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Kapitel 

Die Geschichte von dem starken Grettir dem Geächteten


Übertragen von Paul Herrmann


Mit 8 Ansichten und einer Karte

Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1913


12. Der Kampf auf Rifsker 2

Damals kam eine so große Hungersnot über Island, daß ihresgleichen niemals wieder gewesen ist. Der Fischfang hörte fast völlig auf, und nichts trieb an Land. Das dauerte mehrere Jahre. In einem Herbste wurde ein Kaufmannsschiff vom Sturm dahin verschlagen, und sie litten in der Bucht Schiffbruch. Flosi nahm vier oder fünf von der Besatzung bei sich auf, darunter den Steuermann Stein. Die andern fanden an verschiedenen Stellen in der Bucht Unterkommen und wollten sich aus dem Wrack ein Schiff zimmern, aber das war keine leichte Sache. Das Schiff war schmal am Vorder- und Hintersteven, aber breit in der Mitte.

Im Frühjahr kam ein heftiger Nordwind, der fast eine Woche anhielt. Als der Sturm aufhörte, untersuchte jeder seinen Strand, um zu sehen, was angetrieben war.

Ein Mann namens Thorstein wohnte auf Reykjanes. Er fand einen Wal, der war auf dem Kap ans Land getrieben,



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an der südlichen Seite, an der Stelle, die Rifsker heißt; es war eine große Reyd, d. h. ein Furchenwal. 1 Er schickte sogleich einen Boten zu Flosi in der Bucht und dann zu den nächsten Gehöften.

In Gjögr wohnte ein Mann namens Einar. Er war ein Landsasse der Bewohner von Kaldbakr und sollte acht geben auf das, was an ihren Strand antrieb auf dieser Seite der Fjorde. Dieser Mann erfuhr, daß der Wal angetrieben war. Er nahm sogleich sein Boot und ruderte über den Fjord nach der Byrgisvik; ; von da schickte er einen Mann nach Kaldbakr. Als Thorgrim und seine Brüder das hörten, machten sie sich so schnell wie möglich fertig, es waren zwölf Mann in einem Zehnruderer . Kolbeins Söhne, war und Leif, fuhren auch mit, es waren sechs zusammen. Alle Bauern, die konnten, fuhren mit nach dem Wal.

Nun ist von Flosi zu sagen, daß er Boten schickte zu seinen verwandten nördlich nach dem Ingolfsfjördr und Ofeigsfjördr und nach Olaf Eyvindarson, der auf Drangar wohnte. Flosi kam zuerst zu dem Wal und mit ibm die Bewohner der Bucht. Sie begannen sogleich den Speck abzuschneiden und die abgeschnittenen Stücke auf das Land zu ziehen. Es waren zuerst etwa zwanzig wann, aber bald kamen noch mehr hinzu. Nun kamen die Leute von Kaldbakr mit vier Schiffen. Thorgrim erhob Ansprüche auf den Wal und verbot den Bewohnern der Bucht, den Wal abzuspecken, zu teilen oder fortzuschaffen . Flosi forderte auf zu beweisen, daß Eirik deutlich und ausdrücklich dem Önund Holzfaß das Strandrecht übertragen hätte; sonst würde er es um Kampfe kommen lassen. Thorgrim glaubte nicht genug Mannschaft bei sich zu haben und griff deswegen nicht an. Da kam ein Schiff von Süden her über die Fjorde gerudert, und sie strengten sich mächtig an; sie kamen bald dort an. Es war Svan von Holl an dem Bjarnarfjördr und seine Dienstleute. Als er angekommen war, forderte 1 Man unterscheidet Sandreyd (Balaenoptera borealis), Langretd (Bal, musculus) und Steypireyd (Bal. gigas). Walfleisch ist noch heute ein beliebtes Essen auf Island, meist w Essig eingelegt. nach dem volksglauben schützt die Reyd die Schiffe vor den "bösen Walfischen .



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er Thorgrim auf, sich nicht dem Wal wegnehmen zu lassen, — er und Svan waren füher sehr gute Freunde —, und Svan bot ihm seinen Beistand an. Die Brüder erklärten, sie nähmen seine Hilfe an und griffen nun schnell an. Thorgeir Flaschenrücken war der erste, der oben auf den Wal kam und Flosis Dienstleute angriff. Thorfinn, wie früher erwähnt worden ist, schnitt dem Wal den Speck ab. Er stand oben bei dem Kopfe in einer flachen vertiefung, die er sich gemacht hatte.

Thorgeir sagte: "Hier gebe ich dir deine Art zurück." Dann schlug er ihn so über den Hals, daß der Kopf vom Körper getrennt wurde. Flosi stand auf einem Sand- und Steinhaufen, als er das sah. Er feuerte seine Leute zum Widerstand an. Nun kämpften sie lange, und die Leute von Kaldbakr hatten einige Vorteile. Nur wenige der Leute hatten Waffen, außer den Arten, womit sie den Wal abzogen, und kurzen Messern. Die Bewohner der Bucht mußten sich vom Wal auf den Strand zurückziehen, der trocken war, da es gerade Ebbezeit war. Die Ostleute aber hatten gute Waffen, mit denen sie leicht Wunden schlagen konnten. Der Steuermann Stein hieb war Kolbeinsson einen Fuß ab, aber Leif Ivars Bruder, schlug einem Gefährten Steins mit einer Walrippe tot. Man schlug sich jetzt mit allem, was man kriegen konnte, und auf beiden Seiten sielen Leute. kam Olaf von Drangar mit vielen Schiffen und ergriff Flosis Partei. Die Leute von Kaldbakr mußten der Übermacht weichen. Sie hatten vorher ihre Schiffe beladen. Svan forderte nun auf, an Bord zu geben. Sie bewegten sich nach den Schiffen hin. Die Männer von der Bucht verfolgten sie. Und als Svan an das Meer herabgekommen war; hieb er nach dem Steuermann Stein und versetzte ihm eine schwere Wunde. Dann sprang er auf das Schiff hinaus. Thorgrim verwundete den Flosi schwer und entrann ihm dann. Olaf schlug nach Ofeig Grettir und verwundete ihn tödlich. Aber Thorgeir nahm Ofeig in seine Arme und sprang mit ihm auf das Schiff. Darauf ruderten die Leute von Kaldbakr von Süden über die Fjorde, und so endete dieser Streit.



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Über den Kampf wurde folgendes gedichtet:



***
7
Hart, so hab ich gehört,
Hob der tobende Kampf an,
Rund auf den Rippenschären
Recken stritten im Drecke.
Speck statt Speere schoß man,
Sprang entlang den Walleib,
Fleischklumpen warf man sich wütend
Auf den Bauch —welch Brauch!

Darauf wurde ein Friede zustande gebracht, und sie legten die Sache dem Allthing vor. Der Gode Thorodd und Midstardar- Skeggi und viele aus dem Südlande ergriffen die Partei der Leute aus Kaldbakr. Flosi wurde geächtet und viele, die mit ihm gewesen waren. Das kostete ibn viel Geld, denn er wollte allein alle Bußen zahlen. Thorgrim und seine Brüder konnten nicht beweisen, daß sie die Ländereien und das Strandrecht käuflich erworben hatten, worüber Flosi sich beschwert hatte. Thorkel Mani, d. h. "Mond", war damals Gesetzessprecher. Ihm wurde die Entscheidung übergeben. Er sagte, ihm schiene eine gesetzliche Abtretung des Eigentums stattgefunden zu haben, wenn man nur etwas dafür gezahlt hätte, wenn es auch nicht der volle Wert gewesen wäre. "Denn so tat Steinvör die Alte und mein Großvater Ingolf; sie bekam nämlich von ihm das ganze Rosmhvalanes und gab dafür einen schmutzigen Mantel, und dieser Kauf ist niemals für ungültig erklärt worden; und das Land, das Steinvör erhielt, wird mehr Wert haben, ab das. über das hier gestritten wird." "Nun gebe ich den Rat," schloß er, "daß man das umstrittene Land teilen soll, so daß beide Parteien ein gleich großes Stück bekommen; dann sei das als Bestimmung in die Gesetze aufgenommen, daß jeder das Strandrecht vor seinen Ländereien bat."

So geschah es. Man nahm die Teilung so vor, daß Thorgrim und seine Brüder den Reykjarfjördr und den ganzen Land



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strich auf dieser Fjordseite einbüßten, aber sie sollten den Gebirgskamm haben. Für Ofeig wurde große Buße gezahlt. Für den an Thorfinn verübten Totschlag aber wurde nichts gegeben. Thorgeir dagegen erhielt Buße für den Anschlag gegen sein Leben. Danach versöhnten sie sich. Flosi beschloß mit Stein, dem Eigentümer des gestrandeten Schiffes, nach Norwegen zu fahren und verkaufte seine Ländereien in der Bucht an Geirmund Hvikatimb, der dort seitdem wohnte. Das Schiff das die Kaufleute gebaut hatten, war in der Mitte sehr breit; es bekam den Namen Trekylli, d. h. ,Holzsack ', und danach ist die Bucht "Holzsackbucht" benannt worden. Auf ihm reiste Flosi ins Ausland und ward in den Ararfjördr 1 verschlagen. Das gab die veranlassung zu den Begebenheiten, die in der Geschichte von Bödmod, Grimolf und Gerpir erzählt werden.


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