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Schweizer Märchen Sagen und Fenggengeschichten


Neu mitgeteilt von Curt Englert-Faye

1984

ZBINDEN VERLAG BASEL


Vom goldenen Liirlüüserli*

Es waren einmal eine Mutter und ein Vater, die hatten zwei Kinder, ein Mädchen und einen Bub. Das Mädchen war der Mutter eigenes Kind, dem Knaben aber war sie Stiefmutter; die rechte Mutter war ihm gestorben. Das Mädchen hatte sie gern, aber das Bübchen plagte sie und behandelte es wie einen Fremden.



Schw. Maerchen Sagen-049 Flip arpa

An einem Tag, mitten im Winter, war der Vater ins Holz gegangen. Da sagte die Mutter zu den Kindern, sie könnten ihre Hutten nehmen und im Wald Holz holen. Das, welches zuerst zurück sei und die größere Bürde heimbringe, dürfe dann im Kasten auf der Laube einen Apfel holen.

Da gingen die beiden Kinder in den Wald und fingen an, Holz zu sammeln. Der Bub merkte bald, daß das Mädchen mehr Holz zusammenbrachte. Darum band er das Mädchen mit seinen Flechten an einen Baum. Derweil sammelte er eifrig Holz, nahm seine Bürde und machte sich auf den Heimweg. Bald kam ihm das Mädchen nach. Der Knabe hatte aber die größere Bürde beisammen und das Mädchen die geringere.

Nun ging der Bub auf die Laube, um sich einen Apfel zu holen. Aber die Mutter war enttäuscht und unleidig; sie mißgönnte dem Knaben den Apfel, denn sie hatte das Mädchen lieber.

Leise schlich sie dem Knaben nach, die Laubentreppe hinauf und durch die Laube. Und wie der Knabe den Kastendeckel öffnete, sich mühsam über den Kasten krümmte, um einen Apfel zu nehmen, da schlug sie den Deckel zu und hieb dem Knaben das Haupt ab. Eine solch nichtsnutzige, schlechte Mutter ist das gewesen.

Danach nahm sie den Knaben, tat ihn in den großen kupfernen Kochkessel und hing diesen an der eisernen Kette über das Feuer und kochte den Knaben. Das Haupt verbarg sie in einem hohlen Baumstamm. Danach mußte das Mädchen dem Vater das Essen bringen, weit, weit in den Wald hinauf. In einem Tuch eingewickelt trug es das Essen, in einem Handbränntli das Trinken. Der Vater setzte sich unter einen Baum, knüpfte das Tuch auf und begann zu essen. Wenn er ein Knöchlein abgenagt hatte, warf er es in einen hohlen Weidenstrunk. Das Mädchen machte sich mit dem leeren Tuch auf den Heimweg. Es war seither traurig und



Schw. Maerchen Sagen-050 Flip arpa

ganz verstört und suchte und rief immer nach seinem Bruder.

Es wurde Frühling. Als der Schnee geschmolzen war, erhob sich aus dem hohlen Baumstrunk ein Vögelein, flog auf den Hausfirst und begann zu singen, so schön, so schön:

Hühü. hühü,
D'Muetter het mi erschlage,
D's Meiteli het mi trage,
Der Ätti het mi gnaget.
Guguß, gugüßeli,
J bin es guldigs Liirlüüserli.
Hühü. hühü,
Meiteli. chumm eis use!
Das Mädchen hörte den seltsamen Ruf und sprang hinaus
vors Haus. Da warf ihm das Vögelein ein goldenes Spinnrädli
hinunter.

Danach sang es wiederum wie vordem und rief:

Hühü. hühü,
Muetter, chumm du eis use!
Da nahm's die Mutter denn doch Wunder, und sie trat
auch vor das Haus. Da rollte das Vögelein einen Beschwerstein
des Daches herunter, der traf die Mutter auf das
Haupt. Und denke: tot fiel sie hin.


Copyright: arpa, 2015.

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