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Kapitel 

Schweizerisches

Sagenbuch.


Nach

müdlichen Ueberlieferungen, Chroniken und andern gedrukten and handschriftlichen Quellen herabgegeben


und mit

erläuternden Anmerkungen begleitet von


C. Kohlrusch.

Leipzig,

Rob. Hoffnann

1854.


10. Das Sträggele unb der Dürst.

Es war einmal ein schönes Burgfräulein, das vor allen andern Speisen für sein Leben gern Wildpret ass. Als nun



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einmal ihr Geburtstag gerade an einem Freitag in der Fasten fiel, äußerte sie in Gegenwart ihrer Ritter und Knappen, sie möchte von einem frisch erlegten Wildschweine speisen. Hierüber waren alle Anwesenden sehr bestürzt und Keiner erwiederte ein Wort auf diesen Wunsch, außer ein einziger Ritter, welcher ihr Buhle war. Dieser erklärte sich sofort zur Jagd bereit, wenn sie ihn dabei begleiten wolle. Dies war das Fräulein wohl zufrieden und beide verließen auf ihren Pferden und von vielen Hunden begleitet die Burg, um auf die Jagd zu gehen. Weder das Fräulein, noch den Ritter, noch Pferde und Hunde sah man aber jemals wieder. Beide büssen ihren frevelhaften Leichtsinn und uebermuth damit, daß sie verdammt sind, jeden Freitag in der heiligen Zeit des Nachts von 12 — 1 Uhr mit ihren Hunden und Pferden eine wilde Jagd ab zuhalten. Wenn es dann das Entlibuch, das Wiggerthal, den Schiltwald und den Hundsrücken hinab, welches ihre Lieblingsörter sind, recht tobt und man wie Pferdeschnauben und Rüdengebell hört, sagen die Bauern: das "Sträggele" und der "Dürst" kommen, denn so nennt man jene Unglücklichen, obschon sie in ihrem Leben einen andern Namen gehabt haben werden.

Was S. 113 in der Erläuterung zum wilden Jäger unter Beziehung auf S. 37 —40 gesagt wurde, findet auch hier seine Anwendung, nur daß sich in der Vorstellung vom Sträggele und dem Dürst einige neue mythische Anknüpfungspunkte darbieten, indem Dürst, Türst, von dem alten Thurs, das identisch mit Jötunn, wie dieses ein Namen der bösen Widersacher der Asen, der Riesen, war, abzuleiten ist. Statt Thurs findet man jedoch auch hier und da Thyrs und dieses könnte auf den Gott Tyr zurückführen, welcher, ein Sohn des Odin, sehr oft mit diesem verwechselt wird und der gleich ihm, als Beherrscher der Aetherregion, in die verwandtschaftliche Kette, die sich durch die Vorstellung von allen wilden Jägern hindurchschlingt, verflochten werden kann. Ganz ähnlich, wie die Bewohner der Insel Schonen mit den Worten Odins jagd (s, S, 38) ein zu gewissen Zeiten sich in den Lüften hören lassendes Geräusch bezeichnen,



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sprechen die Entlibucher vom Dürsten-g'jäg, Dürstensg'jeg, Türsteng'jäg (s. Stalders Idiotikon, B. 1. S. 329) in stürmischen Nächten. Was dagegen die andere Vorstellung unserer Sage, die Vorstellung von dem Sträggele betrifft, so stoßen wir, da Sträggele indentisch mit Häggele ist, Häggele aber von Hagsch, Haagsch, nach Stalder (s. sein Idiotikon B. 2. S. 10) ein verschmitztes Weib — Sege, abzuleiten ist, hier offenbar auf ein Wesen dieser Art, welches christlicher Aberglaube dem wilden Jäger gewöhnlich als Begleiterin beigibt; dem Sträggele oder Häggele ist jedoch im Kanton Luzern außerdem noch ganz 'allein eine besondere Spucknacht, die Frohnfastenacht am Mittwoch vor Weihnacht geweiht, welche die Sträggele- oder Häggelenacht genannt wird, in welcher das Sträggele, au die Frau Bertha und die Fran ' Holla *) erinnernd, hauptsächlich die faulen Mägde plagt, welche ihr Tagewerk nicht abgesponnen. Bei dieser Gelegenheit sei gleich noch eines anden Gespenstes, des Posterli, gedacht, das im Entlibuch ebenfalls zur; Weinachtszeit spuckt und an das sich ein eigenthümlicher Gebrauch der, Entlibucher, die sogenannte Posterlijagd, knüpft, welche zuweilen am Donnerstag, an der vorletzten Woche vor Weihnacht vor sich geht und die uns Stalder (s. sein Idiotikon, B. 1. S. 208) folgendermaßen beschreibt :

Beichtli, Bärchtli heißt auch ein Freudenmahl auf den Zunfthäusern zu Luzern.



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"Auf den Abend sammeln sich die meisten Junggesellen, und Jungmänner jeder Pfarre in ihren Dörfern, und kommen mit einander überein in welche Gemeinde sie hinziehen wollen. Gemeiniglich geht der Zug dahin, von woher im verstossenen Jahre sie auch einen Besuch bekommen hatten. Nun ertönt ein Ohren betäubendes Durcheinanderlärmen von Kühe-Trycheln, und Ziegenschellen, von Kesseln und Pfannen; es knallen arms, und klafterlange Geisseln; messingene und eiserne Bleche werden an einander geschlagen; Alp- und Waldhörner machen das Getöse noch verworrener, und geht der Zug von mehr als hundert nervichten Jungen, deren jeder etwas zum größeren Tumult beiträgt, unter einem allgemeinen Gebrüll, das Berg und Thal erschreckt, nach dem bestimmten Orte.

"Voll froher Erwartung des Besuches steht eine große Anzahl rüstiger Jünglinge im Dorf; und nähert sich der wilde Zug, erst dann verdoppelt sich das Geräusch von allen Seiten. In einer langen Reihe ziehen die fremden Gäste unter beständigem Jolen, Schreien, Klatschen, Schellen und Hornen ins Dorf. Einer aus dieser Truppe stellt das Posterli, in Gestalt einer alten Hexe, oder einer alten Siege, oder eines Esels vor, bisweilen aber schleppt inan diese possirliche Maschine auf einem Schlitten nach. In einer Ecke des Dorfes läßt man das Gespenst zurück . und das korybantische Scharivari hört auf."


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