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Kapitel 

Schweizerisches

Sagenbuch.


Nach

müdlichen Ueberlieferungen, Chroniken und andern gedrukten and handschriftlichen Quellen herabgegeben


und mit

erläuternden Anmerkungen begleitet von


C. Kohlrusch.

Leipzig,

Rob. Hoffnann

1854.


14. Der Pferdegeist Zavudschaou.


Schweizerischer Merkur. Jahrgang 1835. S. 114.

Bei Charmey wischen dem Weiler La-Tzintre und der Felsbrücke, lou pou daou vanni (le pont du Vanni) liegen die Moormatten, welche man Lé-Bourliandé nennt. Auf jenen Moorgründen werden im Spätherbste, um das Nach- gras zu benutzen, viele Pferde geweidet, nachdem sie die Alpen verlassen. Etwa vor hundert Jahren noch sah man daselbst einen vierfüßigen Geist, der einem Pferde ähnlich sah und den man Zavudschaou benannte. Dieser Geist war ein loser Geselle, der gar zahm und freundlich that, sobald Jemand dort des Nachts vorbeiging, mochte es auf dem Fuß- oder engen, holperichten Fuhrwege sich ereignen. Wollte man ein Stück Weges auf dem Gaule reiten, so zeigte er sich dazu sogleich bereit, allein sobald man aufgesessen war, sprang Zavudschaou in den nahen Bach und schwamm mit der größten Geschwindigkeit stromaufwärts, bis man entweder vor Nässe, Kälte oder Müdigkeit ohnmächtig neben dem Wasser liegen blieb, und am andern Morgen im Fieberfroste halb todt erwachte, oder nicht eher vom Kobold befreit wurde, bis man seinen Schutzengel oder einen andern Heiligen anrief, dann setzte das Pferd den Reiter auf der nächsten Wiese gan; sanft und gemächlich ab und verschwand.



Schw.Sagebuch-154 Flip arpa

Im heidnischen Alterthum galt das Pferd in fast ganz Europa als zauberhaftes Thier, jedoch mehr in gutem, als in bösem Sinne: denn als das edelste und klügste der Hausthiere war es heilig, der Gottheit geweiht; die nordische Mythologie weist sogar fast jedem einzelnen Gotte sein besonders mit Wunderkräften ausgestattetes Pferd zu und bei den Slaven zog Swantewit, der Gott des Lichtes, allnächtlich auf einem weißen Rosse gegen die dem Lande Schaden zufügenden bösen Nachtgeister aus. Pferde dienten zu Opfergebräuchen, Weissagungen und dem Umzug der Götterwagen. Sie waren Mitwisser der Götter und konnten deren Rathschläge offenbaren (Tacitus Germ. 9. 10), Daher wohl auch die im Heidenthum den Bferdehäuptem beigelegte talismanische Wichtigkeit *). Pferdehäupter auf Stangen gesteckt und nach auswärts schauend hielten von den Häusern das nahende Unheil ab, ein abergläubischer Gebrauch, der sich im Lüneburgischen und Holsteinischen heutigen Tages noch in den aus Holz geschnitzten Pferdeköpfen erhalten hat, mit welchen man dort die Giebel der Häuser schmückt (auch Häuptern von Kühen schrieb man diese Macht zu; in der Schweiz, vorzüglich im Kanton Bern, trifft man heute noch auf Häuser **), unter dem Volte unter dem Namen "Heidenhäuser" bekannt, welche Häupter dieser Thiere an den Giebeln tragen, und die hier als Abwender für Feuer und Blitz gelten). Bei den Scandinaviern dagegen wurde mit ihnen böser Zauber geübt, indem man sie mit aufgesperrten Rachen nach der Gegend hinwendete, wo derjenige, dem man Schaden zufügen wollte, wohnte oder aus welcher derselbe herkommen mußte. Bei den Kalmüken bestimmt die Richtung des Bferdekopfes nach Osten oder Westen, ob das Opfer einem guten oder bösen Geiste dargebracht ward. Aus alle dem erklären sich die in der Volkssage so häufig vorkommenden gespenstischen Nachtpferde, zu welchen auch der Pferdegeist Zavudschaou zählt. Das gleiche Schicksal, welches nach Einführung des Christenthums den gefallenen Göttern zu Theil ward, die in Teufel und böse Geister verwandelt wurden, wurde auch den Opferthieren zu Theil, welche ihnen einst geweiht waren und die nun zu den verschiedenartigsten Spuckgestalten herabsanken. Ganz ähnliche Bildungsmotive liegen dem Nachtgespenst von Plaffeien zu Grunde, das in der folgenden Sage vorgeführt wird.
Copyright: arpa, 2015.

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