Projektseite Volksmärchen Sagen Geschichten Etnologie Beriche © Arpa data
Textbreite
Schriftgröße
Kapitel 

Edda Erster Band Heldendichtung


Übertragen von Felix Genzmer /Mit Einleitungen und Anmerkungen von Andreas Heusler

Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1912


16. Sigurds Vaterrache

Der Eddasammler stellt diese Stropbenreihe mitten in das Lied vom Drachenhort hinein: Versmaß wie Inhalt heischen gebieterisch die Trennung. Die Hortgeschichte und die Vaterrache sind zwei Themen ganz für sich.

Unser Dichter steht auf dem Boden der jüngeren, nordischen Sagenform: Sigurd ist nicht mehr der in Niedrigkeit Aufwachsende, dem Schmiede Frohnende; er wird als junger Prinz dem Regin zur Erziehung gegeben und erhält von seinem königlichen Stiefgroßvater eine Flotte für die vaterrache. Daß Sigurd seinen erschlagenen Vater nicht ungerochen läßt, war eine naheliegende Folgerung; aber die deutsche Sage scheint dies von ihrem Sigfrid noch nicht erzählt zu haben.

Die acht oder dreizehn Gesäse, die in Str. 4 f. die schönsten Meeressturmverse der altnordischen Dichtung enthalten, sind nur ein Bruchstück; es dürfte ein längerer Eingangsteil fehlen, der vielleicht bis auf den Vater, Sigmund, zurückgriff und erzählte, wie der sterbende Fürst auf der Walstatt die Trümmer seines Odinsschwertes dem Weibe übergibt, damit dereinst der Sohn, Sigurd, die Waffe aus dem väterlichen Stahle führe.

König Sigmund hatte sich mit Hjördis, der Tochter von König Eylimi, vermählt. Einst fielen Lyngwi, Hundings Sohn, und seine Brüder in das Land ein; Sigmund und sein Schwäher stellten sich ihnen Nr Schlacht und fanden beide den Tod.

Die Witwe, die ein Kind unter dem Herzen trug, wurde aufgenommen auf dem Schiffe des Heerführers Alf, der war der Sohn König Hjalpreks von Dänemark. Er führte sie an den väterlichen Hof, und nachdem sie dem Sigurd das Leben geschenkt hatte, nahm er sie zum Weibe.

Sigurd gab man in Pflege bei dem kunstfertigen Schmiede Regin. Dieser sprach:



***
1
Nun kam hierher
Der kühnentschlossne,
Der Sohn Sigmunds
Zu unsern Sälen;
Mut hat er mehr
Als ein alter Mann;
Vom gierigen Wolf
Erwart ich Beute.



Thule-Bd.01-128 Edda Heldendichtung Flip arpa



***
2
Warten will ich
Den walstattfrohen
Yngwis Erbe
Zu uns nun kam;
Der hehrste wird er
Unterm Himmel sein,
Des Schicksals Gespinnst
Umspannt die Lande.

Regin schmiedete seinem Pflegling ein Schwert aus den Trümmern der Sigmundswaffe. Sigurd erprobte es; es war so scharf, daß es den Amboß Regins mitten durchspaltete.

Jetzt stachelte der Schmied den jungen Helden an, den Drachen Fafnir aufzusuchen und sich seinen Hort zu erkämpfen. Aber Sigurd sprach:



***
3
Höhnisch lachen
Hundings Söhne,
Die Eylimi
Das Ende brachten,
Wenn Sigmunds Sohne
Der Sinn noch mehr
Nach roten Ringen
Als nach Rache steht.

König Hjalprek bemannte dem Sigurd Kriegsschiffe zur Vaterrache. Auf der Fahrt kamen sie in einen großen Sturm; als sie an einem Vorgebirge vorübersteuerten, sahen sie einen Mann auf dem Felsen stehn. Der rief sie an:



***
4
Auf Räwils Rossen
Wer reitet dort
Durch hohe Wogen,
Heulende See:
Die Dünungsrosse
Bedeckt der Schaum
Dem Wind erliegen
Die Wogenrenner.



Thule-Bd.01-129 Edda Heldendichtung Flip arpa



***
5 Sigurd:
Sigurd ist hier
Auf Seebäumen;
Es treibt uns Sturm
Zum Tode schier:
Steile Brandung
Den Bug überschäumt,
Der Fluthengst fällt —
Wer ist der Frager:


***
6 Der Mann:
Hnikar rufi mich
Was Raben speist;
Junger Wölsung,
Und zur Walstatt zog;
Den Mann vom Felsen
Magst du nennen
Feng oder Fjölnir —
Fahrt begehr ich.

Sie legten an und der Alte stieg aufs Schiff. Da stillte sich der Sturm. Odin gab Sigurd seine Ratschläge:



***
7
Keiner der Krieger
Kämpfe entgegen
Dem späten Schein
Der Schwester des Mondes!
Den Sieg gewinnt,
Wer sehen kann,
Rasch im Schwertspiel,
Und die Reihn ordnen.

Es kam zu einer großen Schlacht zwischen Sigurd und den Hundingssöhnen; Lyngwi und seine drei Brüder fielen. Da sprach Regin:



***
8
Geritzt ist blutig
Auf den Rücken der Aar
Dem Mörder Sigmunds
Mit sehrendem Schwert.
Kein König war
Kühner als er,
Der das Feld gerötet
Und Raben geletzt!



Thule-Bd.01-130 Edda Heldendichtung Flip arpa

Hnikars Ratschläge


***
1 Sigurd
Künde mir, Hnikar,
Kennst du die vorzeichen
Der Asen und Erdbewohner:
Welche Zeichen sind gut,
sieht man zum Kampf,
Für des Schwertes Schwung:


***
2 Hnikar
viele sind gut,
Wenn das Volk sie kennte,
Für des Schwertes Schwung:
Trefflich Geleit
Ein tiefschwarzer Rabe
Für den Degen mich dünkt


***
3
Das ist ein andres,
Wenn aus du ziehst
Und gerüstet zur Reise bist,
Siehst du zwei
Am Zaune stehen,
Recken voll Ruhmbegier.


***
4
Das weiß ich als drittes,
Wenn den Wolf du hörst
Heulen im Gehölz:
Heil gewinnst du
Von Helmträgern,
Wenn er voran dir eilt.


***
5
Gefahr droht,
Wenn dein Fuß strauchelt,
Da zum Kampfe du kommst:
Böse Disen
Stehn zu beiden Seiten
Und wollen versehrt dich sehn.


Copyright: arpa, 2015.

Der Text wurde aus der Märchen-, Geschichten- und Ethnien-Datenback von arpa exportiert. Diese Datenbank wurde dank Sponsoren ermöglicht. Es würde uns freuen, wenn wir mit Ihrer Hilfe weitere Dokumente hinzufügen können.
Auch bitten wir Sie um weitere Anregungen in Bezug auf Erweiterungen und Verbesserungen.
Im voraus Dank für die Mithilfe. Spenden können Sie unter In eigener Sache

Ihr arpa team: www.arpa.ch Kontakt