettir das gehört hatte, verabschiedete er sich von ihnen und ritt in der Richtung nach dem Gehöft Reykir. Dort erstreckt sich ein Moor von den Höhen abwärts, und dort war reiches Grasland, Thorbjörn hatte da eine Menge Heu geschlagen, und es war schon ganz trocken; er und der Knabe wollten es zusammen binden und auf den Pferden nach Hause schaffen lassen, und eine Frau harkte das liegen gebliebene Heu zusammen. Grettir betrat mit seinem Pferde die Wiese, aber Thorbjörn und sein Sohn standen etwas höher da oben, ein Bündel Heu hatten sie zusammen gebunden, mit dem zweiten waren sie gerade beschäftigt. Thorbjörn hatte Schild und Schwert abgelegt, auf das fertige Bündel Heu, aber der Knabe hatte ein Handbeil bei sich. Thorbjörn sah den Mann und sprach zu dem Knaben: "Da kommt ein Mann auf uns losgeritten, laß uns mit Binden aufhören und hören, was er will." Und so taten sie.

Grettir stieg vom Pferde. Er hatte einen Helm auf dem Haupte, ein Schwert umgegürtet, in der Hand einen großen, silberbeschlagenen Spieß, ohne Haken. Er setzte sich nieder und zog den Nagel heraus, mit dem das Blatt des Speeres am Schafte befestigt war, denn er wollte nicht, daß Thorbjörn den Spieß auffangen und zurückwerfen könnte.

Da sprach Thorbjörn:"Das ist ein großer Mann, und ich kenne keinen Mann aus der Entfernung, wenn das nicht Grettir Asmundarson ist; er glaubt gewiß guten Grund zu haben, uns zu treffen. Aber wir wollen mutig sein und keine Ängstlichkeit zeigen. Wir wollen mit List gegen ihn vorgehen: ich will ihn von vorn angreifen und sehen, wie es uns ergeht, denn ich traue mich an jeden Beliebigen heran, wenn ich es mit einem zu tun habe. Du aber sollst ihn von hinten angreifen und ihn aus allen Kräften mit dem Beile zwischen die Schultern schlagen. Du brauchst nicht bange zu sein, daß er dir ein Leid antut, da er dir ja den Rücken zukehrt."



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Weder Thorbjörn noch sein Sohn hatte einen Helm. Grettir betrat nun das Moor, und da er auf Wurfwette heran war, schleuderte er den Spieß gegen Thorbjörn. Aber er saß loser am Schafte, als er erwartet hatte, schwankte im Fluge hin und her, glitt vom Schafte los und fiel zu Boden. Thorbjörn nahm den Schild und hielt ihn vor sich, zog sein Schwert und wandte sich gegen Grettir, als er ihn erkannte. Grettir schwang sein Schweri und sah sich ein wenig um, so daß erden Knaben im Auge behielt, der hinter ihm stand, und deshalb war er in fortwährender Bewegung; aber als er bemerkte, daß der Knabe auf Schlagweite herangekommen war, holte er mächtig aus und schlug dem Knaben mit dem Rücken der Schweriklinge so heftig auf den Kopf, daß der Schädel gespalten wurde; Arnor fiel tot zu Boden. Dann sprang Thorbjörn auf Grettir los und hieb nach ihm; dieser wehrte den Hieb mit dem gebuckelten Schilde ab, den er in der Linken hatte, in demselben Augenblicke schlug er nach Thorbjörn und zerklaubte ihm den Schild; der Schlag traf Thorbjörns Kopf mit solcher Macht, daß das Schwert in das Gehirn eindrang, und er fiel sogleich tot um. Weiter brachte Grettir dem Thorbjörn keine Wunde bei. Darauf suchte er nach seinem Spieß, konnte ibn aber nicht finden. Dann ging er nach seinem Pferde, ritt nach dem Hofe Reykir und verkündete dort den Totschlag.

Die Frau, die auf dem Wiesenstreifen war, hatte den Kampf mit angesehen. Sie stürzte entsetzt nach Hause und erzählte, daß Vater und Sohn erschlagen wären. Das kam allen, die daheim waren, gänzlich unerwartet, denn niemand wußte etwas von Grettirs Reise. Es wurde nach den Leuten auf den nächsten Höfen geschickt. Sogleich kamen viele zusammen und brachten die Leiche nach der Kirche. Thorodd Drapustuf übernahm es, die Mordsache zu verfolgen und sammelte sogleich eine Schar.

Grettir ritt heim nach Bjarg, traf seine Mutter und erzählte ihr, was geschehen war. Sie freute sich darüber und rühmte, er hätte jetzt seine Ähnlichkeit mit dem Geschlechte der Bewohner des Vatnsdalr gezeigt: Aber doch wird hier der erste Anfang eines fiedlosen Lebens fur dich sein; weiß gewiß, hier kannst du nicht lange bleiben Thorbjörns Verwandter wegen;



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aber nun können sie doch sehen, daß du dir nicht alles gefallen läßt.

Grettir sprach diese Weise:



***
38
Der mit Riesen 1 rastlos
Rang und Bären 2 zwang,
Stark gleich einem Stier war 3 —
Wahrlich, stumm er ward!
Rache schien zu schlummern,
Schlecht schien Atli gerächt;
Tod riß jetzt den Thorbjörn
Fort am Widderfjord.

Asdis sagte, das wäre wahr. "Aber ich weiß nicht, was du jetzt tun willst."

Grettir antwortete; er wollte seine Freunde und Verwandten in den westlichen Gegenden besuchen. "Du sollst durch mich nicht in Ungelegenheiten kommen," sagte er. Er machte sich fertig zur Abreise, und Mutter und Sohn nahmen herzlich Abschied voneinander. Er ritt zuerst nach Melar am Hrutafjördr und erzählte seinem Schwager Gamli alles, wie es sich bei der Ermordung Thorbjörns zugetragen hatte.

Gamli riet ihm, sich schleunigst aus dem Hrutafjördr fortzumachen , solange Thorbjörns verwandte Leute um sich versammelt hätten. "Aber wir wollen dir helfen. soweit wir können, wegen Anis Ermordung dein Recht geltend zu machen."

Darauf ritt Grettir westwärts über die Laxardalsheidi und rastete nicht eher, als bis er nach Ljarskogar kam zu Thorstein Kuggason, und dort blieb er den Herbst über.


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