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Märchen aus England Schottland und Irland


Illustrationen


von Antje Schönau

Märchen europäischer Völker


Für später

Es lebte einmal ein Landmann namens Jan, und er lebte ganz allein in einem kleinen Bauernhaus.

Allmählich kam er auf den Gedanken, doch ganz gern eine Frau zu haben, die alles für ihn in Ordnung hielte.

So ging er um ein hübsches Mädchen werben und fragte sie: »Willst du mich heiraten?«

»Das will ich gern«, sagte sie.

So gingen sie zusammen zur Kirche und wurden getraut. Als die Trauung vorüber war, setzte sie sich hinter ihm aufs Pferd, und er



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brachte sie zu sich nach Hause. Und sie lebten so glücklich miteinander, wie der Tag lang war.

Einmal nun sagte Jan zu seinem Weibe: »Frau, kannst du melken?«

»O ja, Jan, ich kann melken. Mutter ließ mich immer melken, als ich noch zu Hause war.«

Also ging er auf den Markt und kaufte ihr zehn rote Kühe. Alles ging gut bis zu dem Tage, an dem sie sie zur Tränke an den Teich geführt hatte und dachte, sie tränken nicht genug. Deswegen trieb sie alle weiter in den Teich, damit sie mehr trinken sollten. Aber da ertranken sie alle.

Als Jan nach Hause kam, erzählte sie ihm erregt, was sie angestellt hatte, und er sagte: »Laß es gut sein, meine Liebe. Paß nächstes Mal besser auf!«

So ging es einige Zeit weiter, und eines Tages fragte Jan seine Frau:

»Frau, kannst du Schweine halten?«

»O ja, Jan, ich kann Schweine halten. Mutter hatte auch immer Schweine, als ich noch zu Hause war.«

Also ging Jan zum Markt und kaufte ein paar Schweine. Alles ging gut bis zu dem Tage, an dem sie Futter in den Trog geschüttet hatte und glaubte, die Tiere fräßen nicht genug, und sie drückte deren Rüssel in den Trog, damit sie mehr fräßen. Und alle erstickten. Als Jan nach Hause kam, berichtete sie erregt, was sie angestellt hatte, und er sagte: »Nun gut, reden wir nicht mehr davon, meine Liebe. Paß nächstes Mal besser auf.«

Und wieder ging es einige Zeit weiter, bis Jan eines Tages seine Frau fragte: »Frau, kannst du backen?«

»O ja, Jan, ich kann backen. Mutter ließ mich immer selbst backen, als ich noch zu Hause war.«

Also kaufte er seiner Frau alles, was sie brauchte, um Brot backen zu können. Alles ging eine Weile gut, bis sie eines Tages dachte, sie wolle weißes Brot backen, um Jan zu überraschen. Deshalb trug sie ihr grobes Mehl auf einen hohen Hügel, damit der Wind hindurchwehe. Sie dachte nämlich, der Wind würde alle Kleie darauspusten. Doch der Wind blies Mehl und Kleie und alles fort, so daß nichts mehr da war.



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Als Jan heimkam, berichtete sie aufgeregt, was sie wieder angestellt hatte, und er sagte: »Gut, gut, wir wollen nicht mehr davon reden.

Paß nächstes Mal besser auf.«

Und wieder ging es weiter, bis Jan eines Tages seine Frau fragte:

»Frau, kannst du Bier brauen?«

»O ja, Jan, ich kann Bier brauen. Mutter ließ mich auch immer Bier brauen, als ich noch zu Hause war.«

So kaufte er alles, was seine Frau brauchte, um Bier brauen zu können. Alles ging gut, bis eines Tages, als sie ihr Bier gebraut und ins Faß gefüllt hatte, ein großer schwarzer Hund hereingelaufen kam und sie anstarrte. Sie jagte ihn aus dem Haus, er aber blieb draußen vor der Tür stehen und starrte sie immer weiter an. Und sie bekam es so mit der Angst zutun, daß sie den Pflock aus dem Faß riß, damit nach dem Hund warf und ihn anschrie: »Was starrst du mich immerfort an? Ich bin die Frau von Jan.« Der Hund lief den Weg hinunter, und sie rannte hinterher, um ihn schnurstracks fortzutreiben. Als sie zurückkam, sah sie, daß alles Bier aus dem Faß ausgelaufen und nichts mehr vorhanden war.

Als Jan heimkam, berichtete sie ganz aufgeregt, was geschehen war, und er sagte: »Gut, gut, reden wir nicht mehr davon. Mach es das nächste Mal besser.«

Und wieder ging es eine Weile gut, bis die Frau eines Tages dachte: >Es wird Zeit, das Haus mal gründlich reinzumachen.< Als sie ihr großes Bett auseinandernahm, fand sie einen Grützebeutel unter dem Betthimmel. Als nun Jan nach Hause kam, fragte sie ihn ganz aufgeregt: »Jan, was für ein Hafersack ist das da unter dem Betthimmel?« — »Das ist für später, meine Liebe.«

Draußen vor dem Fenster stand aber grade ein Räuber und hörte, was Jan sagte. Am nächsten Tag wartete er, bis Jan zum Markt gegangen war, dann kam er und klopfte an die Tür. »Was wünschen Sie?«fragte Mally.

»Ich bin der Herr Später«, sagte der Räuber, »ich komme den Beutel mit Grütze holen.«

Da der Räuber sehr vornehm gekleidet war, dachte sie im stillen, es sei doch recht freundlich von so einem feinen Herrn, selbst wegen



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des Grützebeutels zu kommen. Deswegen lief sie schnell hinauf, holte den Grützebeutel und gab ihn dem Räuber, der damit schnell fortging.

Als Jan nach Hause kam, berichtete sie: »Ja, Herr Später hat den Grützebeutel abgeholt.«

»Was meinst du damit, Frau?«fragte Jan.

Also berichtete sie ihm genau, und er sagte: »Nun bin ich ein ruinierter Mann, denn es war das Geld, um unsere Pacht bezahlen zu können. Uns bleibt jetzt nichts anderes übrig, als die Welt zu durchstreifen, ob wir nicht den Grützebeutel wiederfinden können.« Dann hob er die Haustür aus den Angeln. »Das ist das einzige, worauf wir uns jetzt noch legen können«, seufzte er. Und so nahm Jan die Tür auf seinen Rücken, und sie zogen miteinander davon, um diesen Herrn Später zu suchen. Lange Zeit waren sie unterwegs, und Jan pflegte stets ihre Tür auf Zweige in einem Baum zu legen, damit sie dort darauf schlafen konnten. Eines Abends kamen sie an einen großen Hügel, an dessen Fuß ein mächtiger Baum stand. Also schleppte Jan die Tür auf den Baum, und sie gingen schlafen. Nach einiger Zeit hörte Jans Frau ein Geräusch und lugte herab, um zu sehen, was da los war. Es ging eine versteckte Tür im Hügel auf, und heraus kamen zwei feine Herren mit einem großen Tisch und hinter ihnen schön gekleidete Damen und Herren, von denen jeder einen Beutel heraustrug, und einer von ihnen war der Herr Später mit dem Grützebeutel. Sie setzten sich alle rundum und tranken und schwatzten und zählten alles Geld, das in den Beuteln war, auf den Tisch. Da weckte die Frau ihren Jan und fragte, was sie nun wohl machen sollten.

»Jetzt ist unsere Stunde gekommen«, flüsterte Jan zurück und schleuderte die Tür hinunter, und sie fiel mitten auf den Tisch, und die Räuber erschraken so, daß sie alle davonliefen. Jan und seine Frau stiegen jetzt aus ihrem Baum, nahmen so viel Säcke voll Geld, wie sie auf ihre Tür packen konnten, und schleppten sie schnurstracks nach Hause.

Und Jan kaufte seiner Frau viele Kühe und viele Schweine, und sie lebten von nun an in ungestörtem Glück miteinander.


Copyright: arpa, 2015.

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