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Märchen aus Finnland und dem Baltikum


Illustrationen von Ingeborg Ullrich

Märchen europäischer Völker


Von einem Mann, der dem Teufel drei Jahre diente

Es war einmal ein ganz armer Mann. Der hatte den Acker eines bösen Herrn zur Pacht. Nun starb der Vater dieses armen Mannes. Er mußte



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ihn begraben lassen, hatte aber kein Geld. Während er noch überlegte, woher er das Geld nehmen solle, erhielt er von seinem Herrn den Bescheid, so schnell wie möglich sein Pachtgeld zu bezahlen. Der arme Mann übelegte und überlegte. Schließlich ging er zu seinem Herrn und wollte ihn bitten, mit dem Pachtgeld Geduld zu haben und ihm wenigstens etwas zur Beerdigung zu geben. Er fiel also seinem Herrn zu Füßen. Aber der ließ ihm fünfzehn Hiebe verabreichen und ihm sagen: »Wenn du morgen deine Pacht nicht gebracht hast, lasse ich dir fünfzig geben und dich aus der Hütte werfen.«

Der Arme ging nach Hause, kratzte sich am Kopf und dachte nach, wo er nun Geld herbekommen könne; denn sein Herr hatte kein Mitleid. Aus der Erde konnte er auch nichts graben, so wollte er wenigstens seine Seele dem Teufel verkaufen. Während er noch so überlegte, kam ihm ein junger Herr entgegen. Das war der Teufel. Der fragte ihn, warum er so traurig wäre. Der Arme erzählte ihm sein ganzes Leid von Anfang bis Ende. Da sprach der junge Herr zu ihm: »Wenn du das erfüllst, was ich dir befehle, will ich dir Geld geben, soviel du brauchst.« Der Arme überlegte und sah ein, er war völlig verloren. Denn er besaß nichts, wovon er den Vater begraben lassen konnte, außerdem warf ihn sein Herr aus der Hütte. So versprach er, alles zu tun, was er nur wünschte. Darauf befahl der junge Herr, er sollte dafür seine Unterschrift geben. Das tat er auch, aber nicht mit Tinte, sondern nur mit dem Blut seines kleinen Fingers. Dann gab der junge Herr ihm einen Sack mit Geld und sagte: »Jetzt bist du deiner Verpflichtungen ledig und wirst bei mir in Diensten stehen. Die Arbeit ist nicht schwer. Du wirst dich auf einen Baumstumpf setzen und dort drei Jahre lang sitzen bleiben, du wirst weder dein Haar schneiden, noch deinen Bart scheren, noch deine Nägel verschneiden, noch dein Hemd wechseln. Zu essen wirst du immer bekommen.«Nach diesen Worten ging der junge Herr seines Wegs.

Der Arme ging hierauf nach Hause, ließ seinen Vater begraben und bezahlte seine Pacht. Darauf setzte er sich auf einen Baumstumpf und diente dem Teufel. Drei Jahre lang saß er so. Er war ganz mit Haaren bewachsen und starrte überall von Schmutz. Seine Nägel waren so lang wie die eines wilden Tieres. Sein Anblick war furchtbar. Alle fürchteten



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sich vor ihm und gingen ihm schon von ferne aus dem Wege. Der böse Herr aber, dessen Land der Arme zur Pacht gehabt hatte, lebte sehr verschwenderisch. Er machte überall Schulden und wußte nicht, wovon er sie mal bezahlen sollte. Da erzählte ihm einer, daß der Mensch, den er hatte schlagen lassen, sehr viel Geld hätte. Der Herr rief ihn zu sich. Aber er kam nicht und ließ ihm sagen, er diene dem Teufel und habe keine Zeit zu kommen. So fuhr der Herr selber zu ihm und bat ihn, ihm Geld zu borgen. Der Teufel gebot seinem Diener, ihm erst dann Geld zu geben, wenn der Herr ihm seine Tochter zur Frau versprochen hätte. Der Herr überlegte und überlegte. Seine Tochter tat ihm leid, daß sie eine solche Vogelscheuche heiraten sollte. Aber auch Geld brauchte er sehr nötig. Er versprach ihm also seine Tochter zur Frau, und der Diener des Teufels gab ihm das Geld. Der Herr fuhr damit nach Hause. Aber der Teufel verwandelte sich in einen Freier, nahm den Armen mit sich, und sie fuhren beide als Freier zu der Tochter des Herrn. Der Herr, ob er wollte oder nicht, nahm die Gäste bei sich auf. Dann rief er seine älteste Tochter, zeigte ihr den Menschen und befahl ihr, ihn zu heiraten. Da die Tochter sah, daß dieser weit eher einer Vogelscheuche als einem Manne ähnlich sah, sprach sie zu ihrem Vater: »Lieber will ich mich aufhängen, ehe ich einen solchen Mann heirate.« Darauf lief sie in den Wald und erhängte sich. Da verlangten die Freier die zweite Tochter. Der Herr rief sie und befahl ihr, den Menschen zu heiraten. Die zweite Tochter aber sagte: »Lieber will ich mich ertränken, ehe ich einen solchen Mann heirate.« Darauf lief sie an einen See und ertränkte sich. Als er darauf die dritte Tochter rief, sagte die: »Oh, Väterchen, was hast du mir für einen schönen Mann ausgesucht! Ich danke dir recht schön.«


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